Wir können den Wind nicht ändern, aber wir können die Segel richtig setzen
iner meiner Vorsätze für das neue Jahr: mehr Sport und weniger Corona-Talkshows! Dieselben Gesichter, die gleichen Sprechblasen, viel Nachgeplapper, wenig Aha-Effekte! Das meiste kann man getrost vergessen. Was aber als Mahnmal in Erinnerung bleiben sollte, sind die Bilder von Bergamo, dem europäischen Epizentrum der Frühphase des Pandemie-Ausbruchs.
Einige Jahre zuvor habe ich ein paar Tage in Bergamo verbringen dürfen. Ein norditalienisches „Bilderbuchstädtchen", eingerahmt von einer venezianischen Stadtmauer. Die Oberstadt ist ein spektakuläres Tableau sakraler Bauwerke, gebettet in pittoreske Gassenromantik. Stärker hätte der Kontrast kaum sein können, als der Schatten von Corona nur noch ein mediales Horrorszenario aus Verzweiflung, Hilflosigkeit, Trauer, Särgen und Militärkonvois übrig ließ.
Vielleicht bedurfte es dieses Schocks, um aus dem Mund eines angefassten Regionalpolitikers nicht übliche Worthülsen ertönen zu lassen, sondern eine wegweisende Einsicht. Selbstkritisch bedauerte er einen maßgebenden Katalysator der Katastrophe, nämlich die sich ausbreitende politische Unkultur, wichtige Schaltstellen in Ämtern und Behörden nicht primär nach Qualifikation und Expertise, sondern zunehmend nach politischer Gesinnung und Seilschaft zu besetzen.
Beim Blick vor die eigene Haustür scheint auch das kein „endemisches" Phänomen zu sein. Wenn politische Amtsträger zu weit in die fachlichen Belange hineinregieren, wurde es oft peinlich. Zumal, wenn auf den Arbeitsebenen zunehmend politische Günstlinge sitzen und immer wenig gestandene Fachleute.
Was hat sich bei strukturellen Fehlentwicklungen bewährt, wenn die Problemverursacher auch gleichzeitig Problemlöser sein sollen? Einfach mal die Frösche zu beauftragen, den Sumpf auszutrocknen, wird nicht funktionieren. Um es mit Albert Einstein zu sagen: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind."
Erinnern wir uns: Was hat eine männerdominierte Gesellschaft zur längst überfälligen Gleichberechtigung der Geschlechter „bekehrt"? Bewährt hat sich ein zunächst sperriges, aber – wenn behutsam und nicht im „Hauruckverfahren" angewandt – effizientes und robustes Werkzeug. Dieses relativ gerechte und unbestechliche Instrument heißt Quote.
Um nicht missverstanden zu werden: Unsere Parteiendemokratie lebt von gewählten Führungspersönlichkeiten, von „Hochleistungssportler*innen", die unseren Staat mit strategischen Fähigkeiten und viel Einsatz lenken. Diese politische Elite braucht nicht unbedingt ausgewiesene fachliche Qualifikationen oder sehr spezifische berufliche Erfahrungen, sondern eher politische Begabung, geschärft durch intensive politische Karrierephasen sowie schnelle Auffassungsgabe und positives Machtbewusstsein, geprägt von den Tugenden des jeweiligen Kultur- und Gesellschaftssystems.
Jedoch auf den fachlichen Arbeitsbühnen in Ministerien, Bundes- und Landesbehörden, wo der Transfer in den Alltag der Bürger bewerkstelligt wird, sollten nicht bei Regierungswechseln austauschbare „Parteigänger" massiv überrepräsentiert sein zulasten ausgewiesener Experten. Können wir auf eine repräsentative „unpolitische Quote" derer, die sich fachlich qualifiziert und bewährt haben und weniger mit Parteiämtern beschäftigt waren, bei den komplexen Herausforderungen verzichten?
In einer allumfassenden Bedrohung werden Schwachstellen unübersehbar. Das ist ein guter Zeitpunkt, um mit sportlichem Elan und Fairness nachzubessern. Jetzt können selbstkritische politische Akteure zu innovativen Zukunftsgestaltern werden, denen die Menschen auch in den kommenden Krisen vertrauen.