Die Lautten Compagney Berlin ist ein Ensemble für Alte Musik, das europaweit als eines der originellsten, kreativsten und vielseitigsten gilt. Die Anfänge liegen 35 Jahre zurück.
Drahtzieher ist Wolfgang Katschner, der nicht nur Laute im Ensemble spielt, sondern auch als Künstlerischer Leiter und Dirigent tätig ist. Dem Klischee des zurückhaltenden, durchgeistigten Lautenisten entspricht er überhaupt nicht. Katschner – Jahrgang 1961 – wirkt
bodenständig und zupackend, verfällt gern mal in den Dialekt seiner brandenburgischen Heimat. Er studierte klassische Gitarre an der Ostberliner Musikhochschule „Hanns Eisler". Zur Ausbildung gehörte es, alte Handschriften und Partituren in die heutige Notenschrift zu übertragen. Bald wurde er neugierig, wie die Stücke auf den ursprünglich für sie bestimmten Instrumenten klingen, wollte mehr wissen über historische Spieltechniken und Aufführungsumstände. Mit seinem Studienfreund Hans-Werner Apel tat er sich zum Duo zusammen, Laute und Theorbe.
Im Jahr 1985, das im Zeichen der 300. Geburtstage von Bach und Händel stand, versammelten Katschner und Apel weitere Gleichgesinnte, um ein Ensemble für Kompositionen aus Renaissance und Barock zu gründen, die Keimzelle der Lautten Compagney Berlin.
Alte Musik und neue Formate
Im Westen war die historische Aufführungspraxis damals bereits Trend und drängte ins Rampenlicht der Konzertsäle. In der DDR blieb sie hingegen eine Nische. Wer sich hier der Alten Musik widmen wollte, tat das meist neben seinem Dienst im Orchester.
Die Wende 1989 brachte für Katschner und Apel viele neue Möglichkeiten und Erfahrungen. So machten sich die beiden auf den Weg nach Frankfurt am Main, um sich dort bei dem berühmten japanischen Lautenisten Yasunori Imamura dem Studium des Instruments zu widmen.
Zum Erfolgsrezept der Lautten Compagney gehört die flexible Besetzung, die aber auf einem festen Stamm von Musikern basiert. Das ermöglicht ein äußerst breites Repertoire: vom Solo mit Generalbass bis zum barocken Opernorchester, von der Tanzmusik englischer Pubs bis zu Bach-Kantaten. Wenn es um Vokalmusik geht, kooperiert die Lautten Compagney mit der Capella Angelica, die aus Alte-Musik-erfahrenen Sängern besteht.
Mit den Aequinox-Musiktagen hat die Lautten Compagney vor zwölf Jahren eine eigene Plattform zum Experimentieren in Neuruppin etabliert. Die Stadt in Brandenburg wird alljährlich Ende März zur Heimat des Festivals. Dann herrscht dort Aequinox, die astronomische Konstellation der Tag- und Nachtgleiche, die den Frühlingsanfang markiert. Wegen Corona wurde Aequinox in diesem Jahr vom traditionellen Termin im März verschoben – und zwar auf den 8. bis 10. Juli.
„Der Name Aequinox ist auch Programm", meint Wolfgang Katschner, der die Musiktage leitet und mit seiner Lautten Compagney auch den Großteil der Konzerte gestaltet. „Im Mittelalter gab es zum Phänomen der Tag- und Nachtgleiche allerhand philosophische Ausdeutungen, die sich um Ideen des Ausgleichs drehten", so Katschner. „Auch mit unserem Festival wollen wir eine Balance zwischen Stilen und Spielorten finden."
Und so verbindet sich hier Alte Musik mit neuen Konzertformaten. Vertrautes stößt auf Unbekanntes. Auftritte namhafter Gastmusiker stehen neben Uraufführungen. Ein Markenzeichen des Festivals sind musikalische Lesungen mit bekannten Schauspielern wie Eva Mattes, Mechthild Großmann oder Gustav Peter Wöhler.
Das Festival wendet sich weniger an die Nerds der historischen Aufführungspraxis, die mit spitzen Ohren die Ausführung der Triller überwachen. Vielmehr locken die kurzweiligen und genreübergreifenden Programme Kulturfreunde jeglicher Couleur und auch die ortsansässige Bevölkerung an.
Während des dreitägigen Festivals lernt man Neuruppin, das sich malerisch an den Ruppiner See schmiegt, gut kennen. Einen intimen Konzertrahmen bietet die spätgotische Siechenhauskapelle inmitten des kleinen Altstadtviertels, das der große Brand von 1787 übrig ließ. Es gab schon Veranstaltungen im Kulturhaus am Bahnhof, im riesigen Amtsgericht und sogar in einem Hangar des ehemaligen russischen Militärflugplatzes.
Regelmäßig ziehen die Aequinox-Musiktage auch nach Altruppin in den einstigen Kornspeicher Neumühle, der heute ein Antiquitäten-Lager beherbergt. Die Zuschauer sitzen hier auf gedrechselten Stühlen und samtenen Sofas inmitten altertümlicher Schränke und Spiegel.
Eine wichtige Säule des Festivals ist zudem die Nachwuchsarbeit in Kooperation mit verschiedenen Neuruppiner Einrichtungen. Vor allem mit dem Jugendbarockorchester der Kreismusikschule, das überhaupt erst durch die Aequinox-Musiktage ins Leben gerufen wurde.
Auch sonst ist die Lautten Compagney im Berliner Umland sehr aktiv. Ein kleineres Festival gestaltet das Ensemble jeden September in Bernau, am nördlichen Stadtrand. Hier ist schon der Konzertort ein Ereignis: die spätgotische Sankt-Marien-Kirche mit ihrem spinnennetzförmigen Gewölbe und dem Hochaltar aus der Werkstatt von Lucas Cranach. Die Kirche hat auch eine gute Akustik und bietet quasi zwei Konzertsäle in einem: das Kirchenschiff und den intimen Chorraum vor dem Hochaltar. So sind ganz unterschiedliche Veranstaltungsformate möglich.
Wolfgang Katschner, Leiter der Lautten Compagney, ist auch ein neugieriger Musikforscher, der vergessene Werke ins Licht der Öffentlichkeit holt. So manches Stück vergangener Jahrhunderte hat das Ensemble erstmals auf CD gebannt. Zum Beispiel von dem einst erfolgreichen Opernkomponisten Giovanni Bononcini, der 1702 in Berlin mit der Uraufführung seiner Oper „Polifemo" für Aufsehen sorgte. Oder von Johann Philipp Krieger, der als Kammermusiker bei Hofe in Weißenfels diente.
Vergessene Werke wiederentdeckt
Mehr als 30 CDs hat das umtriebige Ensemble auf den Markt gebracht. Für das Album „Timeless" gab es 2010 einen Echo-Klassik. Die Aufnahmen mit ihrer kontrastreichen Verbindung frühbarocker Klänge und der Minimal Music von Philipp Glass machten weltweit Furore.
Originelle Kombinationen bieten auch die beiden aktuellen CD-Veröffentlichungen der Lautten Compagney, die während der Corona-Stagnation entstanden. Sie wurden vom „Neustart Kultur"-Programm gefördert und mit dem Deutschlandfunk koproduziert.
„Time Zones" verbindet Musik des deutschen Frühbarock-Komponisten Samuel Scheidt mit den zarten Klavierklängen des französischen Moderne-Wegbereiters Erik Satie. Beides ergänzt sich wunderbar und führt zu neuen Klangerlebnissen – trotz eines Abstands von fast drei Jahrhunderten.
Auf „Time Travel" wiederum treffen Beatles-Hits auf die Musik des englischen Barockkomponisten Henry Purcell. Für eine besondere Klangfarbe sorgt die preisgekrönte Saxofonistin Asya Fateyeva. Live kann man dieses Programm am 13. März im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie erleben.
Spannend wird es dann vor Ostern: Zusammen mit dem amerikanischen Regisseur Patrick Chiu bringt die Lautten Compagney Bachs „Johannespassion" als Schauprozess auf die Bühne. Die Serie von vier Berliner Aufführungen startet am 6. April in der Elisabethkirche. Am 9. April eröffnet die Lautten Compagney mit dieser Produktion die Thüringer Bachwochen. Die Gerichtsverhandlung über Jesus, den der römische Statthalter Pontius Pilatus zum Tod am Kreuz verurteilt, wird hier zum zeitlosen Drama über den Konflikt zwischen Individuum und Staatsmacht.