Als erster Kleinwüchsiger nimmt der frühere Leichtathlet Mathias Mester an „Let’s Dance" teil. FORUM-Autor Holger Schmidt hat mit ihm seine Biografie verfasst. Hier erzählt er, was Sie von Mester in der RTL-Show erwarten können.
Schon seit einigen Jahren können Hobby-Tänzer in der RTL-Sendung „Let’s Dance" zeigen, was alles möglich ist. Dass nichts unmöglich ist. So trat in der zehnten Staffel 2017 der frühere Paralympics-Sieger Heinrich Popow als erster Tänzer mit einer Bein-Prothese auf. Zusammen mit Katrin Menzinger wurde er Sechster. Und hätte er nicht verletzungsbedingt aufgeben müssen, wäre er wohl sogar noch weiter vorne gelandet. So wie Benjamin Piwko in der zwölften Staffel zwei Jahre später. Der gehörlose Schauspieler erreichte mit Tanzpartnerin Isabel Edvardsson das Finale und wurde Dritter. In derselben Staffel tanzte Sängerin Kerstin Ott mit Regina Luca und damit erstmals zwei Frauen als Paar. Sie belegten allerdings nur Rang zehn. Etwas erfolgreicher war im Vorjahr das erste rein männliche Tanzpaar. „Prince Charming" Nicolas Puschmann und Profi Vadim Garbuzov wurden Dritter.
Bemerkenswerte Lockerheit
Und auch in dieser, der 15. Staffel, die am 18. Februar beginnt, wird wieder ein ganz besonderer Teilnehmer dabei sein. Mathias Mester ist ganze 1,42 Meter groß. 1,42 komma fünf, wie er stets betont. Er war professioneller Speerwerfer, mehrfacher Welt- und Europameister. Heute ist er schon aus vielen TV-Formaten bekannt. Aus „Hot oder Schrott", aus „Grill den Henssler", aus „Catch", aus dem „Buchstaben Battle" oder aus Talk-Formaten wie dem „Kölner Treff" oder „NDR Talk Show". Nun wird der „Weltmester" der erste kleinwüchsige Teilnehmer bei „Let’s Dance" sein. Und ich kann Ihnen jetzt schon versprechen: Matze wird Sie großartig unterhalten. Er wird richtig abliefern. Und er wird wegen der Mischung aus beidem sicher auch sehr weit kommen.
Ich weiß das, weil ich mit Matze schon eine ganze Weile befreundet bin. Und weil ich die Ehre hatte, seine Biografie zu verfassen. „Klein anfangen, groß rauskommen: Mein verrücktes Leben auf 142,5 cm" heißt sie und ist vor knapp einem halben Jahr im Verlag „Die Werkstatt" erschienen. Und es ist bisher ein ganz ordentlicher Erfolg. Zwei Tage nach dem Online-Release hatten wir einen Bestseller-Stempel bei Amazon. Zwei Tage, nachdem es in die Buchläden kam, ging die zweite Auflage in Druck.
Gute Absatzzahlen freuen uns natürlich. Doch noch mehr freut uns die Tatsache, dass uns bis heute keine einzige negative Reaktion zu dem Buch ereilt hat. Im Gegenteil: Die Menschen sagen, dass sie sich gut unterhalten fühlten. Dass das Buch sie bewegt hat. Dass sie zum Nachdenken animiert wurden. Und meistens alles auf einmal. Und genau das wollten wir erreichen.
Kurze Arme bereiten Probleme
Ich bin gespannt, was Sie über Mathias Mester sagen werden, wenn Sie das Buch gelesen haben. Oder wenn Sie ihn bei „Let’s Dance" erlebt haben werden. Denn ich glaube, nicht zu hoch zu greifen, wenn ich sage: Matze ist ein Mensch, der Ihr Leben verändern kann. Weil er eine vorbildlich positive Einstellung zum Leben hat, ja vor ansteckender Lebensfreude nur so sprüht. Und dennoch sehr tiefgründig ist. Er ist lustig, humorvoll und herzlich. Er ist sehr selbstironisch. Und ein echter Menschenfänger. Jemand, der Berührungsängste abbaut. Und der die Denke der Menschen ändern kann. Weil er zeigt, was alles mit einer Behinderung geht. Und weil er das nie mit dem Holzhammer oder mit erhobenem Zeigefinger macht. Weil er nie jammert und auch nie klagt oder anklagt. Er geht auf Menschen zu, er erzählt von sich. Und wenn ein Problem auf seinem Weg auftaucht, versucht er, es aus dem Weg zu schaffen.
Nun werden Sie sagen: So ein großer Nachteil wird die Größe bei „Let’s Dance" schon nicht sein. Je nachdem, welche Tanzpartnerin er bekommt. Christina Luft zum Beispiel misst 1,62 Meter. Marta Arndt auch. Als Pascal Hens 2019 gewann, war der Ex-Handballer mit 2,03 Meter 29 Zentimeter größer als seine Partnerin Ekaterina Leonova. Doch Mesters’ größtes Problem beim Tanzen ist nicht seine Größe. Sondern die Tatsache, dass er aufgrund seiner Behinderung deutlich kürzere Arme hat.
Da ich auch schon mal abends mit ihm unterwegs war, weiß ich, dass Matze eigentlich kein begnadeter Tänzer ist. Obwohl er oft mit Verve über die Tanzfläche fegt. „Ich habe einfach keine Lust, mich daneben zu setzen und angaffen zu lassen", hat er mir mal gesagt. Aber ich weiß auch, wie er sich in Dinge reinbeißen kann. Er hat als ehemaliger Leistungssportler die Disziplin und den Ehrgeiz, bestens vorbereitet in die Sendung zu gehen. Und er wird während des Wettkampfs hart und konzentriert arbeiten. Er will weit kommen. Aber er will das nicht durch Mitleids-Punkte erreichen, sondern er will wirklich performen. Wenn ein Lob mit den Worten „Dafür, dass Du so klein bist…" anfängt, wird er sauer. Er wird an Grenzen stoßen, Probleme bekommen, an die er heute in der Theorie noch nicht denkt. Doch er wird sich von nichts abschrecken und nicht von seinem Weg abbringen lassen.
Matzes Credo lautet: „Ich bin nicht behindert. Ich bin nur klein." Oder „Jeder Mensch hat eine Behinderung. Bei mir sieht man sie nur sofort." Probleme sind für ihn Herausforderungen, denen man sich stellen muss und die man meistern kann. Deshalb war uns eines klar, als wir beschlossen, zusammen seine Biografie zu schreiben: Wir wollen die Leser mit einem positiven Gefühl entlassen. Aber wir wollen ihnen keine heile Welt vorgaukeln. Sonst wäre das alles nicht glaubwürdig. Im Buch erzählen auch bekannte Menschen wie Mats Hummels oder Detlef Steves, warum sie Mester so inspirierend finden.
Matze ignoriert die kleinen Problemchen nicht, und er erzählt auch frei von ihnen. Über die Probleme beim Kleiderkauf, wenn er mit den überstehenden Hosenbeinen den Boden wischt. Darüber, dass er auf der Toilette nicht an die Urinale kommt (und wie er das Problem mit zwei Freunden löste, als alle Kabinen besetzt waren). Wie er an seinem Auto den Kofferraum nicht zubekam oder den Strafzettel nicht unter dem Scheibenwischern rausfischen konnte. Er erzählt von Rückenschmerzen, die ihn zum Ende der Karriere zwangen. Von ständig wiederkehrenden Problemen mit Schwiegereltern in spe. Davon, wie der Staat ihm die Arbeitssuche erschwerte statt erleichterte. Doch vieles erzählt er mit einem Augenzwinkern. Wie die Geschichte von seiner WG mit einem Sehbehinderten, in der es immer ziemlich dreckig war: „Er hat den Staub nicht gesehen – und ich bin nicht drangekommen." Und wissen Sie, warum nichts die Vor- und Nachteile des Kleinseins so gut dokumentiert wie die Geschichte rund um einen Klaps auf den Po? Lesen sie es nach.
Manchmal ist er auch ein Schelm
Auch dass er manchmal ein Schelm ist, verschweigt Matze eben nicht. So erzählt er, wie er sich den Behindertenausweis eines stärker behinderten Freundes auslieh, um einer Frau dadurch imponieren zu können, dass er direkt vor dem Kino parken durfte. Er flucht über „diese Scheiß-Toleranz", wenn er im Zoo ohne Ausweis den vollen Preis zahlen muss. Und er ist ein wandelndes Episoden-Lexikon. Er erzählt von seinem Kopfballtor im Fußball („Ich glaube, die Abwehrspieler machen heute noch Straftraining"). Er erzählt, wie er als Porno-Darsteller angeworben werden sollte. Wie er als Double von „Game of Thrones"-Star Peter Dinklage abgelehnt wurde – weil er zu groß war. Er spricht auch über die Probleme mit den Frauen und äußert sich zu der Frage, ob alles an ihm so klein ist. Und er erzählt auch ganz offen über seine schwersten Stunden. Gleich zu Beginn des Buches. Weswegen es einige, die nur ein Gag-Feuerwerk erwarteten, hart erwischte.
Aber das war unser Bestreben von Anfang an: Es soll ein authentisches Buch werden. Als wir nach einem Verlag suchten, gab es von einigen die Bestrebung, es thematisch zuzuspitzen. Entweder so, dass nur gute Laune versprüht wird. Oder negativ, nach dem Motto „Alle auf den Kleinen". Das hätte sich vielleicht besser verkauft. Doch welcher Mensch ist schon so eindimensional? Matze ganz sicher nicht. Mit ihm kann man lachen, mit ihm kann man fluchen und weinen, mit ihm kann man auch über das Leben nachdenken. So habe ich ihn über all die 14 Jahre, die wir uns nun kennen, erlebt. So ist er mein Freund geworden. Und ich bin sicher, so wird er sich auch bei „Let’s Dance" präsentieren.
Matze hat schon vieles gemacht in seinem Leben. Er ist ein wahres Multi-Talent. Und jetzt tanzt er auch noch. Schauen Sie rein. Es wird sich lohnen.