Passend zum Jubiläum zeigt das Kunstmuseum Ahrenshoop auf der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst zwei Ausstellungen. Zu sehen sind Werke einer Malerin und eines Malers, die die Anfänge der Künstlerkolonie stark geprägt haben.
Bereits vor über hundert Jahren, mit der fortschreitenden Industrialisierung und den sich immer schneller entwickelnden Großstädten, zieht die Küstenlandschaft der Ostsee Künstler unterschiedlicher Genres an. Sie wird Sehnsuchtsziel und Zufluchtsort. Die ursprünglichen Orte, in denen Menschen mit der Natur leben, inspirieren die Künstler. Hier finden sie ihre Motive: Dorfbewohner, Fischer, Steilküsten, Wälder und immer wieder das Meer – mal in kräftigen Farben, mal sanft in den Himmel übergehend, mal abstrakt oder expressionistisch.
Ahrenshoop, Hiddensee und der Ort Schwan südlich von Rostock entwickelten sich zu Künstlerkolonien in Mecklenburg-Vorpommern. Sie zogen zahlreiche Künstler an und schrieben Kunstgeschichte. Einen Blick vor allem auf die Anfänge der Kolonie werfen nun die Jubiläumsausstellungen im Ahrenshooper Kunstmuseum. Unter dem Titel „Wolkenschatten. Der Zeichner" sind Werke von Paul Müller-Kaempff zu sehen, die Schau „Die Eicken – oder: Malen gegen männliche Vorurteile" stellt Biografie und Schaffen von Elisabeth von Eicken in den Mittelpunkt.
Vorbild war das französische Barbizon
„Paul Müller-Kaempff und Elisabeth von Eicken prägten wie kaum jemand anderes die Kunstgeschichte der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst", sagt Katrin Arrieta, künstlerische Leiterin des Kunstmuseums Ahrenshoop. In ihren Werken seien sie tief in das Wesen der Landschaft eingedrungen und hinterließen damit bleibende Erinnerungen daran, wie Ahrenshoop um 1900 war, bevor die beiden Weltkriege die friedliche Vision zerspringen ließen.
Elisabeth von Eicken (1862 – 1940) wurde in Mülheim an der Ruhr in eine adligen Industriellenfamilie geboren und lebte zehn Jahre in Paris und Barbizon. Das war gewissermaßen die erste Künstlerkolonie überhaupt, ein Dörfchen am Wald von Fontainebleau bei Paris, wo sich um 1830 die ersten Künstler niederließen. Mit den Erfahrungen aus Frankreich kam van Eicken nach Deutschland, gründete 1894 ihr eigenes Atelierhaus in Ahrenshoop, forderte die männlichen Maler um Paul Müller-Kaempff und Friedrich Wachenhusen heraus. Ihre Arbeiten zeigen die unberührte Natur sowie die Landschaft mit Feldern, Bäumen und Häusern. Die Ausstellung, die sich Paul Müller-Kaempff (1861 – 1941) widmet, zeigt seine Zeichnungen, die dem Künstler als Ideenreservoir für seine Malerei dienten. Sie sind mehr als Skizzen, die er in der Natur anfertigte, sie sind eigene Kunstwerke, die in dieser Vielzahl noch nicht zu sehen waren.
Das frühere Fischerdorf Ahrenshoop auf dem Darß hatte der Maler Paul Müller-Kaempff nach seiner Ausbildung an der Berliner Akademie der Künste bei einer Wanderung entdeckt. Beeindruckt von der unendlichen Weite, der Landschaft zwischen Meer und Bodden und den je nach Wetterlage faszinierenden Lichtstimmungen, fand Müller-Kaempff dort seinen idealen Schaffensort. Mit 30 Jahren kaufte er ein Stück Bauland und bezog 1892 als erster Maler sein nach eigenen Entwürfen gebautes rotes Backsteinhaus. Damit gilt er als Begründer der Künstlerkolonie. Zwei Jahre später, als auch die erfolgreiche Künstlerin Elisabeth von Eicken ihr Haus bezog, eröffnete Müller-Kaempff auf dem Nachbargrundstück seine Malschule St. Lucas. Angehende Künstlerinnen mussten auf private Schulen zurückgreifen, weil sie bis 1919 an Kunstakademien nicht zugelassen waren. Der 1909 als Ausstellungsort eröffnete „Kunstkaten" bildet heute als Galerie der Kurverwaltung das kulturelle Zentrum des Ortes. Wer die Dorfstraße, den Strandweg und den Weg zum Hohen Ufer entlanggeht, spaziert auf den Spuren der Künstlerkolonie und kommt an zahlreichen Künstler- und Atelierhäusern vorbei. An der Kliffkante angekommen, eröffnet sich zudem einer der schönsten Ausblicke auf die Ostsee samt Küstenlandschaft mit drei großen windzerzausten Pappeln. Sie entging auch Müller-Kaempff nicht, der diese Aussicht in seinem Gemälde „Abendstimmung am Darß" festhielt. Seit 2013 beherbergt das Kunstmuseum Ahrenshoop die Sammlungen der Künstlerkolonie und zeigt die Werke in wechselnden Ausstellungen.
„Die natürliche Landschaft, der unverbaute lange Sandstrand und die Ruhe, all das, was früher die Künstler anzog, gibt es heute noch", so der ehemalige Ahrenshooper Bürgermeister Hans Götze. Als Maler weiß er die künstlerische Seite des Ortes sehr zu schätzen. Und mit seinen Bildern knüpft er an die über 130-jährige Tradition der Landschaftsmalerei an.
Damals folgten den Künstlern Freunde und Familien, die sich in den reetgedeckten Pensionen und neu entstehenden Hotels einquartieren, der Beginn des Tourismus. Ahrenshoop wurde zum Seebad ernannt und entwickelte sich von der Künstlerkolonie zum Künstlerort. Zu den bekanntesten Malgästen gehörten die Expressionisten Marianne von Werefkin und Alexej von Jawlensky, Erick Heckel, Max Pechstein, Georg Grosz und Lyonel Feininger.
Zu DDR-Zeiten wird Ahrenshoop zum „Bad der Kulturschaffenden" und die alte Malschule ab 1978 vom Kulturfonds der DDR genutzt. Seit 1990 ist die Stiftung Kulturfonds zur Kunst- und Künstlerförderung dessen Nachfolger. Besucher können die Geschichte der Künstlerkolonie sowie die Werke zeitgenössischer Künstler in Galerien, der Strandhalle, im Kunstkaten sowie im Kunstmuseum entdecken. Und sich vielleicht dann auf den Weg nach Hiddensee machen.
Küstenlandschaften, Inseln, kleine Städtchen
Denn auch die kleine Insel wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Künstlern entdeckt. Der Berliner Kaufmann und spätere Maler Oskar Kruse baute 1890 erst in der Lietzenburger Straße in Berlin ein großzügiges Wohnhaus mit Atelier, die „Lietzenburg", und nennt sich fortan Kruse-Lietzenburg. Doch immer wieder zog es ihn an die Küste, bis er schließlich 1904 seine „Lietzenburg" auf Hiddensee baute, die noch heute auf einer Anhöhe thront.
„Die Schönheit der Insel besteht nur für wenige Menschen, sie besteht wirklich in der einfachen Dürftigkeit des Landes, gegen die Himmel und Wasser mit ihrer Farbenpracht um so mehr wirken", so der Künstler damals. Sein Haus wird zum Mittelpunkt für Maler, Schriftsteller und Schauspieler. Oskar Kruse-Lietzenburg, der die Salonkultur großzügig pflegt, wird zum Begründer der Künstlerkolonie Hiddensee. Nach seinem Tod 1919 führt sie sein Bruder, der Bildhauer Max Kruse, fort, während seine Frau Käthe mit ihren Puppen großen Erfolg hat. Auch der Dichter und Nobelpreisträger Gerhard Hauptmann wird nach mehreren Sommeraufenthalten auf Hiddensee heimisch und sein Haus zum Treffpunkt vieler Gäste.
Aber die Maler faszinierte nicht nur die Küstenlandschaft und das Meer. Auch in der kleinen Ackerbürgerstadt Schwaan, 20 Kilometer südlich von Rostock, entsteht vor rund 130 Jahren eine Künstlerkolonie. In Schwaan ist es der einheimische Maler Franz Bunke, der diese ins Leben ruft und gemeinsam mit den ansässigen Malern Rudolf Bartels, Peter Paul Draewing und dem Hamburger Alfred Heinsohn den Kern der Gruppe bildet. Geprägt von der Weimarer Malerschule und der naturalistischen Landschaftsmalerei der Meister von Barbizon, studieren sie die mecklenburgische Landschaft in natürlichem Licht. Zu entdecken sind die Werke der einzigen Mecklenburger Künstlerkolonie in den historischen Mauern der 200 Jahre alten Wassermühle, der sogenannten Kunstmühle.