Sie war Covermodel von „Marie Claire", arbeitet für Yves Saint Laurent, Prada und Calvin Klein, spielte die Hauptrolle in aufwendig produzierten Werbespots. Charleen Weiss über ihr Leben zwischen high class und Jogginganzug.
Charleen, seit wann modelst Du und wie genau bist Du zum Modeln gekommen?
Ich modele seit zehn Jahren und wurde – wie man es sich vorstellt – mit 15 in meiner Heimatstadt Leipzig auf der Straße entdeckt.
Was hast Du gemacht, bevor Du als professionelles Model durchgestartet bist?
Mein erster Job war tatsächlich Aushilfskraft als Kellnerin in den Schulferien. Ab 16 Jahren wurden die Schulferien dann schon für „On Stay"-Aufenthalte in den Modemetropolen genutzt.
Wie entstand das große Interesse für Mode und Lifestyle?
Ich fand es als Kind schon immer spannend, mich zu verkleiden, und als ich jünger war hatte jeder auch diese typischen Stylephasen. Wir erinnern uns an den 2010’er „Emo"-Look … Den und viele andere habe ich mitgemacht. Und natürlich habe ich durch meine vielen Reisen und die damit einhergehenden Eindrücke ein Interesse dafür entwickelt.
Wie würdest Du Dich selbst beschreiben?
Ein kunterbunter Mix aus Extremen würde ich sagen. Ich spreche fließend Sarkasmus und lache gerne viel, bin aber auch geduldig, ehrlich, respektvoll und manchmal brauche ich meine fünf Minuten antisoziale Zeit. Aber ich liebe es auch, mich mit Freunden und Fremden auszutauschen.
Siehst Du Dich eher als Model oder als Content Creator?
Hmm … schwierige Frage. Ich tendiere aber eher zu Model mit einem Hauch von Content Creator. Ich zeige gerne etwas von meiner Person, aber es darf nie zu persönlich werden.
Wie sahen Deine ersten Schritte bei Instagram aus? Und wie wurdest Du dort erfolgreich?
Als ich mit 16 die ersten „On Stay"-Reisen angetreten bin, wurde Instagram auf den Markt gebracht und man hat diese neue App einfach ohne Hintergedanken genutzt. Da ich durch meinen frühen Start in die Branche und das viele Reisen genügend Fotos zu posten hatte, habe ich das natürlich bei Instagram gemacht und somit fing der Ball an zu rollen.
Wie sehen Dein Alltag und Deine Jobs momentan aus?
Momentan reise ich sehr viel innerhalb Deutschlands, daher fahre ich entweder mal nach Hamburg, München, Düsseldorf oder bleibe in Berlin. Aktuell arbeite ich jede Woche bei mindestens einer Produktion oder habe eine Kooperation. Die restlichen Tage versuche ich, meine Zeit viel in der Natur zu verbringen, meine Wohnung neu einzurichten oder meine bestehenden Interessen zu vertiefen, wie Schreiben, Malen, Fotografie, interior design und Handwerk.
Hat sich Dein Profil im Laufe der Zeit verändert?
Modisch hat sich auf jeden Fall einiges getan und ich zeige auch mehr Dinge, die nicht unbedingt immer positiv oder happy sind und die den einen oder anderen hoffentlich zum Nachdenken anregen.
Wie würdest Du Deinen Stil beschreiben?
Ich würde sagen entweder high class oder Jogginganzug. Entweder das Outfit sitzt von Kopf bis Fuß oder ich ziehe einfach an, was da so auf dem Boden rumliegt.
Wo und wie hast Du gelernt, so gut vor der Kamera zu posen?
Mit 15 hatte ich meine ersten Testshoots von der Agentur besorgt bekommen, habe aber ehrlich gesagt im Alter von 13 meine Vorliebe für Fotografie entdeckt. Mit 16 flog ich dann für sechs Wochen nach Tokio und hatte direkt am ersten Tag einen Job. Ich wurde praktisch einfach ins kalte Wasser geworfen und mit jedem Job habe ich dazugelernt und meine Erfahrungen gesammelt. Bis heute lerne ich immer mehr dazu.
Was würdest Du sagen hebt Dich und Dein Instagram-Profil von anderen ab?
Ich denke, dass mein Profil recht vielseitig ist, eben wie meine Persönlichkeit, und nicht nur eine einzige Kategorie bedient. Es fühlt sich etwas an wie ein Tagebuch, ganz natürlich, einfach und ohne Zwang.
Was ist Dir bei Deinen Stories wichtig?
Dass ich sie selbst anschaulich, lustig, ehrlich, süß oder interessant finde. Ich muss zu hundert Prozent dahinterstehen können.
Du hast bei Instagram noch ein zweites Profil mit Gedichten und ein drittes, auf dem man verrückte und lustige Bilder aus Deinem Alltag findet. Was ist die Intention hinter diesen Profilen?
Mit dem Gedichts-Profil wollte ich gerne meinen Gefühlen und Gedanken Ausdruck verleihen, ohne dass Follower oder Freunde fragen, ob alles okay ist. Manchmal überkommen mich bestimmte Emotionen ganz unabhängig von meinem Leben, etwa durch Songs, Serien, Filme oder Geschehnisse anderer.
Das Profil @kamikarles ist zu einer Zeit entstanden, als ich das Gefühl hatte, auf meinem Hauptaccount nicht ich selbst sein zu können. Ich musste mehr darauf achten, dass ich keine Dinge poste, die potenzielle Kunden eventuell vergraulen könnten oder man meinen Humor falsch versteht. Bei Kamikarles war das ganz egal und dieses Ventil nutzen zu können tut auch noch sehr gut!
Was waren die Highlights in Deiner Karriere?
Produktionen für Werbung wie AXE, John Frieda, Garnier, Douglas oder für verschiedene Parfüms. Dass ich schon dem einen oder anderen Prominenten gegenüberstehen und mit Starfotografen arbeiten durfte, dass ich ans andere Ende der Welt reisen konnte und unheimlich viele tolle Menschen kennengelernt habe.
Wo und wie lange wurde der AXE-Werbespot „Soulmates" gedreht, in dem Du die Hauptrolle gespielt hast?
Der „Soulmates"-Clip für AXE/Lynx wurde über zehn Tage mit einem riesigen Team und unzähligen Kostümen in besonderen Locations in Budapest gedreht. Es fühlte sich an, als würden wir einen großen Hollywoodfilm drehen.
Mit welchen Marken hattest Du sonst noch Kooperationen?
Coach, Yves Saint Laurent, Prada, Louboutin, Calvin Klein, Levi’s, Tommy Hilfiger, Etam, L’Oréal, Schwarzkopf, Pepe Jeans, About You, Bershka, Zalando und viele andere.
Was waren die verrücktesten Momente in Deinem Job?
Von Glitzersteinen über mein ganzes Gesicht geklebt über Löwen am Set und für zwei Stunden von Thailand nach Paris fliegen war alles dabei.
Wie bist Du zu den Werbespots für renommierte Brands gekommen?
Meine damalige Agentur hat die Anfragen für mich erhalten und ich bin dann zu den Castings gegangen oder musste E-Casting-Videos schicken. Bei einem E-Casting schickt man die gewünschten Videos per Mail an die Agentur und diese schickt sie dann weiter an den Kunden oder Casting Director. Meistens beinhalten diese Videos ein kurzes Vorstellen meiner Person, Fotos von beiden Profilen, Händen und ein paar Posen. Manche E-Castings verlangen auch ein bestimmtes Video, wie ich mich zum Beispiel abschminke oder mir vorstelle, einem Bus hinterherzurennen.
Das klassische Casting ist natürlich einfacher, da ich den Castern alles direkt vorführen kann.
Du warst auch schon auf Titelcovern bedeutender Modemagazine wie „Marie Claire" und in vielen internationalen Editorials zu sehen. Wie genau kommt man als Model zu solch tollen Jobs beziehungsweise wie war es bei Dir?
Indem man ein Go&See bei entweder dem Magazin selbst oder bei einem Casting Director macht, der wichtige Magazine als Kunden hat. Diese Go&See’s hat in so ziemlich allen Fällen die Agentur organisiert.
Was sind Go&See’s?
Als ich für einige Wochen in Paris war, bin ich mehrmals von meiner Pariser Agentur zu verschiedenen Go&See’s geschickt wurden, darunter auch das Magazin „Marie Claire". Ein Go&See ist im Prinzip ein schnelles Casting, für das aber kein bestimmter Job ansteht, sondern über das der Kunde sich schonmal ein Bild von dir machen kann für eventuelle zukünftige Jobs. In dem „Marie Claire"-Fall bin ich also mit der Metro in das Hauptquartier gefahren und habe mich bei dem Go&See kurz vorgestellt, ohne zu wissen, ob und wofür ich dann gebucht werde. Ein paar Monate später wurde ich dann für das Cover-Shooting von „Marie Claire" nach Paris eingeflogen.
Wie ist denn das Titelcover-Shooting für „Marie Claire" abgelaufen?
Insgesamt war das Shooting für das Cover recht schnell erledigt. Es gab nur zwei Outfits, die geshootet wurden, und das Motiv war auch schon sehr eindeutig: Portrait.
Hat dir das Titelcover gefallen oder hast du eigentlich ein anderes Foto favorisiert?
Das Titelcover hat mir natürlich gefallen. Ich muss jedoch zugeben, dass ich persönlich andere Fotos von dem Shooting besser fand. Meine Meinung spielt aber keine Rolle, da ich bei der Bildauswahl nicht gefragt werde. Es ist ganz allein dem Kunden überlassen, welche Bilder er haben möchte und welche nicht.
Erhält man als Model ein gutes Honorar für Titelcover und Editorials oder macht man diese eher, um bekannter zu werden?
Für solche „Image"-Jobs, wie ich sie nenne, bekommt man nicht viel Gage. Lediglich ein paar hundert Euro und davon gibt man nochmal 20-30 Prozent an die Agentur ab. Sprich, man macht solche Cover-/Editorial-Shootings, um das Image dieser Magazine mitzunehmen und um das eigene Buch aufzubauen. Bei Kunden kommt es natürlich immer gut an, wenn man sagen kann, dass man schon in Magazin XY zu sehen war.
Wenn Du einer neuen Bekanntschaft von Deinem Beruf erzählst: Welche Story ist dann stets dabei?
Dass ich mit 16 nach Tokio geflogen bin, um meine Karrieren zu starten!
Was wirst Du bei Instagram am häufigsten gefragt?
Ob man mich treffen kann, ob man mich fotografieren kann, wo ich herkomme und ob man mich heiraten kann. (lacht)
In Hinblick auf die Schnelllebigkeit in Deinem Job – wie wichtig sind enge Beziehungen für Dich?
Gerade deswegen spielen enge Beziehungen eine sehr große Rolle für mich! Ich kenne sehr viele Menschen, aber eher oberflächlich und deswegen habe ich eine Handvoll Menschen um mich, die ich wirklich komplett kenne und sie mich auch. Wie sagt man so schön? Qualität über Quantität.
Welche Deiner Instagram-Beiträge sind die beliebtesten?
Portraits kommen immer sehr gut an, Bilder, auf denen ich lache und natürlich darf da ein klassisches Bikini-Bild nicht fehlen.
Folgen Dir überwiegend Männer oder Frauen?
Es ist eigentlich ziemlich 50/50.
Wie wichtig ist Dir Nachhaltigkeit?
Ich finde Nachhaltigkeit ist nicht mehr wegzudenken und das ist super so! Wir tragen als Menschen eine sehr große Verantwortung für alles Leben auf dieser Welt und sollten uns dieser Aufgabe bewusst sein. Ich finde jedoch auch, dass das Umdenken vor allem bei großen Konzernen stattfinden muss statt in einem einzelnen Haushalt. Das Angebot und die Gesetzeslage müssen sich ändern.
Wie stehst Du zum Thema Diversity?
Zu 100 Prozent dahinter! Ich bin all denen, die das Licht auf diesen Bereich richten, dankbar. Ich freue mich auf die neue Generation, die all das, was wir versuchen zu leben und zu vermitteln verinnerlicht haben wird.
Hast Du Vorbilder?
Meine Vorbilder wären wohl Claudia Schiffer, Margot Robbie und Cara Delevingne.
Wie hältst Du Dich fit?
Ehrlich gesagt habe ich weder ein Sportprogramm noch eine Diät, die ich verfolge. Ich sehe eventuell fit aus, aber trust me – nach 15 Minuten Sport bin ich dann auch schon durch.
Welche Pläne hast Du für die Zukunft?
Ein zweites Standbein aufbauen in Form einer Firma oder in einem neuen Bereich tätig zu werden.
Für welche positiven Dinge möchtest Du Deine Reichweite nutzen?
Ich finde es persönlich ganz schwierig, mich auf eine Thematik festzulegen. Vor allem dann, wenn ich mich nicht in der Position sehe, öffentlich etwas dazu sagen zu können. Ich werfe meinen Blick gerne auf viele verschiedene Dinge, die in meinen Augen unfair und ungerecht sind und zeige diese dann auch auf, bin aber niemand, der sich nur einer Sache verschreibt. Es gibt gewisse Grundsätze, die jedem innewohnen sollten, wer aber bin ich denn, dass ich mit meinem Finger auf jemanden zeige, dem sie nicht innewohnen?