Alba Berlin triumphiert beim Final-Four und kürt sich zum alleinigen Rekord-Pokalsieger. Die anschließende Feier mit den Fans war wie Balsam für die Seele aller Beteiligten.
Nur für den Hallenwart der Arena am Ostbahnhof dürfte sich der Spaß in Grenzen gehalten haben. Nach dem Rekord-Sieg im BBL-Pokal wollten die Fans von Alba Berlin gar nicht mehr nach Hause, sie feierten auch lange nach der Schlusssirene gemeinsam mit den Spielern. Die hatten sich trotz Corona-Auflagen sogar unter die Anhänger gemischt und mit ihnen Selfies gemacht. Es schien, als wollten alle das nachholen, was in zwei Jahren Corona-Pandemie im Basketball mehr oder weniger verloren gegangen war. „Das vor unseren Fans erleben zu dürfen, in dieser ganz speziellen Atmosphäre", sagte Alba-Kapitän Luke Sikma, erfülle ihn mit „Stolz, Aufregung und Glückseligkeit."
Diese und ähnliche Worte hörte man auch von anderen Albatrossen, denn der Triumph im Pokal-Final-Four am vergangenen Wochenende war in vielerlei Hinsicht ein ganz besonderer. Wegen der zugelassenen Zuschauer-Kapazität von 4.000 Besuchern kehrte eine prickelnde Stimmung zurück, die man fast schon vergessen hatte. Sportlich zeigten die vier Halbfinalisten Alba, Hakro Merlins Crailsheim, Niners Chemnitz und Basketball Löwen Braunschweig höchst ansprechende Leistungen – und der Sieger schrieb Geschichte. Mit dem elften Triumph zog Alba an Bayer Leverkusen vorbei und ist nun alleiniger Rekord-Pokalsieger.
„Stolz, Aufregung und Glückseligkeit"
„Das ist ein riesiger Erfolg", meinte Sikma nach dem 86:76-Finalsieg gegen Crailsheim, „den werden wir angemessen feiern." Das tat auch Marco Baldi, der Geschäftsführer bekam das Grinsen gar nicht mehr aus seinem Gesicht. „Das ist natürlich aller Ehren wert und man hat nicht so oft die Gelegenheit, im eigenen Haus einen Titel zu holen", sagte der 59-Jährige, der alle elf Pokalsiege mit dem Hauptstadtclub miterlebt hat: „Titel sind nun einmal das Salz in der Suppe."
Für Trainer Israel Gonzalez war es dagegen der Premieren-Titel als Headcoach der Berliner. Er sei „glücklich und stolz", sagte der Spanier hinterher, aber es gebe „immer etwas zu verbessern". Das hätte auch eine Aussage von seinem Vorgänger sein können, der Trainer-Ikone Aito Garcia Reneses. Dem hatte Gonzalez jahrelang assistiert und ihn im vergangenen Sommer beerbt, als der 75-Jährige Reneses sich für eine Rückkehr in die Heimat entschied. Die Fußstapfen für Gonzalez sind riesig, der Schatten ist lang – deswegen dürfte der Pokalsieg für ihn und sein Standing im Club enorm wichtig gewesen sein. Doch äußerlich ließ sich der zurückhaltende Trainer überhaupt nichts anmerken, seine Freude behielt er eher für sich, auch wenn er sagte: „Wir müssen diesen Moment genießen. Es ist eine sehr harte Saison."
Und die soll erneut mit dem Double gekrönt werden, so wie vor zwei Jahren unter Reneses. Es sei „unheimlich geil, wenn man in der Saison so früh einen Titel gewinnen kann", meinte Johannes Thiemann. Dadurch sei der große Druck raus, die Spielzeit sei „schon jetzt erfolgreich", wie der Center anmerkte: „Aber wir wollen noch einen Titel gewinnen." Und zwar den Meistertitel, der im Play-off-Finale im Juni vergeben wird. Aktuell stehen die Berliner in der Hauptrunde nur auf dem fünften Platz, allerdings haben sie zwei bis drei Spiele weniger absolviert als die Konkurrenten vor ihnen. Der Pokalsieg gebe auf jeden Fall „richtig viel Power" und „Rückenwind" für die Aufholjagd in der Liga, betonte Thiemann: „Ich spüre eine unglaubliche Euphorie".
Von der ist auch Oscar da Silva gepackt, der vor der Saison aus Ludwigsburg gekommene Power Forward durfte erstmals in seiner Karriere etwas Silbernes in die Höhe recken. „Die Freude ist riesig. Es ist cool, mit so einer Truppe den Titel zu gewinnen", sagte er und fügte schnell hinzu: „Ich hoffe, es kommt noch einer dazu." Da Silva sieht sein Team für den Meisterkampf gerüstet: „Wir haben einen guten Mix zwischen Alt und Jung, von erfahrenen Spielern und jungen Spielern, die etwas beweisen wollen."
Zu den Etablierten zählt zweifelsohne der seit Wochen überragende Maodo Lo, der auch beim Pokalsieg Verantwortung übernahm. Sowohl im Halbfinale gegen Chemnitz (91:81) als auch im Endspiel gegen Crailsheim war der Nationalspieler der beste Schütze seines Teams, besonders in der Crunch-Time war auf ihn Verlass: Nachdem die vom überragenden Aufbauspieler TJ Shorts (30 Punkte) angeführten Gäste in der Schlussphase nochmal gefährlich aufgeholt hatten, war es Lo, der mit einem Dreipunktewurf zum vorentscheidenden 82:76 traf. Dass der Point Guard zum MVP gewählt wurde, war nur logisch – auch wenn viele gerne gesehen hätten, dass TJ Shorts zumindest diese individuelle Trophäe als Trostpreis mit nach Hause hätte nehmen können.
„Der Titel bedeutet mir viel mehr. Dass mit dem MVP ist mir relativ egal", sagte Lo, der seinen Blick kaum von der Medaille nahm, die er von Trainer Gonzalez bei der Siegerehrung um den Hals gehängt bekommen hatte. Vor seinem ersten Interview polierte er das begehrte Stück sogar. „Das hat schon ein paar Abdrücke. Ich will, dass sie sauber bleibt", erklärte Lo: „Diese Medaille ist auf jeden Fall viel wert. Es ist mein zweiter Pokalsieg, ich weiß, wie schwer es ist, das zu gewinnen." Und er weiß auch, wie sich Final-Niederlagen anfühlen. Von daher konnte er mit den Crailsheimern mitfühlen, die den Berlinern einen harten Kampf geliefert hatten.
„Es tut weh", gab TJ Shorts zu, „wir sind hergekommen, um etwas zu gewinnen." Man könne trotzdem stolz auf das erste Pokalfinale der Vereinsgeschichte sein, „wir haben unser Herz auf dem Feld gelassen." Ähnlich sah es auch der geschlagene Center Bogdan Radosavljević: „Diese Erfahrung kann uns keiner mehr nehmen." Am Ende sei man aber an einer „sehr erfahrenen Berliner Mannschaft" gescheitert.
„Charakter gezeigt und verdient gewonnen"
In der Tat wussten die Favoriten im Finale ganz genau, wann sie Kräfte sparen konnten und wann sie wieder ein, zwei Gänge hochschalten mussten. Geplant sei das aber nicht gewesen, gab Thiemann hinterher zu: „Wir hatten das Spiel mehrmals in der Hand, haben es aber immer wieder hergegeben. Deswegen war es erst spät klar." Manche Teams wären wegen der zwischenzeitlichen Rückschläge aus dem Konzept gekommen – Alba jedoch nicht. „Wir haben eine großartige Gruppe, die an ihre Stärke glaubt", erklärte Kapitän Sikma. Auch Da Silva schwärmte: „Wir haben Charakter gezeigt und verdient gewonnen."
Für Gonzalez war das keine Überraschung, er kennt diese Einstellung aus der täglichen Arbeit mit der Mannschaft. „Wir haben einen sehr guten Teamgeist", sagte der Trainer: „Es macht mich sehr stolz, zu sehen, wie sie jeden Tag versuchen, besser zu werden". Auch das war so ein typischer Reneses-Satz, der während dessen vierjähriger Amtszeit bei Alba immer wieder gefallen war. Sein Vorgänger entwickelte Alba Schritt für Schritt zu einem Topteam und feierte Titel, Gonzalez setzt diese Arbeit fort.
Einen Titel wollte eigentlich auch Dennis Schröder bejubeln, doch der deutsche NBA-Star flog ohne dieses Hochgefühl zurück nach Nordamerika. Der Profi der Houston Rockets war trotz der anstrengenden NBA-Saison extra nach Berlin gereist, um seine Löwen gegen Braunschweig siegen zu sehen. Doch das Team zog im Halbfinale gegen Crailsheim den Kürzeren (71:85).