Das Talent hat Kevin Gremm von Mama und Opa geerbt. Um genauso erfolgreich zu sein, muss der junge Ringer aber noch eine Schippe drauflegen. Dafür wechselt er den Verein.
Für ihn ist es der nächste Karriere-Schritt und zugleich der erste in die Fußstapfen von Mama und Opa: Bundesliga-Ringer Kevin Gremm, der im griechisch-römischen Stil in der Klasse bis 82 Kilo startet, wechselte Anfang Februar von Absteiger ASV 08 Hüttigweiler zum Topclub KSV Köllerbach. „Ich freue mich auf die neue Herausforderung, für eine Mannschaft zu ringen, die jedes Jahr um den Titel kämpft und bin motiviert, auf der Matte alles für den KSV zu geben", sagt der 20-Jährige und denkt im Moment des Abschieds auch an seine Förderer: „Beim ASV hat man mir von Jahr zu Jahr mehr Vertrauen geschenkt, wodurch ich schließlich zu einer festen Säule in der Ersten Mannschaft werden konnte. Für diese Unterstützung und die schönen gemeinsamen Jahre möchte ich mich bei allen bedanken."
Bevor es den Pirmasenser 2017 nach Hüttigweiler zog, ging er für den AC Thaleischweiler und die WKG untere Nahe (inzwischen „Wrestling Tigers") auf die Matte. Das Ringen gelernt hatte er allerdings beim ASV Mainz 88. Dass er sich überhaupt für das Ringen entschieden hat, könnte mit Äpfeln und Stämmen erklärt werden: Opa Karl-Heinz Helbing war ebenfalls Ringer und gewann 1976 bei den Olympischen Spielen in Montreal Bronze. Mama Sabrina wurde 1996 in Dänemark Europameisterin und stand bei Europameisterschaften insgesamt viermal auf dem Siegerpodest. „Ich bin quasi in der Ringerhalle aufgewachsen. Grundsätzlich fand ich schon immer geil, mich mit anderen zu messen und wollte immer schon der Beste sein – egal, bei was", stellt Gremm fest und erinnert sich: „Ich hatte wie jeder Junge anfangs auch Fußball gespielt. Aber eigentlich hatte ich keine andere Wahl, als Ringer zu werden. Es hatte sich auch schnell herausgestellt, dass ich hier mehr Potenzial habe." Erste Beweise dafür hat er schon geliefert: Der mehrfache Deutsche Jugendmeister wurde im Sommer des vergangenen Jahres bei der Junioren-EM in Dortmund Fünfter. „Ich hätte auch gut und gerne eine Medaille holen können, aber in den entscheidenden Momenten habe ich die Punkte leider hergeschenkt", berichtet Gremm, der bei der WM im russischen Ufa wenig später bis ins Achtelfinale kam. Seit 2022 ist er allerdings dem U23- und damit dem Männerbereich zugeordnet. Hier muss sich der 20-Jährige erst etablieren.
In der Ringerhalle aufgewachsen
Erst vor drei Jahren und im zarten Alter von 17 Jahren war Kevin Gremm aus seinem Elternhaus in Pirmasens ausgezogen. Seither wohnt er an der Hermann-Neuberger-Sportschule in Saarbrücken. Zunächst im Internat, seit Sommer 2021 im gegenüberliegenden Haus der Athleten. „Die Anfangszeit war schon ungewohnt, weil man auf einmal auf sich allein gestellt ist", blickt er zurück, „Die Entfernung ist zwar nicht so weit, aber es war anfangs schon komisch und dauerte doch ein paar Tage, bis ich mich eingelebt hatte." Klassisches Heimweh war für ihn kein Thema, aber: „Es war schon blöd, nicht mehr jeden Tag sehen zu können, wie meine kleine Schwester immer größer wird. Sie ist jetzt schon fünf Jahre alt." Bei der Akklimatisierung im Saarland half Ringer-Kumpel Numan Bayram, der schon ein Jahr zuvor an die Sportschule umgezogen war. Bei den Schlüssel-Themen Kochen und Wäsche machen gab es Unterstützung von zu Hause: „Meine Mama hat mir einmal gezeigt, wie man die Wäsche macht, und seitdem kriege ich das schon ganz gut hin", verrät Gremm. Mit dem Kochen tut er sich etwas schwerer. Er kann es, aber er mag es nicht. „Ich koche ehrlich gesagt gar nicht gerne, aber es muss halt gemacht werden. Ich esse schon gerne, aber danach aufzuräumen ist nicht so mein Ding", gibt er zu. Dabei spielt die Ernährung bei Leistungssportlern eine wichtige Rolle. Sollte man meinen. „Ich esse das, auf was ich gerade Bock habe", betont Gremm, ergänzt aber: „Ich passe natürlich schon auf, dass ich mich ausgewogen ernähre mit viel Gemüse und Eiweiß. Ich muss schon darauf achten, mein Gewicht zu halten… Aber es darf auch mal eine Portion Rigatoni sein." Wichtig sei es, nur maximal so viel an Gewicht zuzunehmen, wie er vor Wettkämpfen und mit Blick auf die aktuelle Gewichtsklasse in kurzer Zeit wieder abtrainieren kann. „Bei mir sind das so vier, fünf Kilo", sagt er.
Falls es mit der Disziplin mal nicht so klappen sollte, kann sich Kevin Gremm bei seinen Vorbildern Etienne Kinsinger und Denis Kudla Rat einholen: „Es ist schon beeindruckend, wie Etienne alles unter einen Hut bekommt. Er ist perfekt strukturiert, und trotzdem sieht bei ihm alles so locker aus", sagt Gremm über seinen neuen Vereinskollegen, der sich fast schon zur Bezugsperson entwickelt hat. Auch bei Kudla, mit dem er bei Nationalkader-Lehrgängen schon mal trainieren darf, schaut er sich gerne was ab. „Er und Etienne geben mir immer Tipps, was ich wie besser machen könnte, und die nehme ich mir schon zu Herzen und versuche sie auch im Verein umzusetzen", sagt Gremm. Zu seinen Stärken auf der Matte zählt er selbst sein „gutes ringerisches Gefühl" und die genetisch veranlagte technische Begabung. An seiner Ausdauer muss der junge Mann noch arbeiten. Hier ist Fleiß gefragt, Talent allein reicht nicht. Die Leidenschaft dafür hält sich allerdings wie beim Kochen in Grenzen: „Es muss halt gemacht werden", weiß der BWL-Student. Für seinen Studiengang hat er sich übrigens bewusst entschieden. „BWL hat mir schon in der Schule gut gelegen. Da konnte ich mit wenig Aufwand gute Noten schreiben", verrät er mit einem Augenzwinkern.
WM-Teilnahme als großes Ziel
Um seine Ziele im Ringen zu erreichen, ist da schon etwas mehr Aufwand vonnöten. Das Jahr ist schließlich mit Höhepunkten vollgepackt: Ab 7. März findet im bulgarischen Varna die U23-Europameisterschaft statt, für die er hofft, Ende Februar nominiert zu werden. Ende Mai folgt die Deutsche Meisterschaft der Männer in Frankfurt. „Dort möchte ich auf jeden Fall eine Medaille holen", sagt er. Im Oktober stehen die U23-WM in Spanien und auch die neue Bundesligasaison mit dem KSV Köllerbach an. „Für eine Teilnahme an den Weltmeisterschaften liegt noch eine Menge Arbeit vor mir. Aber ich will mich beweisen und für die Teilnahme empfehlen", sagt Gremm. Langfristig steht natürlich ein Ziel ganz oben auf seiner Liste: die Teilnahme an Olympischen Spielen: „Paris 2024 kommt ein bisschen zu früh, ich bin ja erst seit diesem Jahr dem Männerbereich zugeordnet und im nächsten Jahr laufen schon die Qualifikationen", erklärt er, „Aber die Spiele 2028 in Los Angeles sind schon mein großes Ziel. Wenn ich mich nicht verletze und dranbleibe, ist das durchaus realistisch." Die Olympia-Teilnahme wäre der nächste Schritt auf den Spuren von Mama Sabrina und Opa Karl-Heinz Helbing.