Jecken sollten in diesen Zeiten zu wohltätigen Dienstleistern werden
Die Jecken können einem richtig leidtun. Die Spezies, die nichts lieber tut als in der fünften Jahreszeit mit gesellschaftlicher Legitimation über die Stränge zu schlagen, muss sich zu kurz gekommen fühlen. Dieses Jahr sind erneut die meisten Sitzungen und Straßenumzüge gecancelt worden oder gehen allenfalls in schmalerer Variante über die Bühne.
Doch nun dürfen in den Karnevalshochburgen die Narren berechtigte Hoffnung haben, die tollen Tage – wenn auch unter strengen Auflagen – feiern zu können. In Köln, Düsseldorf, Aachen und Bonn sollen gesicherte Brauchtumszonen eingerichtet werden – und das ist ausdrücklich nicht als Einladung zum hemmungslosen Feiern zu verstehen.
Was soll das bitteschön sein? In einigen Städten gilt eine Glasverbotszone, in Kneipen muss die 2G-Plus-Regel eingehalten werden, und in den ausgewiesenen Zonen sind Musikbeschallung, Bühnen, Bierwagen oder Darbietungen jedweder Art nicht erlaubt.
Dass Fußgängerzonen, Raucherzonen und erogene Zonen unser Leben übersichtlicher machen sollen, reichte scheinbar nicht. Nein, in den deutschen Amtsstuben musste man dieses Wortungetüm ausbrüten. Allein das Wort ist so unsexy, dass jeden Jeck die große Unlust überkommen wird. Allenfalls hat die Wortneuschöpfung das Zeug, zum Unwort des Jahres gewählt zu werden.
Ganz ehrlich: Was sollen die Heerscharen der Jecken in den gesicherten Brauchtumsgebieten überhaupt tun? Schließlich ist so gut wie alles verboten, und welcher Jeck will schon mit angezogener Handbremse Party machen? Anstatt stur wie (fast) jedes Jahr die Tradition in Ehren zu halten, könnten sich die Narren in Demut üben und als gemeinwohlorientierter Dienstleister auf den Plan treten. Zum Beispiel würden ihre Sympathiewerte in der Bevölkerung enorm nach oben schnellen, wenn sich das vermeintlich immer gut gelaunte Partyvolk auf einen Verhaltenskodex für die Session einigen würde.
Darin müsste stehen: Keine Karnevalistin und kein Karnevalist darf ohne Einwilligung angegrapscht werden oder in einer intimen Situation – zum Beispiel beim Toilettengang – oder unter dem Rock oder sonstwo fotografiert werden. Zudem dürfen bei sämtlichen Karnevalsveranstaltungen, in Liedern und Büttenreden keine Witze auf Kosten von Menschen anderer kultureller Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht und sexuellen Identität gerissen werden. Andernfalls droht der Ausschluss aus dem örtlichen Karnevalsverein und der Narren-Gemeinschaft.
Als Höchststrafe dräut denen, die partout die Regeln nicht respektieren, die Teilnahme an einer Sitzungswoche des Deutschen Bundestages. Dabei dürfen die zwangsverpflichteten Gasthörer im Hohen Haus während der Wortbeiträge der Abgeordneten keinesfalls einschlafen. Damit sich endlich die aktuelle Tagespolitik in den Darbietungen widerspiegelt, müssen sie alles Gesagte penibel protokollieren und später verwursten.
Genauso gut könnte das Narrenvolk Solidarität und Mitgefühl mit denjenigen beweisen, die zwangsläufig Haus und Wohnung hüten müssen, weil sie eine Corona-Infektion durchmachen. Unten auf der Straße könnten die Fastnachter stehen und die zur Karnevalszeit besonders beliebten Lieder von Querbeat („Nie mehr Karneval"), den Bläck Fööss („Du bist die Stadt") oder Höhner („Viva Colonia") anstimmen, während die Corona-Erkrankten hinter geöffneten Fenstern entspannt lauschen.
Zulässig sind natürlich auch andere Formen der Unterhaltung, wie zum Beispiel Live-Cooking unter freiem Himmel, das zum Beispiel als „Gaga Streetfood" vermarktet werden könnte. Für die Daheimgebliebenen, die gerade wenig aufheiternde Momente erleben, würde ein Tierlaute-Rate-Quiz hohen Lachfaktor versprechen.
Die Hardcore-Fastnachter, die selbst vor innerstädtischen Brauchtumszonen nicht zurückschrecken, könnten eine dreiteilige Performance mit Symbolcharakter aufführen, um der Omikron-Variante den Garaus zu machen: Um allen zu zeigen, dass sie den Vakzinen der Impfhersteller ihr Vertrauen schenken, würden sie die Ärmel hochkrempeln. Danach würde jeder trotz Abstandsgebot seinen närrischen Nachbarn umarmen, und schließlich würden alle Hand in Hand eine Menschenkette bilden und so gesellschaftlichen Zusammenhalt demonstrieren.