Der Weltstar Rolando Villazón singt und inszeniert in den größten Opernhäusern. Zudem schreibt er international erfolgreiche Romane. Im Interview spricht er über seine Konzerttour, über seine Anfänge und die Höhepunkte seiner Karriere.
Herr Villazón, Ihre neue Tournee trägt das Motto „Rolando Villazón – Eine musikalische Weltreise durch die Zeit“. Die Pianistin ist Carrie-Ann Matheson und der Moderator Holger Wemhoff sind dabei. Was erwartet das Publikum?
Eine Reise zu Komponisten aus Europa und Amerika mit schönen deutschen, französischen, italienischen, englischen, lateinamerikanischen und spanischen Liedern sowie zeitgenössischen Kompositionen. Stücke, die ich in meiner Zeit als professioneller Musiker gelernt habe, von Kurt Weill, Alberto Ginastera, Walt Whitman, Verdi, Fauré, Bellini, Schubert oder Mozart. Ich werde dabei aber nicht nur über die Musik, sondern auch über die Komponisten und die Poesie sprechen.
„Rossini war ein ganz lustiger Mann“
In Salzburg inszenieren Sie im Frühjahr „Il Barbiere di Siviglia“. Der „Barbier von Sevilla“ ist eine der bekanntesten komischen Opern überhaupt. Was ist an der Musik von Rossini eigentlich komisch?
Ich glaube, Rossini war ein ganz lustiger Mann. Sein „Barbier“ hat Anklänge an die Commedia dell’Arte. Man nannte ihn Monsieur Crescendo, aber dieser Komponist war viel mehr als das. Sein „Barbier von Sevilla“ ist ein „capolavoro“, ein einzigartiges musikalisches Meisterwerk. Rossinis Melodien und Harmonien klingen einfach, aber die Musik ist genial in allen Richtungen.
Als Kind besuchten Sie in Mexiko-Stadt das Colegio Alemán Alexander von Humboldt, wo Sie auch Deutsch lernten. War Musik eines Ihrer Schwerpunktfächer?
Musik war wichtig. Ich habe da zum Beispiel Weihnachtslieder gelernt und Blockflöte und Gitarre gespielt. Diese deutsche Schule hatte auch einen wunderschönen Chor, in dem ich aber nie gesungen habe. In Musik war ich ganz schlecht, ich wollte sie nicht erlernen, das habe ich erst auf dem Konservatorium getan. Ich hatte als Schüler auch keine Lust, Flöte zu lernen. Das war sehr problematisch.
„Ich habe mich in die Musik verliebt“
Und wie war es mit dem Singen?
Ich liebte es zu singen, aber nicht im Chor oder im Unterricht. Ich war nicht daran interessiert, eine gute Note oder einen Punkt zu bekommen, ich sang eigentlich nur für mich selbst. Es war für mich eher etwas Existenzielles als eine bürokratische Aktivität.
Haben Sie den Musikunterricht öfters geschwänzt?
Ja, hin und wieder. (lacht)
Entdeckt worden sind Sie auch nicht an der Schule, sondern zu Hause unter der Dusche. Wie kam es dazu?
Das war lustig. (lacht) Dieser Mann war bei unseren Nachbarn zum Essen eingeladen. Er erkundigte sich bei ihnen, wer da in der Dusche singe. Ein paar Tage später durfte ich an einem Vorsingen an einer Kunstschule teilnehmen. Das war wunderbar, weil ich als Zwölfjähriger dort Ballett, zeitgenössischen Tanz, Theater und Popgesang studieren konnte. Mit 18 hörte mich eine Dame bei einem Festival in unserer Schule und bot mir daraufhin Unterricht in Operngesang an. Diese zwei Entdeckungen waren wichtig für mich.
Wann haben Sie gespürt, dass Sie etwas haben, das nicht alle haben?
Ich habe lange nicht gemerkt, dass ich über eine besondere Stimme verfüge. Ich wusste gar nicht, was ich damit anfangen wollte. An Opernsänger habe ich da noch nicht gedacht, das kam erst ein paar Jahre später. Zuerst wollte ich Psychologie studieren, habe dann aber gemerkt, dass ich mir das Studium nicht leisten konnte. Ich arbeitete damals als Lehrer. Also habe ich mir überlegt, an der öffentlichen Universität Philosophie zu studieren. Leider war die Frist zur Einschreibung bereits abgelaufen und ich bewarb mich am Konservatorium, wo ich auch akzeptiert wurde. Dort habe ich mich dann in die Musik verliebt.
1999 waren Sie Preisträger des weltbedeutenden Gesangswettbewerbs Operalia von Plácido Domingo. Wurde Domingo zu Ihrem persönlichen Förderer?
Er war mein Idol. Seine Stimme habe ich mit zwölf Jahren das erste Mal gehört in einem dieser Songs mit John Denver. Ich liebte sie sofort. Und plötzlich durfte ich mit ihm zusammen singen! 1999 belegte ich den zweiten Platz in Plácido Domingos Operalia-Gesangswettbewerb und erhielt den zusätzlich verliehenen Operalia-Preis für Zarzuelas sowie den Operalia-Publikumspreis. Das war unglaublich. Seitdem habe ich viele Konzerte mit Plácido Domingo gespielt und er hat mich in vielen Opern dirigiert.
Sie haben an der Pariser Oper gesungen, der Berliner Oper, der Bayerischen Staatsoper in München, an der Met in New York, der Oper in Rom, in Los Angeles und an der Wiener Oper. Sind Sie in Ihrem Beruf immer weiter gekommen, weil Sie nie mit 99 Prozent zufrieden waren?
Mein Ziel war immer, über die Musik Kontakt zu meinen Gefühlen herzustellen. Natürlich sind für uns Sänger auch die technischen Aspekte wichtig, die vielen Stunden, die wir proben, aber im Moment des Singens geben wir uns zu 150 Prozent unseren Emotionen hin. Alles, was wir uns erarbeitet haben, kommt dann automatisch. Proben sind für mich wunderbare Momente. Das Lernen ist weniger wunderbar, weil eher ein schwieriger Moment. Aber wenn die Musik dann im Gehirn und im Körper ist, fühlt es sich super schön an. Und bei der Vorstellung musst du fliegen und das Tier rauslassen. Wenn du in dem Moment zu viel denkst, geht etwas verloren. Das Ziel ist die Fusion von Musik und Gefühlen. Ruhm und Karriere sind keine richtigen Ziele, sondern Konsequenzen. Man muss auch zufrieden sein mit dem, was man macht. Es wird nie perfekt sein. Das ist menschlich. Aber es muss eine Wahrheit haben.
„Jede Vorstellung ist ein Highlight“
Die Opernaufführung von Puccinis „La Bohème“ in München mit Ihnen und Anna Netrebko wurde aufgezeichnet und kam 2008 sogar in die Kinos. War das ein Höhepunkt Ihrer Karriere als Sänger?
Es war eine neue Erfahrung. Aber im Sommer habe ich zwei Filme („The Magic Flute“, „Cabrini“, Anm. d. Red.) gedreht, die bald erscheinen sollen. Es war interessant, fast lustig und hat viel Spaß gemacht. Für mich ist jede Vorstellung auf der Bühne ein Highlight, ob mit Xavier de Maistre oder Christina Pluhar. Und wenn ich die Chance habe, im Fernsehen zu singen oder einen Film zu machen, ist das für mich auch ein Höhepunkt. Es ist einfach ein Teil des Abenteuers.
Im Herbst geben Sie ein großes neues Rollendebüt als Loge in Richard Wagners „Rheingold“ an der Staatsoper Berlin mit Daniel Barenboim, mit dem Sie befreundet sind. Er soll sehr streng sein, etwa wenn man zu Proben zu spät erscheint. Wie ist es, mit ihm zu arbeiten?
Das ist normal (lacht). Man ist streng, weil man immer das beste Ergebnis sucht. Aber natürlich ist Daniel Barenboim einer meiner besten Freunde. Man muss sehr gut vorbereitet sein, wenn man mit ihm arbeiten will, weil er Wagners Musik extrem gut kennt. Ich habe ihm vor zwei Wochen den ganzen Loge vorgesungen, er war sehr zufrieden. Man muss dann dieses Instrument und diese Stimme sein, mit der er arbeiten kann. Du musst es komplett in deinem System haben, sodass wir wirklich den Geist und die Energie der Rolle herausbringen. Das funktioniert nur durch mich und die Ideen des Dirigenten. Und Barenboims Ideen sind reich, tief und wunderbar. Es ist eine große Freude, zusammen neue Farben und Facetten dieser Rolle zu entdecken.
Die „Rheingold“-Premiere findet erst im Herbst statt, aber Sie sind jetzt schon tief in Ihre Rolle eingetaucht. Für Sie eine besondere Herausforderung?
„Rheingold“ ist mein erster Wagner, das ist für mich keine Kleinigkeit. Der Loge ist eine sehr schwierige, aber fantastische Rolle. Man muss sie gut singen, aber auch besonders gut spielen. Der Druck ist für mich immer dann am höchsten, wenn ich etwas zum ersten Mal mache. Zum Beispiel in den Stunden vor einer Premiere. In dem Moment, wo ich auf der Bühne stehe, ist er aber weg. Man fängt dann an zu spielen, zu singen, in der Situation zu sein.