Laura Müller hat mit ihren 26 Jahren bereits viel erreicht und viel erlebt. Die Sprinterin und Staffelläuferin des SV GO! Saar 05 schätzt neben ihren Erfolgen auch ihre Niederlagen. Und bleibt dabei vor allem eines: Mensch.
aura Müller hat in ihrem Leben schon Dinge erreicht, von denen andere noch träumen. 2016 war sie bei Olympia in Rio de Janeiro, 2021 bei Olympia in Tokio. Sie lief schon im Stadion in Eugene im Bundesstaat Oregon und bei den Staffelmeisterschaften auf den Bahamas. Ihr nächstes großes Ziel sind die Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2022 in Eugene sowie die Europameisterschaften vor Heim-Publikum in München. Nicht zu vergessen natürlich die Olympischen Spiele 2024 in Paris, auf die sich die SV GO! Saar 05-Leichtathletin besonders freut.
Obwohl Laura Müller bei den verschobenen Olympischen Spielen in Tokio schon das zweite Mal dabei war, war diesmal alles anders. Vier Jahre lang hatte sie darauf hingefiebert, bis sie dann verschoben wurden. Als bekannt gegeben wurde, dass die Spiele 2021 nun endlich stattfinden, war sie natürlich erst einmal „happy“. Allerdings durften die Athletinnen und Athleten ihr Dorf aufgrund der Einschränkungen durch Corona nicht verlassen. „Das war sehr schade, weil bei Olympia schon auch immer das Erlebnis ist, mit den Einheimischen in Kontakt zu kommen. Es ist mehr als nur der Wettkampf“, erklärt sie.
Erfahrungen zeigen: Sport ist nicht alles
Auch die Wettkämpfe an sich waren nicht wie üblich. „Der Moment auf der Bahn war wirklich ein besonderer, den ich auch genießen konnte, obwohl keine Zuschauer da waren. Es gab eine riesige Anzeigetafel, auf der stand: Jetzt gucken gerade 35 Millionen Leute zu“, erzählt die Sprinterin. Umso mehr freut sie sich jedoch über die Zuschauerinnen und Zuschauer, die Ende Januar dieses Jahres in Karlsruhe und auch bei den Deutschen Meisterschaften Ende Februar wieder dabei sein konnten. Auch Familie und Freunde können jetzt endlich wieder mitfiebern, was in Tokio leider auch nicht der Fall war.
Wie viele andere Sportlerinnen und Sportler warf die Pandemie auch die 26-jährige Leichtathletin aus der Bahn. Sie erzählt: „Als Sportler hat man immer klare Ziele und es ist immer alles sehr durchstrukturiert. Die Pandemie hat das alles über den Haufen geworfen.“ Lange Zeit war unsicher, wann überhaupt wieder Wettkämpfe stattfinden. Bereits in den Jahren 2018 und 2019 hatte Laura Müller mit verschiedenen Verletzungen, wie Rückenproblemen und einem Muskelfaserriss, zu kämpfen. Zu allem Überfluss infizierte sie sich dann im folgenden Jahr noch mit dem Coronavirus. „Das hat meine Vorbereitung auf Olympia schon gestört. Ich habe mich Mitte März bei der Hallen-Europameisterschaft infiziert und war dann sehr lange in Quarantäne. Man hat es natürlich danach im Training von der Lunge her schon gemerkt“, erzählt sie. Mittlerweile gehe es ihr jedoch körperlich wieder gut und sie spüre glückerweise auch keine Anzeichen von Long Covid.
Sportler sind keine Übermenschen
Trotzdem haben die Erfahrungen der letzten Jahre bei der jungen Frau etwas verändert. Sie beschreibt, dass sie durch die Pandemie erkannt habe, dass es auch noch andere Dinge gebe als bloß den Sport. „Der Sport ist seit Jahren mein Lebensmittelpunkt und das wonach ich mein Leben richte. Aber man weiß ja auch, dass er vergänglich ist“, erklärt sie. Sie habe für sich erkannt, dass sie neben all den großen Momenten vor allem den Weg zum Ziel und die kleinen Erfolge mehr feiern will. „Natürlich sind die Momente auf der Bahn besonders, wenn man sein Ziel erreicht hat. Aber ich sage ganz ehrlich, aus den Niederlagen lernt man fast noch mehr“, sagt Laura Müller und fügt hinzu: „Im Leben ist es ja auch so, dass immer wieder Situationen auftreten, in denen man sich fragt, ob das alles noch Sinn macht und man sich dann irgendwie durchkämpfen muss.“
Es ist erstaunlich zu sehen, mit welcher Reife die Mitte Zwanzigjährige von ihren Erfahrungen spricht. Sie gibt alles um ihre Ziele zu erreichen. „Aber ich weiß, dass ich trotzdem der gleiche Mensch bin, auch wenn ich diese Ziele nicht erreiche. Auch wenn ich vielleicht nicht ganz so performe, wie ich es mir in dem Moment wünsche, bin ich trotzdem dieselbe Laura.“ Zudem weitet sie den Blick auf die Menschen, die bei einer Einzeldisziplin wie dem Sprint nicht im Vordergrund stehen: Familie, Freunde, Trainer, Physiotherapeuten und Sportpsychologen. „Es ist unfassbar schön, dass man nicht alleine auf der Bahn steht und die Leistung am Ende eine Teamleistung ist“, erzählt sie.
Zudem plädiert Laura Müller dafür, auch im Sport den Mensch in seiner Gesamtheit zu sehen und nicht bloß seine Leistung. Sie unterstützt die positive Entwicklung dahin, auch die psychische Belastung im Leistungssport mehr zu thematisieren. Sie erklärt: „Im Endeffekt sind wir Menschen wie alle anderen. Und wir haben die gleichen Probleme. Ich kenne so viele, die auch psychische Probleme haben im Sport. Da wird nicht drüber geredet, aber das ist so oft der Fall.“ Auch zu der zunehmenden Politisierung des Sports – man denke an die Boykottierung der Olympischen Spiele in Peking – hat sie eine Meinung: „Eigentlich wird von uns erwartet, dass wir uns nicht politisch äußern, sondern dass wir eben rennen, werfen, schwimmen oder was auch immer“, erklärt sie und fährt fort, „Aber ich denke, wir alle sind Menschen und haben auch eine Meinung. Jeder Athlet macht sich natürlich auf gewisse Weise angreifbar, wenn er sich zu so einem Thema äußert. Aber ich finde, dass muss jeder für sich selbst entscheiden. Und wenn man das möchte, dann hat jeder das Recht dazu.“
Laura Müller zeigt mit ihrer Haltung genau das, was viele Zuschauerinnen und Zuschauer manchmal vergessen: Nämlich, dass Sportlerinnen und Sportler keine „Übermenschen“ sind. Das alleine muss aber nicht schlecht sein. Denn gerade der Sport sei eine gute Möglichkeit, die Vielfalt aller Menschen auf dieser Welt zu zeigen. „Zum Beispiel Fair Play oder auch dass der Sport bunt ist. Dass es egal ist, wen man liebt oder wie man aussieht, denn im Sport sind wir alle gleich. Ich finde gerade das kann er super transportieren. Und wir als Athleten sollten auch dazu stehen“, erklärt sie.