Zuckerrohr, Apfelbrei, Kaffee, Bohnen oder Pilzwurzeln? Was klingt wie die Einkaufsliste eines Edelrestaurants, sind die Materialien, aus denen die neusten Sneaker-Träume bestehen. Die sind zwar nicht essbar, aber dafür absolut klimaverträglich.
Sie haben einen langen Weg zurückgelegt und dabei so einiges erlebt: die Sportschuhe. Seit dem 20. Jahrhundert leger unter dem von Henry Nelson McKinney geprägten Werbebegriff Sneaker bekannt. Den ersten Schuh dieser Art gab es um 1860 nahezu zeitgleich in den USA und England zu bewundern. Eine Hülle aus Leinen auf einer Sohle aus flexiblem Gummi sollte fortan die Füße begeistern, bis heute. Statt aus Leinen, wie bei den ersten knöchelhohen Converse All Stars, bestehen die sportlichen Treter jetzt aus gegerbtem Leder oder synthetischen Fasern. Das ist allerdings schlecht für das Tierwohl und die Umwelt. Deshalb gibt es endlich effiziente Ansätze, echte Bio-Modelle auf den Markt zu bringen. Dabei finden Produkte aus der Lebensmittelindustrie Verwendung, die ohne ihren Einsatz am Schuh wahrscheinlich als Abfall in der Mülltonne gelandet wären. Wie zum Beispiel Kaffeesatz. Die Menge von 21 Tassen Kaffee braucht es, um zusammen mit recyceltem PET von sechs Wasserflaschen unter Hochdruck ein Material herzustellen, welches dann als Außenhülle für den Schuh dient. Das Verfahren stammt von Rens, einem finnischen Sportmodehersteller. Entwickelt wurde das einzigartige Herstellungsprozedere für den ersten Sneakerlaunch im Jahr 2019. Die Sneaker sind stylish, wasserdicht, atmungsaktiv und bequem. Für so viel Einsatz erhielt das Unternehmen 2021 sogar den Reddot Award für herausragendes Produktdesign. Den Antrieb für ihre Leistung umschreibt das Label als „das großartige Gefühl, wenn man Gutes für andere Menschen und die Welt um sich herum tut". Und die Menschen scheinen begeistert zu sein von den Umwelt-Sneakern, denn innerhalb der größten Crowdfounding-Kampagne Finnlands ließen sich für den Start der Herstellung mehr als eine halbe Millionen Euro generieren, Tausende von Kunden und Kundinnen freuten sich über ein eigenes Laufschuhexemplar.
Endlich gibt es effiziente Ansätze
Den Anfang der umweltbewussten Sneaker-Entwicklung machte aber ein anderes Label: Allbirds. Das US-amerikanische Unternehmen brachte 2014 den ersten Sportschuh aus Eukalyptusfasern und Merinowolle auf den Markt, nach eigenen Angaben „den bequemsten Schuh der Welt". Er besteht aus nachwachsenden Rohstoffen, wird klimafreundlich hergestellt und ressourcensparend vertrieben. Rund um den Globus, versteht sich. Ein Konzept, das aufgeht und dem Konzern von Tim Brown Umsätze von mehr als 200 Millionen US-Dollar allein im Jahr 2020 beschert hat. Aktuell versucht man bei Allbirds, das Leder durch Naturkautschuk aus Zuckerrohr und Pflanzenöle zu ersetzen, um damit noch umweltbewusster zu arbeiten. Andere Produzenten sind da schon einen Schritt weiter. Der Großkonzern Adidas zum Beispiel. Hier besteht der Klassiker der Marke Stan Smith neuerdings aus Myzel. Es wird aus Pilzwurzeln gewonnen, verhält sich wie Leder und fühlt sich genauso an.
Noch handelt es sich beim Myzel-Schuh um ein Pilotprojekt, das in den kommenden Jahren zunächst in kleiner Auflage, doch mit großen Plänen für die Zukunft gelauncht werden soll. Noani („no animal") ist ein „PETA-Approved-Vegan"-Label, dass Schuhe und andere Modeaccessoires ausschließlich aus Materialien herstellt, die das Tierwohl nicht gefährden. In diesem Fall ist der Hauptbestandteil von Gürteln und coolen Sneakern Apfel, genauer Apfelreste. Daneben kommen auch Ananasfasern und Eukalyptusfasern zum Einsatz. Diese werden zunächst getrocknet, dann gemahlen und anschließend mit 30 Prozent recyceltem Polyurethan (PET) vermischt. Dieses wird auf einen reißfesten Baumwollstoff aufgetragen und erhitzt, um den Schuh wetterbeständig zu machen. Danach erhalten alle Modelle eine Prägung, um die Oberflächenstruktur herauszuarbeiten. Der Preis liegt im Handel bei 119 Euro. Der Noani-Sneaker ist in den Größen 36 bis 46 in bislang sechs Farben erhältlich. Greenfashion aus Apfel ist dabei längst keine Ausnahme mehr. Labels wie Komrads, Zouri und Womsh bieten ebenfalls schicke Sneaker an, die zumindest zum größten Teil aus Apfelresten bestehen. Teilweise sind die vermischt mit PET, Algen und vielem mehr. Die Innovationen machen vor nahezu keinem Rohstoff aus der Natur halt.
Und wo das allein noch nicht ausreicht, da kommen die vielen Möglichkeiten des Recyclings zum Einsatz. Regeneriertes Nylon aus alten Fischernetzen (Högl) ist nur eine Idee. Wiederverwertbares Kautschuk und Leder sind ein anderer Ansatz, mit dem Tamaris versucht, an den Umweltrend anzuknüpfen und trotzdem auf Altbewährtes zu setzen. Frei nach dem Motto: Wir können aus Alt Neu machen, ohne komplett neue Materialien zu entwickeln. Auch ein guter Ansatz für weniger Müll auf der Welt. Apropos Müll! Bislang lässt sich aus recycelten Materialien zwar schon Neues herstellen, doch ein Problem bleibt: Sind die Sneaker nach langer Nutzung durch und neue müssen her, haben viele Bio-Sneaker-Hersteller noch keinen Weg gefunden, diese wiederum zu recyceln. So ganz ist der Abfallkreislauf damit nicht unterbrochen. Die Entsorgung und Verwertung der Apfel-, Pilz-, und Kaffeesatzmodelle können aber zumindest mit einem besseren Gewissen geschehen. In die Bio-Tonne dürfen sie im Übrigen nicht, denn nach wie vor brauchen Bio-Sneaker einen Anteil PET oder sonstige Zusatzstoffe, um wasserdicht zu sein und den Fuß auch bei schlechtem Wetter optimal zu schützen. Doch es gibt einen Silberstreif am Horizont. Der heißt Futurecraft.Loop und stammt von Adidas. Ist der Laufschuh abgetragen, kann er in den Filialen zurückgegeben werden. Anschließend lässt der Konzern alle alten Schuhe zermahlen und stellt daraus kurzerhand neue Sneaker her. Eric Liedtke (Executive Board Member der Marke) ist von den Vorteilen des 2019 gelaunchten Modells überzeugt: „Futurecraft.Loop ist unser erster Laufschuh, der dafür gemacht ist, immer wieder neu zu entstehen. Das ist ein Statement unserer Intention, Verantwortung für die gesamte Lebensdauer unseres Produkts zu übernehmen; ein Beweis, dass wir leistungsstarke Laufschuhe schaffen können, die nicht irgendwann ausgedient haben." Mehr Umweltbewusstsein bei voller Bewegungsfreude geht nicht. Die Zukunft des Laufens strahlt definitiv grün.