Corona, Hassrede und ein gerechtes Strafmaß sind aktuelle Baustellen für den amtierenden Justizminister.
Herr Buschmann, halten Sie trotz der vorgesehenen Lockerungen an der allgemeinen Impfpflicht fest?
In den letzten zwei Jahren wurde massiv in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger eingegriffen, um durch diese Maßnahmen das Corona-Infektionsgeschehen unter Kontrolle zu bekommen. All das diente dem Ziel, eine Überlastung unseres Gesundheitswesens zu vermeiden. Jetzt, da sich das Infektionsgeschehen aktuell zunehmend entspannt und die Krankheitsverläufe bei der Omikron-Variante milder verlaufen, droht uns diese Gefahr immer weniger. Somit entfällt auch die Begründung für die schweren Grundrechtseingriffe. All die schweren Beschränkungen sollten Mitte März auslaufen. Stand heute sind für mich danach nur noch Maßnahmen vorstellbar, die besonders wirksam sind und zugleich wenig in die Freiheit und den Alltag der Menschen eingreifen. Den Schutz vulnerabler Gruppen sollten wir weiter besonders im Blick behalten. Ich wünsche mir, dass wir ansonsten in weiten Teilen zu unserem normalen Leben zurückkehren können. Das prägt natürlich auch die Debatte um eine allgemeine Impfpflicht. Ich werbe dafür, dass jeder sich impfen lässt, um sich und sein Umfeld zu schützen. Eine allgemeine Impfpflicht wäre ein tiefer Grundrechtseingriff. Je mehr die Gefahr einer Überlastung unseres Gesundheitssystems schwindet, umso schwieriger wäre eine allgemeine Impfpflicht zu begründen. Zugleich wäre immer darauf zu achten, dass das mildeste Mittel gewählt wird, um ein Ziel zu erreichen. Das heißt: Wenn eine Impfpflicht ab 50 in etwa so effektiv ist wie eine Impfpflicht ab 18, müsste man die Variante nehmen, die weniger Menschen betrifft. Diese Entscheidung wird der Bundestag bald fällen.
Sie wollen gegen Hass und Gewaltaufrufe in den Social Networks vorgehen – wie ist Ihr Plan?
Hasskommentare im Netz vergiften das Klima unserer freien und offenen Gesellschaft. Wichtig ist daher, dass jede und jeder von uns Hassrede widerspricht und entschieden entgegentritt. Gewaltaufrufe und Morddrohungen sind im digitalen Raum ebenso strafbar wie auf der Straße. Zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Netz brauchen wir einen hohen Fahndungsdruck. Online-Streifen und die konsequente Einleitung von Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaften sind hier ein wichtiger Beitrag, um Personen, die strafbare Inhalte posten, konsequent zur Rechenschaft zu ziehen. Denn was nützt das beste Strafrecht, wenn es nicht auch praktisch umgesetzt wird. Hass und Hetze im Netz enden aber nicht an den jeweiligen Landesgrenzen, sondern sind ein Phänomen, das ganz Europa und die Welt betrifft. Daher schaffen wir mit dem Digital Services Act erstmals gemeinsame europäische Vorgaben für soziale Netzwerke, um mit geeinten Kräften aggressiven Beleidigungen, Gewaltaufrufen und Morddrohungen konsequent zu begegnen. Ich engagiere mich sehr für einen schnellen Erfolg beim Digital Services Act. Denn mit geschlossener europäischer Stimme können wir viel mehr erreichen, als wenn 27 Mitgliedstaaten jeweils für sich ihre eigene Strategie wählen.
Noch eine Frage, die sich auf etwas bezieht, das den kommunalen Behörden viel Ärger einbringt: Schwarzfahrer – wenn die ihre Geldstrafe nicht bezahlen können, kommen sie ins Gefängnis. Das wollen Sie ändern. Aber wie?
In den vergangenen Jahren haben wir gesehen, dass es immer mehr Personen gibt, die ihre Geldstrafe nicht bezahlen können und diese Personen ihre Strafe dann im Gefängnis im Rahmen einer Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen müssen. Das betrifft auch viele Personen, die wegen Erschleichens von Leistungen nach Paragraf 265a Strafgesetzbuch verurteilt worden sind, weil sie beispielsweise ohne einen gültigen Fahrschein mit dem Zug oder im öffentlichen Nahverkehr gefahren sind. Meiner Meinung nach ist es mittlerweile breiter Konsens, dass die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe so weit wie möglich vermieden werden sollte. Das heißt nicht, dass diese Menschen straffrei ausgehen, sondern man etwa aktiv auf die Betroffenen zugeht, um ihnen beim Begleichen der Geldstrafe mit einem Ratenplan oder Ähnlichem zu helfen. In Haft sollten vor allem die sitzen, die auch zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden. Daneben haben wir im Koalitionsvertrag auch vereinbart, dass wir das Strafrecht insgesamt überprüfen und schauen wollen, ob es historisch überholte Straftatbestände gibt, die einer Überarbeitung bedürfen.