Alba Berlin hat mit einigen Hilfs-Aktionen und klaren Aussagen von Spielern und Trainern im Ukraine-Krieg eindeutig Stellung bezogen. Für den Club ist klar: Sport kann in diesen Zeiten nicht unpolitisch sein.
Nicht nur wegen der Vereinsfarben Blau und Gelb stand für Alba Berlin schnell fest, der vom Krieg gebeutelten Ukraine mit tatkräftiger Hilfe zur Seite zu springen. Die schrecklichen Bilder der russischen Invasion haben auch die Verantwortlichen und Mitarbeiter des Basketball-Bundesligisten erschüttert, schnell war ihnen klar: „Die Not in der Ukraine ist immens. Wir wollen konkret und pragmatisch helfen." Mit diesen Worten rief der zehnmalige Meister zu einer Sachspendenaktion auf – und die Menschen in Berlin machten fleißig mit. „Wir waren überwältigt von der Resonanz", teilte Alba mit.
Die Fotos von zahlreichen Hilfsgütern wie Nahrung, Batterien, Hygieneartikel, Decken, Matratzen, die in der Alba-Geschäftsstelle im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark abgegeben wurden, versah in seinen sozialen Netzwerken auch Cheftrainer Israel Gonzalez mit einem Like. Dazu schrieb der Spanier in einem seiner ganz seltenen Kommentare bei Twitter: „Bin stolz auf diesen Basketball-Club." Denn Alba half mit seiner Aktion gleich doppelt: Die Sachspenden wurden mit dem Teambus ins polnisch-ukrainische Grenzgebiet bei Lwiw gebracht, dort den Bedürftigen zur Verfügung gestellt – und der leere Bus wurde dann mit Flüchtlingen gefüllt, für die der Weg nach Berlin sonst sehr beschwerlich gewesen wäre.
„Bin stolz auf diesen Basketball-Club"
Begleitet wurde der Tross von russisch- und ukrainischsprachigen Alba-Mitarbeitern, die auch mit den örtlichen Hilfsorganisationen in Verbindung standen. Und so konnten für alle mitgereisten Personen sofort Unterkünfte oder Anschlussreisemöglichkeiten in andere deutsche Städte gefunden werden. Die Hilfsaktion war so erfolgreich, dass Alba sogar eine nicht eingeplante zweite Tour unternahm. Damit hat sich der Hilfsgedanke aber längst nicht erledigt, nun wolle man „strukturiert den Ankommenden in Berlin weiterhelfen", teilte Alba mit. Als Sportverein, der in der Hauptstadt vor allem im Kinder- und Schulsportbereich auf ein breites Netzwerk und jahrzehntelange Erfahrungen zurückgreifen kann, weiß Alba durchaus schnelle (Integrations-)Hilfe zu leisten.
„Wir sehen unsere Verantwortung darin, mit unseren Kernkompetenzen die Strukturen in Berlin zu stärken, im Sportbereich, an den Schulen, in neuen Willkommensklassen", beschrieb es der Klub auf seiner Internetseite. So sei man seit Mitte März auch in den Geflüchteten-Unterkünften „mit unseren Open-Gym-Angeboten" aktiv. Sport gegen das Trauma, Bewegung gegen die dunklen Gedanken. „All diese Programme werden sich in den kommenden Wochen weiterentwickeln", teilte Alba mit. Die Mannschaft steht voll zu diesen Aktionen, denn politische Neutralität im Sport sei angesichts der Geschehnisse in der Ukraine nicht das Gebot der Stunde. „Man sagt immer, Sport sei nicht politisch, aber man lebt ja trotzdem in der Welt und ist nicht nur Sportler, sondern auch Mensch", sagte Power Forward Johannes Thiemann. So sieht es auch sein Trainer Gonzalez. „Der Sport kann sich nicht davor verstecken", meinte der 47-Jährige: „Wir haben begriffen, dass dieser Krieg ein großes Problem ist und wir nicht einfach weitermachen können, als ob nichts gewesen wäre." Es sei wichtig, „dass wir etwas dagegen tun. Irgendwas."
Den Ausschluss der drei russischen Basketball-Teams ZSKA Moskau, Zenit St. Petersburg und Unics Kasan aus der EuroLeague empfinden die Berliner daher auch als komplett richtige Entscheidung. Auch wenn sicher nicht alle russischen Spieler und Klub-Verantwortlichen den Angriffskrieg ihres Landes gutheißen würden. „Es ist traurig, dass solche Situationen überhaupt noch möglich sind, dass es Krieg gibt und dieser auch den Sport beeinflusst", sagte Thiemann. Die Chancen des deutschen Starters auf den Einzug ins Viertelfinale sind durch den Ausschluss Russlands und dem eigenen Sieg zuletzt gegen Olympiakos Piräus (90:75) noch vorhanden, auch wenn es gegen Saski Baskonia eine deftige 68:85-Pleite hagelte. „Wir haben natürlich schon geschaut, wo wir gewonnen und verloren haben und was das für Auswirkungen haben könnte", gab Thiemann zu.
Doch am Ende sei all das nicht wichtig, betonte der Power Forward. Vor allem nicht, wenn er sich mit seinem Nationalmannschafts-Kollegen Johannes Voigtmann unterhält. Der Center hatte den Topclub CSKA Moscow verlassen, nachdem das russische Militär in die Ukraine einmarschiert war. „Da konnte ich einfach nicht in Russland bleiben und weitermachen, als sei nichts passiert", sagte er im „Kicker"-Interview, „zumal man nicht weiß, wie sich die Situation dort verändern wird". Voigtmann packte kurzerhand seine Koffer und Taschen, lud sie in sein Auto und fuhr 2.500 Kilometer in seine Heimatstadt Eisenach, wie er kürzlich in einem Podcast berichtete. Moralisch und menschlich völlig verständlich, doch rein juristisch betrachtet könnten er und drei weitere CSKA-Basketballprofis damit gegen Regeln und Verträge verstoßen haben.
Viele Probleme für russische Sportler
Dass die Rechtslage in dieser Situation nicht so einfach ist, darauf deuten auch die fünf Rückkehrer bei Zenit St Petersburg hin. Darunter befinden sich laut Clubangaben die vier US-amerikanischen Profis Jordan Loyd, Alex Poythress, Billy Baron und Tyson Carter sowie der polnische Spieler Mateusz Ponitka. Voigtmann will zurzeit aber unter keinen Umständen zurück nach Moskau. „Ich kann es in der aktuellen Situation nicht mit mir vereinbaren, für ein russisches Team Wettkämpfe auszutragen, wo es am Ende um Sieger und Verlierer geht", begründete er. Es gehe zwar „nur um Basketball", aber ein Auflaufen unter diesen Umständen würde auch eine gewisse „Symbolik" beinhalten, „die aus meiner Sicht derzeit unangebracht ist". Wegen der ungeklärten Vertragssituation konnte oder wollte zunächst kein Bundesligist Voigtmann verpflichten. Geschäftsführer Marko Pesic von Bayern München schloss das sogar öffentlich zuletzt aus: „Es gibt keinen Plan, so etwas zu machen."
Auch Alba Berlin, das von Voigtmann neben den Bayern als Wunschlösung bezeichnet wurde, wird sich erst bei einer offiziellen und vom Weltverband Fiba abgesegneten Vertragsauflösung mit der Personalie ernsthaft beschäftigen können. Grundsätzlich präferiere er ein „langfristiges Euroleague-Engagement über diese Saison hinaus", so der 2,11 Meter große Center, der für die Heim-WM in Köln und Berlin im kommenden September Spielpraxis benötigt.
Voigtmann wird sicher ganz genau hinschauen, wenn sich Alba und Bayern, die beiden besten deutschen Basketballteams der vergangenen Jahre, im direkten Duell gegenüberstehen. Die für den 20. März in München angesetzte Bundesligapartie musste verschoben werden, weil dem FC Bayern aufgrund zahlreicher Coronaerkrankungen nicht ausreichend Stammspieler zur Verfügung standen. Dem Antrag auf Spielverlegung gab die BBL statt. Für die Münchner war es bereits die vierte Partie hintereinander, die sie deswegen nicht bestreiten konnten. Die Absage des prestigeträchtigen Duells gegen Alba schmerzte aber besonders, weil für den Audi Dome seit langer Zeit wieder die volle Zuschauer-Auslastung geplant gewesen war. Ein Basketball-Fest stand eigentlich auf dem Plan, doch zum Feiern ist vielen angesichts der politischen Ereignisse in der Welt ohnehin nicht zumute.