Zur Erreichung der UN-Klimaziele können viele beitragen. Die öffentliche Hand kann mit gutem Beispiel vorangehen. Die saarländische Justiz hat mit einem Klimaplan das ehrgeizige Ziel, die erste nachhaltige ihrer Art in Deutschland zu werden.
Es klingt erst einmal gewöhnungsbedürftig: „Nachhaltige Justiz". Hinter dem Schlagwort verbirgt sich das Bemühen, auch im Justizbereich einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten und einiges darüber hinaus. Das Konzept, das Justizstaatssekretär Roland Theis jetzt vorgelegt hat, enthält Maßnahmen zu Energie, Mobilität, Wasser, Artenvielfalt und Ernährung.
„Nachhaltigkeit bedeutet, das gegenwärtige Denken und Handeln darauf auszurichten, die Lebenssituation der heutigen Generationen zu verbessern, ohne die Zukunftsperspektiven der kommenden Generationen zu verschlechtern. Ich habe zwei kleine Kinder und will, dass sie in unserer schönen Heimat groß werden, die gleiche Natur genießen und die gleichen Tieren kennen können wie ich es konnte. Deshalb sind Naturschutz und Artenvielfalt mir so wichtig. Und daher geht Nachhaltigkeit uns alle an. Um sie erfolgreich voranzutreiben bedarf es Umsicht, Kreativität, Mut und Entschlossenheit. Unter Einsatz dieser Eigenschaften wollen wir als Justiz vorangehen und unseren Beitrag zu einer nachhaltigen und lebenswerten Zukunft leisten", betont Theis.
„Wollen unseren Beitrag leisten"
Dass der Justizbereich dazu einiges beitragen kann, erschließt sich beim Blick auf ein paar Zahlen: Die Justiz verfügt über 30 Liegenschaften mit 54 Gebäuden. Der Energieverbrauch lag nach Angaben des Ministeriums im Jahr 2020 bei über 1,4 Millionen Kilowattstunden, der Wasserverbrauch bei über 85.000 Kubikmetern.
Die Zahlen geben einen Eindruck, dass dort einiges an Potenzial schlummern dürfte. Um das herauszufinden, ist das Ministerium eine Partnerschaft mit der LEG Saar (Landesentwicklungsgesellschaft) sowie der Arge Solar eingegangen. Zunächst gibt es eine umfassende Bestandsaufnahme, die dann ab Herbst Grundlage eines konkreten Maßnahmeplans werden soll. „Ich bin ein Freund davon, sich bewusst zu sein, was man kann und was nicht. Jeder hat seine Aufgabe und Funktion. Als Justiz können wir uns dem Thema Nachhaltigkeit verschreiben. Zur Umsetzung braucht es aber fachlicher Expertise in den Bereichen Bau- und Ingenieurwesen, Energiewesen und Technik, die die Justiz, die Juristen nicht haben und auch nicht haben müssen. Deshalb holen wir uns Partner an die Seite, die ihr Fach verstehen. Die LEG Saar und die ARGE Solar nehmen damit eine Schlüsselrolle ein, denn sie haben das Know-how und die Ressourcen, die uns als Justiz naturgemäß fehlen. Sie unterstützen uns bei der Entwicklung eines umfassenden Konzeptes, wie wir die Gegebenheiten in der Justiz künftig bestmöglich im Sinne der Nachhaltigkeit nutzen können", so Roland Theis.
Die LEG Saar GmbH will dabei ihre Expertise und langjährige Erfahrung bei Projektstrukturierung, Sanierung und Modernisierung öffentlicher Gebäude einbringen. Das übergeordnete Ziel einer Klimaneutralität diene auch einer nachhaltigen Finanzpolitik, „denn Klimaeffizienz führt auch zu einem geringerem Verbrauch an fossilen Ressourcen, was wiederum zu geringeren Ausgaben der öffentlichen Hand führt", erläuterte LEG-Geschäftsführer Valentin Holzer anlässlich der Unterzeichnung des Kooperationsvertrages. Auf Basis umfassender Liegenschaftsuntersuchungen sollen der Einsatz von Photovoltaik und Energieeffizienzpotenziale realisiert werden. Für Ralph Schmidt, Architekt und Geschäftsführer der Arge Solar, sind die Vielzahl und die Vielgestaltigkeit der Justiz-Liegenschaften dabei „Herausforderung und Reiz zugleich".
Beim Thema Energieverbrauch soll zunächst ein kontinuierliches und systematisches Energiecontrolling für alle Liegenschaften eingeführt werden. Durch Optimierung vorhandener Heizungsaanlagen könnten Einspareffekte von bis zu 20 Prozent möglich sein. Auf längere Sicht sollen energetische Sanierungskonzepte erstellt, Machbarkeits- und Umsetzungsstudien erfolgen.
„Gerade deshalb haben wir die LEG Saar und die Arge Solar als Partner an unserer Seite genommen. Wir haben bereits alle Daten zusammengetragen, die für eine umfassende Bestandsaufnahme benötigt werden. Natürlich wird die Justiz nicht von heute auf morgen vollständig klimaneutral sein. Aber wir haben uns bereits auf den Weg gemacht und setzen bereits konkrete Maßnahemn um, die uns unserem Ziel näher bringen". Am Ende soll bis 2045 ein klimaneutraler Gebäudebestand bestehen.
Staatssekretär Theis legt gleichzeitig Wert auf die Feststellung, dass man damit „nicht bei Null anfangen" würde. In diesem Frühjahr wird die Justiz Partner des Projekts „Saarland Artenreich", bei dem der Insektenschutz und der Schutz von Lebensräumen für gefährdete Tierarten im Mittelpunk stehen.
Mit dem derzeit viel diskutierten Ausbau von Solarenergie hat die Justiz ebenfalls begonnen, so verfügt bereits eines der Hafthäuser der Justizvollzugsanstalt Ottweiler über eine Solaranlage. Weitere Anlagen seien in Planung.
Auch in Sachen Elektromobilität tut sich was. Beim Amtsgericht Saarbrücken sowie in Homburg und beim Ministerium selbst sind erste Elektrofahrzeuge im Einsatz. Unlängst hat Theis ein Dienst-E-Bike angeschafft, das er stellvertretend der örtlichen Personalratsvorsitzenden übergeben hat. Bedienstete sollen es für kurze Dienstfahrten nutzen können.
Regionale Lebensmittel im Justizvollzug sind ebenfalls ein Thema. In einem auf zunächst zwei Jahren angelegten Projekt soll beim Lebensmitteleinkauf verstärkt auf regionalen Bezug geachtet werden. Neben ökologischen und Gesundheitsaspekten verspricht man sich davon auch einen regional ökonomischen Mehrwert. Bei Gemüse, Obst, Salat und anderen Produkten soll auf die jeweilige saisonale Verfügbarkeit auf dem heimischen Landwirtschaftssektor geachtet werden. Dabei geht es nicht um Kleinigkeiten. Nach Ministeriumsangaben verbraucht alleine die JVA Saarbrücken jährlich über 45.000 Kilogramm Kartoffeln, über 10.000 Kilogramm Salat, 50.000 Kilogramm Mehl, 14.500 Kilogramm Äpfel, über 7 000 Kilogramm Birnen und 31.000 Eier. Dazu Fleisch, Käse, Milch und einiges mehr. Allein die Auflistung macht deutlich, dass das durchaus auch ein nicht unbedeutender Wirtschaftsfaktor ist.
„Wir haben mit der Umsetzung bereits begonnen", unterstreicht Theis. „Mit der stärkeren regionalen und saisonalen Beschaffung von Lebensmitteln können wir lange klimaschädliche Transportwege vermeiden. Auch hier setzen wir auf regionale Partner wie beispielsweise die Slowfood-Bewegung und einige besonders engagierte Gastronomen im Saarland. Durch diese Partnerschaft können wir beispielsweise auch Essen auf den Teller der Vollzugsanstalten bringen, das besonders klimafreundlich ist wie regionale Linsen."