Ein Synthie-Teppich legt sich aufs Ohr, einzelne Sound-Attacken schieben sich dazwischen, der Erzähler spricht über eine Heilung einer unheilbaren Krankheit. Nach rund einer Minute setzen die restlichen Instrumente ein und legen einen tanzbaren Beat vor, der wunderbar den düsteren Text konterkariert. Die britische Truppe White Lies legt mit „Am I Really Going to Die" einen eingängigen und nach vorne marschierenden Start ins neue Album vor. Es ist der sechste Studio-Output des Trios und heißt „As I Try Not to Fall Apart". Mit dem gleichnamigen Song geht es direkt danach munter weiter. Auch hier dominieren synthetische Klänge über einem treibenden Rhythmusgerüst. Die Gitarre übernimmt zum ersten Mal die Führung in „I Don’t Want To Go To Mars". Hier wartet das Trio neben einer ebenfalls eingängigen Melodie mit der Frage auf, ob es tatsächlich erstrebenswert ist, per Menschheitstraum Raumflug neue Welten zu erkunden, besonders, wenn diese vor allem kommerziellen Ursprungs sind. Mit beschwingtem Basslauf setzt „Step Outside" den musikalischen Positivismus nahtlos fort. „As I Try Not to Fall Apart" ist ein kurzweiliges Album mit zehn Songs, die aus der tanzbaren Indierock-Ecke kommen. Dabei schwimmt sich das Trio um Harry McVeigh (Gesang, Gitarre), Charles Cave (Bass) und Jack Lawrence-Brown (Schlagzeug) einmal mehr vom Eindruck frei, sich im Windschatten der Editors oder gar von Joy Division zu bewegen. Die dunkle Melancholie wird zumindest musikalisch abgeschüttelt, am Ende steht dann doch das Licht am Ende des Tunnels. Sogar das Sieben-Minuten-Stück „Roll December", das stark an The Cure erinnert, lässt sich von dem miesmuscheligen Text über den Herbst- und Winter-Blues selbst nicht abschrecken, klingt recht euphorisch und zieht am Ende mit einem fiebrigen Gitarrengewitter die Laune nochmals hoch. Die Musiker greifen in ihren Refrains gern nach den Stadien, was für Eingängigkeit sorgt. Dennoch ist nicht alles ein Volltreffer, was ordentlich scheppert. Im April kommen White Lies für einige Termine nach Deutschland. Bezeichnend dürfte sein, dass sie in den kleineren Hallen und Clubs spielen, etwa in der Frankfurter Batschkapp.
KULT[UR]

Foto: PIAS Recordings
CD-Tipp: Synthetisch, tanzbar
White Lies: As I Try Not to Fall Apart. PIAS Recordings. Laufzeit: 48 Minuten
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