Weltweit bringen sanktionierte Russen ihr Vermögen in Sicherheit. Superjachten kehren nach Russland zurück, Milliardenbeträge wechseln das Land. Denn das Sanktionsregime der internationalen Gemeinschaft hat Lücken, die nicht zu stopfen sind.
Mit einer derart konzertierten und harten Welle an Sanktionen hat in Russland wohl niemand gerechnet – auch nicht Kremlherrscher Putin. Jachten von Oligarchen, Konten, Immobilien, in ganz Europa geht die Polizei gegen das Vermögen der sanktionierten russischen Elite vor. Wie aber funktioniert das?
Rechtlich gesehen startet das Sanktionsregime mit einer EU-Verordnung. Personen, die auf den Sanktionslisten stehen, können nicht mehr über in Deutschland angelegtes Vermögen von mehr als 100.000 Euro verfügen, sämtliche „wirtschaftlichen Ressourcen, die Eigentum oder unter Kontrolle dieser Person, dieses Unternehmens stehen, sind eingefroren", so die Bundesbank. Entsprechende Konten werden von den Geschäftsbanken an die Bundesbank gemeldet, die wiederum das Bundeswirtschaftsministerium darüber informiert. Genaue Informationen aber bleiben vertraulich, darüber erteile die Bundesbank „Dritten keine Auskünfte", heißt es auf FORUM-Nachfrage.
Weltweit sind Russlands Milliarden auf der Flucht vor den Sanktions-Regularien – auch aus der EU selbst. Der Wirtschaftsnachrichtendienst Bloomberg meldet Wanderbewegungen von Milliarden aus zypriotischen Briefkastenfirmen in Richtung Russland oder den British Virgin Islands, auch nach Dubai, das sich den Sanktionen gegen Russland nicht angeschlossen hat.
Neben Konten sind da noch zahlreiche Häuser, Autos, Schiffe. Das internationale Recherchekollektiv OCCRP, an dem auch die öffentlich-rechtlichen Sender NDR und WDR beteiligt sind, hat die Vermögenswerte einiger Oligarchen und Vertrauten Putins identifiziert. Veröffentlicht haben sie nur diejenigen, die zweifelsfrei den Personen zuzuordnen sind.
Einer der bekanntesten russischen Oligarchen, Roman Abramowitsch, gehörte zu den ersten Profiteuren des damaligen kapitalistischen Goldrausches in der ehemaligen Sowjetunion. Der ehemalige Parlamentsabgeordnete und Gouverneur einer russischen Region machte ein Vermögen durch den Ankauf von russischen Ölanlagen, es wird auf mehr als zwölf Milliarden US-Dollar geschätzt, darunter Villen in Frankreich und Österreich, Grundstücke und Häuser in London, englische Fußballstadien, Flugzeuge und Helikopter, Jachten – und natürlich der FC Chelsea. Letzterer steht nun zum Verkauf.
Viele Vermögenswerte sanktionierter Russen sind jedoch hinter einem verschachtelten System von Schein- und Briefkastenfirmen versteckt und nicht zweifelsfrei zu identifizieren. Das hatten bereits internationale Medienrecherchen zu den sogenannten Pandora Papers oder Panama Papers ergeben. So gehört die derzeit in einem Hamburger Trockendock liegende, 600 Millionen Dollar teure Jacht „Dilbar" vermutlich dem Finanzmagnaten Alisher Usmanov –
der jedoch auf Presseanfrage behauptete, sie gehöre einer Stiftung und er miete sie nur gelegentlich. Usmanov gehören außerdem Immobilien in Bayern. Ohne eindeutig feststellen zu können, wem die Vermögenswerte letztlich gehören, können diese letztlich aber nicht eingefroren werden.
„Wichtig ist zu unterscheiden: Einfrieren von Vermögen heißt nicht Enteignung", sagt der Völkerrechtler Prof. Marc Bungenberg vom Europa-Institut der Universität des Saarlandes. Das bedeutet, dass sanktionierte Personen ihre Vermögenswerte nicht mehr veräußern dürfen, dazu zählen auch die eingefroreren Teile des Vermögens, das sie nicht mehr veräußern können. Sie dürfen aber weiterhin zum Beispiel ihre beschlagnahmten Wohnungen betreten und dort leben – dies bedeutet jedoch nicht, dass ihnen die Eigentumsrechte entzogen werden. Was wiederum geschieht, wenn Russland tatsächlich wie angekündigt ausländische Vermögenswerte wie Unternehmen verstaatlicht, also enteignet, ist noch unklar.
Sanktionen können unterlaufen werden
Bungenberg hebt den außergewöhnlichen Umfang der Sanktionen hervor. Dazu gehören mittlerweile Exportbeschränkungen für Russland, stark eingeschränkter Kapitalverkehr bis hin zu privaten freiwilligen Sanktionen aus Wirtschaft, Kultur und Sport. Öffentlichkeitswirksame Beschlagnahmungen von zum Beispiel Jachten wie kürzlich in Italien oder Spanien gab es in Deutschland bislang noch nicht. „Deutschland war bisher langsam in der Umsetzung, hier fehlt es uns an Effektivität im Gegensatz zu anderen Staaten." Dies liege aber auch an der Masse der Sanktionen, die auf deutsche Behörden und Ministerien zukommen.
„Die Gefahr bleibt, dass Russland nach China ausweicht, um diese Sanktionen zu unterlaufen", so Bungenberg, um die unterbrochenen Versorgungsströme wiederherzurichten. „Die Effektivität der Sanktionen steht und fällt mit China. Effektiver wären UN-Sanktionen wie gegen Nordkorea, dadurch wären alle Länder verpflichtet, diese umzusetzen. Durch die Vetomacht Russlands aber kommen diese auf UN-Ebene nicht zustande. So entsteht ein internationaler Flickenteppich." Und der bietet Schlupflöcher. „Auch die Schweiz beharrte anfangs auf Neutralität, hat sich erst später dazu durchgerungen, Sanktionen voll mitzutragen." Auch ein Ölembargo könnte sich als nicht wirklich durchsetzbar entpuppen – schon jetzt kauft Indien mehrere Millionen Barrel russisches Öl zu günstigen Marktpreisen auf.
Inwieweit Russlands Vermögen für Reparationszahlungen nach dem Ende des Krieges herangezogen werden kann, ist noch unklar – sicherlich werden die Staaten hierbei nicht auf das eingefrorene Vermögen der Oligarchen zurückgreifen, da dies durch Eigentumsrechte geschützt ist. Anders sieht es bei staatlichem Vermögen und dem Geld von Staatskonzernen wie Gazprom aus. Die Ukraine hat bereits einen Prozess zu Reparationen vor dem Internationalen Gerichtshof angestrengt. 350 Milliarden Dollar russischen Staatsvermögens liegen bereits eingefroren bei ausländischen Zentralbanken. „Ich bin jedoch skeptisch, dass dies ohne die Zustimmung Russlands für solche Reparationen verwendet wird", so Völkerrechtler Bungenberg.
Die Finanzen Russlands bleiben auch weiterhin das bevorzugte Angriffsziel der westlichen Staatengemeinschaft, während in Russland Schlupflöcher ausgelotet werden. Nach jüngsten Berichten kann die „Dilbar" des Oligarchen Usmanov jedoch nicht auslaufen – sie liegt verhüllt auf einer Werft, während die Gehälter der Crew wegen den internationalen Sanktionen nicht ausgezahlt werden können. Und solange die deutschen Bürokratiemühlen mahlen und noch unklar ist, wem sie gehört, bleibt die Jacht erst einmal dort, wo sie ist.