„Aboogi" ist nicht das erste Album des sogenannten Wüsten-Blues-Genres, das an dieser Stelle gewürdigt wird. Und auch die neue Empfehlung hat einen guten Grund: Bereits die ersten Takte des dritten Imarhan-Albums bezeugen mit zarter Macht, warum dieses besondere Augenmerk höchste Berechtigung hat. Federleicht schwingen die Saiten, lässig groovt die Rhythmik, feierlich tönt der Gesang. Es braucht nur Sekunden, um erneut gänzlich in den Bann dieser magischen Klänge zu geraten. Urplötzlich wird das Tempo von „Achinkad" forciert, die akustischen Saiten werden elektrifiziert, die Stimmen verdichten sich, werden zum Chor, das typische Händeklatschen setzt ein, ein intensives psychedelisches Feeling macht sich breit. „Derhan" dreht den Spieß zunächst wieder um in Richtung Ballade. Doch auch dieser großartige Song gewinnt im Verlauf an Temperament und Dichte. In ruhigeren, indes nicht minder faszinierenden Fahrwassern gleitet „Temet" bis zur letzten seiner 301 Sekunden sanft dahin.
Imarhan sind im südalgerischen Tamanrasset beheimatet. Dort ist über die Jahre im Verbund mit jenen Menschen, die aus dem ewigen Krisenherd Mali geflüchtet sind, eine ganz besondere Kultur des Widerstandes, der Naturverbundenheit, der Gemeinschaft entstanden. Alben wie dieses erzählen davon.
Das Bewusstsein für die Kämpfe des Lebens, für Vielfalt und Schönheit gehen Hand in Hand mit dem Rebellieren gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung. Und durchweg ist der große Respekt vor der Natur, für Wind, Sonne und Sand, zu spüren. Im feinen und auch abwechslungsreichen Repertoire sticht das leise, mit weiblicher Stimmenpracht veredelte „Taghadart" heraus. Zarter kann man nicht grooven. Unüberhörbar dominiert auf diesem Drittwerk ohnehin der unaufgeregte, behutsame, fast schon romantische Ton. Das unbetitelte Debüt (2016) und dessen Nachfolger „Temet" (2018) hatten zwar mehr Schärfe und Wucht. Doch geriet dieses bewusste Herunterdimmen hier keineswegs zum Nachteil. Der Bann wirkt auch auf diese Weise. Erfahrungsgemäß ebenso grandios sind die Live-Shows der Band.