Horst Becker ist Marketingfachmann mit musikalischer Ambition. Demnächst wird seine Sinfonie „Odyssey" in Saarbrücken uraufgeführt. Seine Musik gibt Einblick in das Seelenleben des Komponisten und lehnt sich nicht zufällig an Homers Odyssee an.
Im Leben von Horst Becker gibt es einige „Eigentlich". „Eigentlich ist er seit über 30 Jahren in der Welt der Werbung zuhause", teilt seine Agentur mit. „Eigentlich wollte ich ja Berufsmusiker werden", sagt Horst Becker. Eigentlich sei er zunächst „rockmusikmäßig unterwegs gewesen". Eigentlich könne er sich ja auch ganz gut in Worten ausdrücken. Und eigentlich sollte das, was er nun macht, schon vor gut zwei Jahren passieren.
Horst Becker ist Mitbegründer und Geschäftsführer der Saarbrücker Marketingagentur FBO. Die Markteinführung eines Kontos für junge Leute bei einer saarländischen Bank, eine Präventionskampagne für eine große Krankenversicherung, der Internetauftritt des Saarlandes, die Marktpositionierung einer Maschinenbaufirma und die passende Internetseite dazu – das sind Dinge, mit denen sich Horst Becker beschäftigt. Eigentlich. Vor gut zwei Jahren wollte sich der Marketingmann mit etwas ganz anderem ans Licht der Öffentlichkeit trauen: einer Sinfonie.
„Trauer, Abschied und Schmerz, aber auch Hoffnung, Friede, Harmonie und Zuversicht", sagt Horst Becker, habe er „in rund eine Stunde Musik gepackt". Mit seiner Sinfonie gewähre er „tiefe emotionale Einblicke" in sein „Seelenleben". „Da sind viele Schicksalsschläge drin", erklärt der 62-Jährige. Eigentlich könne er all diese Dinge auch gut in Worte fassen. Und es gebe in seinem Leben zum Glück auch Menschen, mit denen er über Freude und Leid sprechen kann. Dennoch: „Ich danke Gott für die wundervolle Gabe, meiner Seele durch Musik Flügel verleihen zu können und ihr dadurch meine ganz persönliche Ausdrucksform zu geben." Und er sei „felsenfest überzeugt", sagt Horst Becker, dass er „zu dieser Odyssey geführt wurde".
Die Odyssee, das Epos, in dem der antike griechische Dichter Homer die Irrfahrt des Königs Odysseus vom Schlachtfeld des trojanischen Kriegs heim nach Ithaka erzählt, stehe symbolisch für „die lange Reise namens Leben", erklärt Horst Becker die Namensgebung für seine Sinfonie. Klar, die meisten Menschen müssen nicht wie Odysseus und seine Gefährten gegen einäugige Riesen und Seeungeheuer kämpfen, aber das Leben wird „nur allzu oft zu einem wahren Abenteuer mit Höhen und Tiefen, Schicksalsschlägen und Glücksmomenten". Seine Odyssey ist also nichts anderes als „eine Hymne an das Leben".
„Die Musik trägt mich schon ein Leben lang"
Von einem Leben, das erstmal nicht ganz so verlaufen ist, wie er es sich gewünscht hat, erzählt Horst Becker. „Die Musik trägt mich schon ein Leben lang. Und ich hätte die Musik auch gerne zu meinem Beruf gemacht. Aber mein Vater hätte nie zugelassen, dass ich Berufsmusiker werde. Und als 18-Jähriger hört man ja noch auf seinen Vater", erklärt er. Also wurde Horst Becker Grafikdesigner. Das sei dem Vater zwar auch nicht so ganz recht gewesen, „aber als ich gesagt habe, dass ich dieses Studium brauche, um in einer Werbeagentur arbeiten zu können, war er einverstanden, denn mit Werbung konnte er etwas anfangen".
Zwar sei er damals „noch rockmusikmäßig unterwegs gewesen", aber die Liebe zur klassischen Musik war schon geweckt. „Mich hat auch von Orchestern gespielte Filmmusik fasziniert", erinnert er sich. Lange blieb der Werbefachmann aber nur Zuhörer. Er spielte zwar Gitarre, lernte auch Klavier spielen, aber das war nichts für die Öffentlichkeit. Bis er sich dann, unter anderem ermutig vom Musiker und Komponisten Frank Nimsgern, an eine Komposition wagte. „Er hat mich unter seine Fittiche genommen, mir viel beigebracht über Klavier und Komposition", erzählt Horst Becker, „irgendwann ist die Musik regelrecht aus mir rausgeflossen."
Beim Komponieren hat er sich eines speziellen Computerprogramms bedient. An einem Keyboard spielte er die Stimmen aller Instrumente ein. „Ich spiele etwas auf dem Keyboard. Dann lege ich fest, dass das zum Beispiel die Cello-Linie ist. Ich kann mit dieser Software sogar die Bogenführung und die Vibration des Bogens festlegen", erklärt Horst Becker. Aus diesen Linien vieler Instrumente wird dann ein Gesamtwerk. Teilweise habe er bis zu 60 solcher Linien parallel eingespielt. Den Klavier- und den Gitarrenpart hat er selbst gestaltet. Das sei alles sehr faszinierend. Noch faszinierender sei es aber, das alles mit einem echten Orchester und einem Chor zu proben und aufzuführen.
Das wollte Horst Becker eigentlich schon vor zwei Jahren tun. Doch dann kam Corona, und das Projekt musste auf Eis gelegt werden. Er sei „happy", dass diejenigen, die damals zugesagt haben, die Sinfonie aufzuführen, dabeigeblieben sind: das Orchestre Symphonique SaarLorraine unter der Leitung des Dirigenten Götz Hartmann, der Landes-Jugend-Chor Saar unter Leitung von Mauro Barbierato und Frank Nimsgern. Letzterer wird bei der Uraufführung der Sinfonie den Gitarrenpart übernehmen. „Ich muss also nicht zwischen Gitarre und Klavier hin- und herspringen", freut sich Horst Becker.
Und er freut sich, dass er für diese Uraufführung die größte Saarbrücker Kirche nutzen darf: die Kirche St. Michael am Rande des Nauwieser Viertels. „Da gehen gut 700 Menschen rein. Ich hoffe, dass 500 kommen. Das müssten wir mit den Abstandsregeln hinbekommen. Und das wäre auch für die Akustik gut, wenn Menschen in dieser großen Kirche sitzen", sagt der Komponist. Die ersten Proben seien „Gänsehaut pur" gewesen. „Das kann ich mit Worten nicht beschreiben. Es begann plötzlich zu leben. Auf einmal mit gestandenen Musikern zu arbeiten, die mich mitnehmen, mich nicht belächeln, ist einfach schön", schwärmt der Komponist. Auch, dass Bernhard Leonardy, der Intendant der Internationalen Musikfestspiele Saar, den Abend moderieren wird, sei eine große Geste. Das sei alles wie ein Traum, der in Erfüllung geht, sagt Horst Becker, kaum zu fassen, eigentlich.
