Netzstrümpfe, zerrissene Jeans, bunte Haarkämme und wildes Make-up sind nur einige der klassischen Stilelemente der Punk-Bewegung. Eine Abkehr vom Mainstream und gleichzeitig so hip, dass aus der Gegenwehr eine echte Zuneigung entstanden ist.
Punk ist Trend. Ein Umstand, an den in den 70er-Jahren niemand zu denken wagte. Wer wollte das auch schon? Man wendete sich gegen die „spießige" Masse, formte eine Message gegen Konsum und Kommerz. Deshalb waren Haare, Make-up und Klamotten gewollt „lotterig". Zerrissen, löchrig, bunt, wild und speziell. Kein Teil wie das andere und in der Regel nicht von der Stange gekauft, sondern aufwendig selbst zerschlissen und bemalt. Alles was da war, wurde genutzt. Hauptsache, es gefiel und erregte die Aufmerksamkeit der Betrachter. Zu Beginn dieser Bewegung ernteten Jugendliche damit zumindest verwunderte bis abgestoßene Blicke der „älteren Generation". Die konnte gar nicht verstehen, warum sich jemand freiwillig so kleidete. Im Laufe der Zeit entwickelten sich trotz aller Abkehr vom Konsum trotzdem sehr klassische Stilelemente, die typisch waren für den Punk. Dazu gehören fingerlose Handschuhe, Netzstrümpfe, Buttons auf der Kleidung, Ketten, ausgemusterte Armee-Rucksäcke, Schnürstiefel und Accessoires, wohin das Auge reichte.
Die ersten Ansätze dieser Gegenbewegung waren bereits nach dem Zweiten Weltkrieg zu beobachten, als eine neue Welle der Jugendkultur entstand. Seine Blütezeit erreichte der Punk dann in den 70er- und 80er-Jahren, zunächst in England und den USA, später auch in Deutschland. Rebellion und Provokation waren die Leitgedanken einer ganzen Ära, dabei war der Name alles andere als erfrischend. Die Bezeichnung Punk kommt aus dem Englischen und heißt nichts anderes als faulendes Holz. Faul waren allerdings nur wenige. Es ging eher darum, etwas zu bewegen. Deshalb wurde demonstriert, gefeiert, getanzt und getrunken. Punkrockbands wie The Saints oder The Undertones etablierten sich schnell als Bindeglied zwischen Message und Ton. Neben mitreißenden Texten gegen das Bürgertum, die Politik und den Mainstream allgemein konnten sich die Anhänger auch an der Mode gut orientieren. Hier waren die Punk-Fans eins und deshalb wunderte es nicht, dass neben den großen Bands vor allem viele unbekannte Musiker lokale Erfolge verbuchen konnten. Man kam zusammen und feierte in Parks, auf stillgelegten Industriegeländen, in Garagen, einfach überall. Und es geschah, was sich kaum verhindern ließ: Punk wurde bunter, vielfältiger und noch individueller. Es entwickelten sich immer mehr Subgenres von Streetpunk zu Fun-Punk und von New Wave zu Skatepunk. Designer wurden unweigerlich aufmerksam auf diese Modeerscheinung und suchten sich ihre Inspirationen. Die bekanntesten Kreationen stammen von Vivienne Westwood, die sich kurzerhand den Punk-Fashion-Style zunutze machte und ihn immer wieder in ihre Entwürfe einfließen ließ. Plötzlich ging es nicht mehr nur darum, Zeichen zu setzen und einen Standpunkt zu vertreten. Es ging darum, Fashion-Statements zu etablieren. Frei nach dem Motto „Erlaubt ist, was gefällt" wurde der Punk salonfähig. Und blieb es.
Punk wurde in der Mode salonfähig
Inzwischen ist eine neue Punk-Generation da. Netzstrümpfe, Miniröcke, freche Frisuren, Nietenschmuck und All-over-Make-up sind zurück auf den Laufstegen und auf den Straßen. Stars wie Musiker Machine Gun Kelly oder Model Gigi Hadid zeigen sich gern im Lotter-Style. Und die Fans imitierten den Style so gut es geht. Dabei gilt nach wie vor, nicht einfach alles von der Stange zu kaufen, sondern selbst Hand anzulegen. DIY’s zur Verwendung von Buttons, dem Bemalen und Zerschneiden von Oberteilen und vielem mehr finden sich zuhauf in den sozialen Netzwerken wie Pinterest, Instagram und Youtube. Schlichte Basics wie unifarbene Shirts, Jeans oder Kleider sind hierzu ideal. Auf Shirts können Stempel oder Logos aufgedruckt werden. Batiktechniken sind ebenfalls ein guter Weg, alles schön bunt und individuell einzufärben. Jetzt noch einige Löcher in den Stoff schneiden oder den Saum einreißen, vielleicht einen Button drauf und schon ist das neue Punk-Teil fertig. Authentisch getragen wirkt es immer dann, wenn es einem selbst wirklich gut gefällt. Von lässigem Understatement bis zu hippen It-Pieces ist hier alles möglich, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Wer sich das modische DIY-Projekt nicht zutraut, der kauft den Style einfach fertig.
Dabei muss es nicht von Kopf bis Fuß „lotterig" zugehen. Möglich ist auch, mutig zu kombinieren. Sich vielleicht erst mal an einem T-Shirt oder einer Nietenjacke zu probieren und dann mehr Kleidungsstücke dazuzukaufen. Onlineshops wie punkdesign.shop oder rebelsmarket.com vertreiben seit Jahren erfolgreich Punkkleidung. Das Sortiment reicht von punkiger Badekleidung über Nietengürtel bis hin zu Leggins, Schuhen und Shirts für Frau und Mann. Wer zum It-Piece gern etwas Neutrales kombinieren möchte, der kann sich problemlos an der aktuellen Mode orientieren. Zerschlissene Jeans, Animal Prints und Military-Designs passen perfekt dazu. Aus der Fülle an Möglichkeiten für Nachwuchs-Punker hat sich inzwischen ein eigener Begriff gebildet: Fashion Punk. Damit sind Modebegeisterte gemeint, die nicht aus einer inneren Überzeugung heraus rebellieren, sondern einfach gern ausgefallene Kleidung tragen. Wie wild diese ausfällt, das wählt dabei natürlich jeder selbst. Der eine mag es düster und entscheidet sich für Gothic-Punk-Elemente die mit Leder, Lack und Nieten ordentlich Eindruck hinterlassen. Wieder andere lieben Glam-Punk, setzen auf Glitter, Glimmer und Neonfarben. Das Spektrum reicht weit, die modischen Möglichkeiten sind grenzenlos, und so finden sich für jede Figur und jeden Geschmack schnell die passenden Lieblingsstücke. Und da der Punk schon über Jahrzehnte ein fester Bestandteil der Modeindustrie ist, wird er es voraussichtlich auch noch lange bleiben. Angesagte Trendlabel sorgen dafür, dass die Nostalgie der Vergangenheit stetig weiterlebt.
Für einen Tag als Punk unterwegs
Waren es in den 2000er-Jahren noch Musiker wie Green Day und Avril Lavine, die zeigten wie cool Hüftjeans, schwarzes Augen-Make-up und fingerlose Handschuhe wirken konnten, sind es heute vor allem Street-Influencer, die sich gern damit schmücken, zumindest für den einen Tag voll und ganz Punk zu sein. Entgegen dem ursprünglichen Statement gegen den Konsum ist dieser Fashion-Zweig längst kommerziell geworden. Designer wie Jean Paul Gaultier, Valentino und Anna Sui zeigen auf den Laufstegen regelmäßig, wie elegant und speziell ihre vom Punk inspirierten Entwürfe sind. Bei Valentino bleibt es trotz der Hinwendung zu außergewöhnlichen Schnitten eher konventionell. Schwarz dominiert in der Herbstkollektion, allerdings zeigen die Schnitte ungewöhnlich viel Haut für die kalte Jahreszeit. Knappe Miniröcke, zerschlissen wirkende Blusen und Kleider unter XXL-Tunikas, Halsketten im Kettenformat und vieles mehr machen deutlich, wie viele Punk-Elemente in die Entwürfe miteingeflossen sind. Anna Sui setzt dagegen auf Farbe und ließ sich eigenen Aussagen zufolge von den Heldinnen aus 70er-Jahre-Horrorfilmen inspirieren, der Hochzeit des Punk. Auftoupierte Haare, schrilles Augen-Make-up zu rosaroten Lippen, Rüschenroben in Neonfarben und tiefe Dekolletés stoßen dem Betrachter dabei sofort ins Auge. Statt kleckern heißt es hier klotzen. Viel Stoff an einigen Stellen, dann wieder ganz wenig bis hin zu ultraknapp an Oberkörper und Bein, es gab viel zu sehen und doch einen Hauch von nichts. Allein im Vergleich dieser beiden Kollektionen fällt auf: Punk kann viel und dabei eigentlich ein bisschen von allem sein. Ehemals verschrien als nachlässig und peinlich, erlebt er schon seit Jahren ein heimliches Comeback. Dabei hat er es geschafft, aus dem Lotter-Image auszubrechen und ein echtes Fashion-Statement zu setzen. Wer genau hinschaut, der kann überall kleine Details erkennen, aus denen der Punk geradezu aufschreien möchte. Ganz gleich ob Angebotsware aus dem Kaufhaus, echte Designerstücke oder doch DIY, Hauptsache eine Spur Punk ist mit dabei!