Die Politik stellt sich nach der Landtagswahl neu auf. Am 25. April soll Anke Rehlinger zur ersten SPD-Ministerpräsidentin im Saarland gewählt werden. Ende Mai will die CDU eine neue Spitze wählen.
Die Landtagswahl Ende März hat die saarländische Politik gründlich neu gemischt. Inzwischen stehen wichtige Eckdaten für die großen Parteien auf dem Weg, sich in den neu verteilten Rollen einzurichten: Die SPD in einer Alleinregierung, die CDU beim Wiederaufbau nach dem Wahldebakel. Nach der Landtagswahl vom 27. März geht es in Monatsschritten weiter. Wahl der Ministerpräsidentin: 25. April, Wahl einer neuen CDU-Führung: 28. Mai.
Anke Rehlinger soll gleich in der konstituierenden Sitzung des Landtags gewählt werden. Bis dahin ist vieles vorläufig und viel Raum für Spekulationen, vor allem Personalspekulationen. Die SPD hat mit ihrer absoluten Mehrheit vieles neu zu besetzen. Die Wahlverlierer stehen unter anderen Vorzeichen vor Neuaufstellungen. Insbesondere der ehemalige Koalitionspartner CDU sucht nach dem Wahldesaster neue Orientierung. Bei den Grünen ist die Umbruchphase schon länger im Gange, die FDP wird ihre Schlüsse aus der Enttäuschung ziehen müssen, und die Linken stehen vor dem Ergebnis eines anhaltenden Auflösungsprozesses.
Die SPD hat es nach dem in der Höhe bis zuletzt nicht unbedingt erwarteten Erfolges eilig. Nach dem Sieg der absoluten Mehrheit im Landtag gibt es keine langwierigen Koalitionsverhandlungen. Trotzdem ist die Regierungsbildung eine Aufgabe der besonderen Art.
Die SPD wird nun auch die bislang vom Koalitionspartner geführten Häuser und weitere Funktionen personell besetzen, was zahlreiche weitere Personalentscheidungen zur Folge hat. In der Fraktion sind Ulrich Commerçon (Fraktionschef) und Petra Berg (Parlamentarische Geschäftsführerin) nur vorläufig im Amt bestätigt worden. Sie könnten sich demnächst womöglich auch in anderen Funktionen wiederfinden. Neben der Besetzung der Regierung steht der SPD als stärkster Fraktion auch das Amt des Landtagspräsidenten beziehungsweise der -präsidentin zu.
SPD steht bei Posten vor Mammutaufgabe
Die SPD will, wie zu erfahren war, die Übergangssituation nutzen, um insgesamt einiges neu zu sortieren. Einige Strukturen, die einer Kooalitionsregierung geschuldet waren, dürften auf dem Prüfstand stehen. Was wiederum weitere Folgewirkungen haben wird. Eine personelle und strukturelle Doppelherausforderung, die im Eiltempo – Osterfeiertage hin oder her – erledigt sein soll. Und das unter den Maßgaben, die Spitzenkandidatin und jetzt designierte Ministerpräsidentin Anke Rehlinger im Wahlkapf als Prioritäten ausgegeben hat.
Die Staatskanzlei soll wieder zu einer echten Regierungszentrale werden, in der „vorgedacht wird" (Rehlinger im Wahlkampf) und in der sich widerspiegelt, was Rehlinger zur Chefsache erklärt hat.
Alleine das wird Auswirkungen auf das Haus haben, aus dem sie bislang als Wirtschaftsministerin maßgebliche Weichen gestellt hat. Wie weit sich Zuschnitte und Verantwortungsbereiche der anderen Ministerien, vor allem denen in bisheriger CDU-Verantwortung, ändern, wird derzeit intensiv geprüft. Überraschungen nicht ausgeschlossen.
Beim Wahlverlierer CDU steckt den Beteiligten auch noch eine Woche nach der Wahl das Ergebnis sichtbar in den Knochen. Der zunächst für eine Übergangszeit als Fraktionschef bestätigte Alexander Funk bekräftigte, es habe „strategische, handwerkliche und organisatorische" Fehler im Wahlkampf gegeben, die aufgearbeitet werden müssen, wiederholte damit, was er bereits einen Woche zuvor am Tag nach der Wahl geäußert hatte. Mehr Neues konnte oder wollte er nicht über die erste Woche sagen, in der sich die CDU mit den Folgen der Wahl auseinandersetzen musste. Damit bleibt es zunächst beim Ziel, auf einem Parteitag am 28. Mai eine neue Führungsspitze zu wählen, nachdem Tobias Hans seinen Rückzug angekündigt hat. Auch Funk ist als Fraktionschef möglichweise auf Abruf. Partei- und Fraktionschef sollten in der Opposition in einer Hand liegen. Dafür hatte er selbst – und andere – zunächst plädiert. Dass es so kommt, ist wahrscheinlich. Der bislang einzige Kandidat für die Parteispitze, der bisherige Landtagspräsident Stephan Toscani, hielt sich zunächst auffallend zurück. Mit seiner langen Erfahrung und seiner ruhigen Art gilt er als aktuell beste Besetzung, zumal er sich bereits in der Vergangenheit mehrfach in den Dienst der Partei gestellt hat – und weil er als Landtagspräsident noch am wenigsten in direkte Verbindung zum verkorksten Wahlkampf gebracht wird.
Bei den Grünen war die Hoffnung, durch Korrekturen des vorläufigen Wahlergebnisses doch noch von 4,99502 auf über fünf Prozent zu kommen, schon am Tag nach der Wahl recht überschaubar. Spätestens nach den Sitzungen der Kreiswahlausschüsse war klar, dass sich an den fehlenden 23 Stimmen nichts mehr ändern dürfte. Das offizielle amtliche Endergebnis lag aber bei Redaktionsschluss noch nicht vor. Auch wenn das erklärte Wahlziel damit verfehlt wurde, war es für die Riege um Spitzenkandidatin Lisa Becker mehr als nur ein Achtungserfolg, gemessen an den innerparteilichen Vorgängen und daran, dass der eigentliche Wahlkampf erst mit der Aufstellung der Spitzenkandidatin im Januar beginnen konnte. Den Grünen steht nun der schon viel diskutierte innere Reformprozess bevor. Für den wäre zwar ein Wahlerfolg mit Wiedereinzug ins Parlament nicht schlecht gewesen. Aber auch so stehen mit Lisa Becker und Anne Lehoda, Spitzenkandidatin im Wahlkreis Saarbrücken, sowie dem innerparteilchen Reformbündnis neue Grüne am Start für die Zeit nach der langen Ära, die mit dem Namen Hubert Ulrich verknüpft ist.
Wahlverlierer stehen vor Aufräumarbeiten
Für die FDP ist der erneut verpasste Wiedereinzug in den Landtag in mehrfacher Hinsicht bitter. Damit verlängert sich das bereits ein Jahrzehnt währende außerparlamentarische Dasein. Je länger diese Zeit für eine Partei ist, umso mühsamer wird es, sich für neue Leute, vor allem jüngere, attraktiv zu machen. Schon in diesem Wahlkampf war es so, dass sich die Spitzenkandidatin erst landesweit bekannt mache musste. Landesparteichef Oliver Luksic hat zwar selbst in Berlin eine beachtliche Karriere genommen, sich Anerkennung erworben, die ihn schließlich an eine auch für das Land nicht unwichtige Schaltstelle als Staatssekretär im Verkehrsministerium brachte. Ob er als Spitzenkandidat im Saarland den Liberalen ein besseres Ergebnis gebracht hätte, ist eine der berühmten müßigen Was-wäre-wenn-Fragen. Für die Liberalen wird es nun umso wichtiger, die nächste Kommunalwahl in den Blick zu nehmen und zu nutzen, neues und zusätzliches Personal konsequent aufzubauen.
Bei den Linken stellt sich die Frage, ob sich die Partei von diesem Ergebnis absehbar erholen kann, auch vor dem Hintergrund schon länger andauernder Auflösungserscheinungen, in deren Folge auch Teile der kommunalen Basis weggebrochen waren. In der Vergangenheit war die Fraktion im Landtag das Gesicht der Linken, die Landespartei hat mit vielem auf sich aufmerksam gemacht, aber nicht mit inhaltlich-politischer Arbeit. Was von der Partei nach diesem Wahlkampf für einen Neuaufbau bleibt, ist zunächst kaum auszumachen. Wer auch immer die Nachfolge von Thomas Lutze als Landeschef antritt, er oder sie wird nicht nur einen Landesverband mit Auflösungserscheinungen haben, sondern zugleich einen bundesweiten Trend, der die Partei alles andere als im Aufstieg sieht.
Dass drei AfD-Abgeordnete im Landtag sitzen, heißt zunächst nur, dass die Partei über einen Sockel an Wählern verfügt, die die Partei unabhängig von ihrem Zustand und den handelnden Personen wählen. Ob sich die drei gewählten Abgeordneten überhaupt zu einer Fraktion zusammenfinden würden, war bei Redaktionsschluss noch offen. Entsprechend sind die Erwartungen an die künftige Arbeit.