Schauspieler Will Smith hat kürzlich seinen ersten Oscar gewonnen und bei der Verleihung mit einer Ohrfeige für Chris Rock für Trubel gesorgt. In unserem Interview davor sprach er über „King Richard", seine eigene Vaterrolle und darüber, was Glück für ihn ist.
Mr. Smith, Sie sagten, dass Sie jetzt spiritueller unterwegs sind als früher. Was genau meinen Sie damit?
Ich habe mein ganzes Leben lang gesammelt und gesammelt. Jetzt möchte ich meine Erfahrungen und meine Erkenntnisse auch zurückgeben. Und damit Menschen auf ihrem Lebensweg Mut machen und hoffentlich auch helfen. In den letzten Monaten habe ich mehrere spirituelle Reisen unternommen und bin mir dabei sehr nahe gekommen. Dieses Selbsterkennen war manchmal sehr schmerzhaft, aber immer auch sehr reinigend.
Hat sich diese neue Selbstfindung auch in der Wahl Ihrer Filme niedergeschlagen?
Auf jeden Fall. „King Richard" ist dafür ein gutes Beispiel. Nachdem ich das Drehbuch gelesen hatte, wollte ich Richard Williams, den Vater von Venus und Serena, unbedingt spielen. Er war ein Mann, mit dem ich mich geistig und emotional total identifizieren kann. Vor gut 20 Jahren hatte ich diesbezüglich sogar ein Schlüsselerlebnis. Da sah ich ein TV-Interview mit Venus und ihrem Vater, in dem Richard einen vorlauten Reporter deutlich in die Schranken wies und wirklich heldenhaft um das Ansehen seiner Tochter kämpfte. Venus stand neben ihm und bekam ganz glänzende Augen. Sie fühlte sich von ihm beschützt und geborgen. Dieser Blick hat sich in mir eingebrannt. Ich wünschte mir oft, meine Tochter Willow würde mich auch so anschauen, wenn ich sie öffentlich verteidigen würde. Denn auch ich will ein Vater sein, der seine Kinder wie ein Löwe beschützt. Deshalb musste ich diese Rolle, als man sie mir anbot, einfach spielen.
Haben Sie sich als Vater heimlich mit Richard verglichen?
(lacht) Ehrlich gesagt schon ein bisschen. Für mich war Richards Art und Weise, seine Kinder zu erziehen, etwas völlig Neues. Er hat sich nämlich seinen Kindern angepasst und sie begleitet, statt sie in eine bestimmte Richtung zu drängen. Natürlich gab es auch Regeln, aber diese Regeln wurden gemeinsam festgelegt. Das Vertrauen und der Glaube an den Erfolg standen zwar immer im Mittelpunkt, aber es war eine kollektive Reise hin zu einer Weltkarriere. Das hat mir damals, vor 20 Jahren, die Augen geöffnet. Und es hat mich hoffentlich selbst zu einem besseren Vater gemacht. Ich habe mir oft gewünscht, auch mein Vater hätte mir im Leben so zur Seite gestanden.
Hat er das nicht?
Nein, mein Vater hatte in seinen Erziehungsmethoden einen fast militärischen Drill. Da galt: „Was ich sage, wird gemacht. Ich weiß, wie es geht – du nicht! Und wenn du nicht spurst, gibt es Ärger." Als Kind hatte ich überhaupt kein Mitspracherecht. Mein Vater war ein sehr harter Mensch. Aber verstehen Sie mich nicht falsch: Er hat mich eben auf seine Art auch immer gefördert und stand meiner Karriere als Rapper und Filmschauspieler nie im Weg – im Gegenteil. Er hat mir einerseits viel Freude bereitet, andererseits aber auch viel Leid.
Sie haben mir einmal erzählt, dass Ihre Mutter Sie am stärksten geprägt hat.
Oh ja, sie und meine Großmutter haben mich zu dem gemacht, der ich heute bin. Als ich sechs Jahre alt war, arbeitete meine Großmutter in einem Krankenhaus als Nachtschwester. Sie musste immer um Mitternacht zur Arbeit gehen. Das hat mich schwer beeindruckt. Ich fühlte mich so schuldig, dass ich ins Bett gehen konnte, während sie zur Arbeit musste. Damals habe ich mir geschworen, dass, wenn ich einmal groß bin, niemand aus meiner Familie mitten in der Nacht zur Arbeit gehen muss.
Das ist Ihnen ja geglückt.
Worauf ich echt stolz bin. Denn meine Mutter hat immer schwer gearbeitet. Und trotzdem hatte sie immer Zeit, sich um uns vier Kinder zu kümmern. Diese Kombination, hart zu arbeiten, damit man den Seinen ein würdiges Leben ermöglichen kann, und trotzdem dem Leben jede Menge Spaß abgewinnen zu können, hat mich geprägt. Arbeit und Freude, das sind die beiden wichtigsten Säulen meines Charakters.
Haben Sie diese Erkenntnis auch an Ihre Kinder weitergegeben?
Das hoffe ich. Und ich hoffe auch, dass ich auf gewisse Weise ein Vorbild für meine Kinder war und vielleicht immer noch bin. Meine Frau und ich haben unsere Kinder Jaden und Willow schon sehr früh als sehr eigenständige Menschen behandelt. Und sie nie als unser persönliches Eigentum betrachtet. Wir haben unseren Kindern immer jede Menge Selbstverantwortung gegeben. Deshalb waren sie es schon von Kindesbeinen an gewohnt, viel für sich selbst zu entscheiden. Wenn sie dann doch einmal nicht weiter wussten, fragten sie uns eben um Rat. Da ist man als Elternteil natürlich in einer ganz anderen Position, nämlich als Freund und Berater.
Ist es nicht problematisch, wenn Kinder erleben, wie ihre Superstar-Eltern in einem Millionen-Business Ruhm und Reichtum anhäufen?
Natürlich gab es da auch die ein oder andere Irritation. Wir haben uns aber bemüht, zu Hause ein ganz normales Leben zu führen. Uns war wichtig, den Kids neben einer guten Schulbildung auch spirituelle Werte zu vermitteln. Empathie, Toleranz und Weltoffenheit sind uns in der Familie Smith ganz wichtig. Für mich persönlich sind Ruhm und Reichtum absolut kein Lebensinhalt. Denn wirklich erfolgreich im Leben ist man doch, wenn man glücklich ist. Und daran arbeite ich täglich.
Sie haben es in Hollywood bis an die Spitze geschafft. Zeitweise waren Sie neben Tom Cruise der einzige Superstar, der die Leute mit jedem neuen Film wie magnetisch ins Kino zog. Schaut bei so viel Erfolg nicht der Größenwahn um die Ecke?
(lächelt) Es stimmt schon, dass ich jahrelang sehr ambitioniert, ja, fast besessen an meiner Karriere gearbeitet habe. Ich wollte schon immer ein Super-Hero sein! (lacht) Am liebsten meine ganz eigene Version von Eddie Murphy in einem „Star Wars"-Movie! Als sich dann der große Erfolg einstellte, hatte das manchmal schon toxische Nebenwirkungen. Aber dieser Ruhm und Reichtum waren ja auch immer mit sehr viel harter Arbeit verbunden. Dieser Tatsache habe ich es wohl zu verdanken, dass ich nie so richtig abgehoben bin. Und wenn ich mir selbst mal aus dem Ruder lief, dann glücklicherweise nur für kurze Zeit.
Welche Nebenwirkungen waren das denn?
Ich habe lange Jahre meine Identität vor der Welt versteckt. Ich spielte einfach den Hollywoodstar, den Typen, der die Leute gern zum Lachen brachte. Der sich immer für das „Good-Time-Feeling für alle" zuständig fühlte. Dass dahinter die Angst stand, nicht verletzt zu werden, die Furcht vor schmerzhaften Konfrontationen, das konnte ich immer gut überspielen.
Aber um im Entertainment-Business so viele Jahre erfolgreich zu sein …
… braucht es schon eine ganze Busladung voller Selbstvertrauen, das ist mir schon klar. Und den unerschütterlichen Glauben, es irgendwie zu schaffen, sonst sollte man erst gar nicht nach Hollywood kommen. Ein gesundes Ego ist da absolut lebenswichtig. Aber es ist eben nicht alles.
Sie haben den Ruf, bei Dreharbeiten äußerst kollegial und hilfsbereit zu sein. Wo parken Sie denn da Ihr Ego?
Damit hatte ich noch nie Probleme. Ich will ja mit jeder Rolle etwas lernen und neue Erfahrungen machen. Und das geht beim Film nur im Team. Wenn ich ans Set komme, empfinde ich es nach wie vor als meine Aufgabe, dass sich alle Beteiligten wohlfühlen. Dieser Wunsch nach Harmonie liegt sicher in meinen Genen. Dieses Gefühl von gegenseitigem Vertrauen herzustellen gelingt mir dann meist ganz gut. Wie auch bei den Dreharbeiten zu „King Richard": Da waren wir alle eine große Familie und hatten jeden Tag viel Freude aneinander. Außerdem hilft es einem als Schauspieler enorm, wenn man neben Talent und Fleiß auch viel Humor hat.
Hilft Humor in jeder Lebenslage?
Meine Lebensphilosophie lautet, aus jeder Situation das Beste zu machen. Das heißt nicht, dass ich Negatives verdränge. Es bedeutet nur, dass ich in allem immer nach positiven Lösungen suche.
Nach dem Motto: „Es gibt keine Probleme, es gibt nur Lösungen"?
Ja, genau. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, nur gute Gedanken zu denken. Als meine Mutter im Sterben lag, hätte ich natürlich lange darüber reden können, wie traurig das ist. Am Tod kann man aber nun mal nichts ändern. Also konzentrierte ich mich lieber darauf, was für schöne Zeiten ich mit meiner Mutter hatte.