Der White-Dress auf dem Court galt einst als Symbol der elitären Freiheit. Heute sind frische Farben im Kontrast zum Grasgrün wieder angesagt. Eine logische Entwicklung der Pandemie, raus aus dem Faultier-Joggerlook für das Sofa und hinein in den sexy Sporty-Style.
Schon seit Jahrzehnten besteht der Tennis-Look für Damen aus Poloshirts, Schirmmützen und kurzen Faltenröckchen. Schließlich möchte Sie sich auf dem Platz frei bewegen können und beim Spiel um den Sieg nicht so schnell ins Schwitzen kommen. Spätestens seit dem Kinostart von „King Richard" am 24. Februar dieses Jahres treiben die Outfits der Stars das Fashion-Barometer wieder steil nach oben. Der Film selbst handelt von einem Vater (Will Smith), der seine beiden Töchter Serena (Demi Singleton) und Venus Williams (Saniyya Sidney) auf den höchsten Plätzen der internationalen Tennisliga sehen möchte. Mit Erfolg, trotz Rassismus und Widerständen gehören die beiden Schwestern heute zu den ganz großen Playern im Sport und wissen durch ihre Looks auf dem Center Court zu überzeugen. Auch Smith selbst wusste in seiner Rolle zu überzeugen, denn er erhielt dafür gerade den begehrten Oscar. Wer den Look der Stars im Film nachmachen will, der hat die Qual der Wahl zwischen elegant und sportiv, niedlich und bieder und doch wieder ungemein adrett. Ein Athleisure-Style der besonderen Art, ganz weit weg vom Jogginganzug. Mittlerweile gibt es für die Hingabe zu dieser neuen Moderichtung sogar einen eigenen Instagram-Hashtag: #tenniscore. Der Wortmix aus Tennis und Normcore umschreibt am besten den Versuch, durch den Look irgendwie dazu zu gehören und doch seine Andersartigkeit unter Beweis zu stellen. Geprägt hat den Begriff die K-Hole Trendagentur mit Sitz in New York. Normcore soll das Bedürfnis beschreiben, sich mithilfe des Stylings zu einer Gruppe zugehörig zu fühlen und dabei trotzdem noch coole Akzente zu setzen. Wem Normalität zuwider ist, der darf sich eben normkonform verhalten, frei nach dem Motto: „Same, same, but different".
Bauchfrei dank Anna Kurnikowa
Doch wo fing sie an, die Liebe zu den speziellen Looks auf dem Tennisplatz? Die bekannteste Vorläuferin dieser Styling-Bewegung war Suzanne Lenglen. Für sie designte Jean Patou das erste ärmellose Shirt mit passendem knielangen Rock, das Wimbledon je gesehen hatte. Da schrieben wir das Jahr 1921. Seitdem hat sich viel getan. Im Tennis und in der Mode. Den nächsten entzückten Blick auf dem Platz erntete Anna Kurnikowa 2002. Sie entschied sich für einen bauchfreien Y2K-Look. Deutlich angezogener und trotzdem fernab der sonstigen klassischen Looks war Serena Williams 2018 bei den French Open unterwegs. Sie entschied sich für einen Catsuit, nicht das einzige Fashion-Highlight ihrerseits in den gediegenen Reihen des Tennis. Bekannt ist Williams ebenfalls für ihren Ohrschmuck, der mitunter stärker glitzert als das Sonnenlicht, das sich auf den roten Sandplätzen bricht. Ein Ort, den jemand anderes dazu nutzte, etwas Großes zu vollbringen und zwar bereits im Jahr 1956. Althea Gibson holte sich in Paris den ersten Grand-Slam als „Woman of Color" überhaupt. Ihr Outfit bestand dabei klassischerweise aus einem Poloshirt und einem Faltenrock. Noch heute kann man es im „National Museum of American History" in Washington D. C. bewundern.
Hinwendung zum ultrakurzen Minirock
Doch zurück ins Hier und Jetzt. Da fühlen sich die Designer ebenfalls inspiriert von den Center-Court-Looks. Bereits 2021 waren lederne Faltenröcke bei der Mailänder Fashion Show „Philosophy" kombiniert zu stylishen Blazern das Must-have schlechthin. Die Hinwendung zum ultrakurzen Minirock hat man auch bei Miu Miu längst für sich entdeckt. Hier sind es weiße Faltenröcke in Mini- und Knielänge, auf der Hüfte locker gehalten mit braunen Ledergürteln, die den Blick auf sich ziehen. Auch darüber bleibt es sportlich in Form von bauchfreien Kurzarmshirts mit aufgenähten Emblemen und Streifenmustern. Dazu ein Halstuch locker um den Hals drapiert und kniehohe Stiefel angezogen, schon stimmt der All-over-Tennislook. Bei der Sportmarke Fila haben sich die Designer traditionell natürlich dem Drang nach Bewegung verschrieben. Hier läuft die neueste Kollektion unter dem Titel „Perfect Match" und wird von niemand Geringerem präsentiert als von Heidi Klums Tochter Leni. Ein weiterer großer Deal für das 17-jährige Nachwuchsmodel. Und die offenbart bei dem Shooting auch gleich ihr persönliches Lieblingsstück: weiße Sneaker. Zu kaufen sind diese und sämtliche andere Stücke der Tennis-Kollektion seit dem 24. März überall dort, wo es Sportmode gibt. Sogar heiraten ließe sich neuerdings im Sporty-Style frisch inspiriert aus Wimbledon. Dazu hat Proenza Schouler White Label ein schlichtes Shirtdress im neuen Sortiment, versehen mit einem klassischen Hemdkragen und einer dezent geknüpften durchgängigen Knopfleiste. Zwar nicht ganz platztauglich, aber es zeigt, wie viel Einfluss die Sportwelt mittlerweile auf die großen Luxuslabels hat. Lacoste und Dior lassen ebenfalls den Ball rollen und machen deutlich, worauf ihre neuesten Kollektionen abzielen: auf junge frische Damen, die etwas bewegen wollen – egal ob auf dem Tennisplatz oder sonst wo. Manch ein Designer schnappt sich gleich ein großes Sportnachwuchs-Talent und bewirbt damit kurzerhand seine Entwürfe, wie zum Beispiel Lululemon. Hier ist Laylah Fernandez das neue Gesicht hinter der Marke und das mit gerade einmal 19 Jahren und überwiegend Platz- statt Modelerfahrungen. Ob die sich wohl auch über die coole Ledertasche in Tennisball-Optik von Kate Spade gefreut hätte? Mehr Tennisliebe geht ja eigentlich nicht, wobei Loewe daran direkt anknüpft und noch schicke Ohrringe aus Sterlingsilber mit in die Rangliste um Platz eins der tollsten Tennis-Looks schmeißt. Woher sie kommt, diese neu entdeckte Leidenschaft für den Ballsport ist fraglich. Fest steht, die Modewelt zelebriert sie innigst und alle dürfen mitmachen, ob sportlich aktiv oder lieber gemütlich bei einem Tässchen Kaffee am Platzrand. „Spiel, Satz und Sieg!" für die Tennis-Mode der Saison.