Erfolgsregisseur Sönke Wortmann beleuchtet in „Eingeschlossene Gesellschaft" den Kosmos Schule kritisch mit geschliffenen Dialogen voller Wortwitz und subtiler Situationskomik. Am 14. April startet der Film in den Kinos.
Der Beruf des Lehrers gewinnt in der Gesellschaft zunehmend an Achtung. Lehkräfte unterrichten in Schulen, die wegen Geldmangels in immer schlechterem Zustand sind; in ihre Klassen kommen Schüler aus vielen Nationen; gearbeitet wird mit vollem Engagement, obwohl die Digitalisierung nicht vorankommt. Freie Tage? Selten, weil die Lehrer auch am Wochenende am heimischen Schreibtisch Tests korrigieren und Unterricht vorbereiten. Aber es gibt auch jene Lehrer, die es sich bequem gemacht haben in ihrem Alltag und die mit den Jahren eine gewisse Abscheu gegenüber ihren Schülern und dem Beruf entwickelt haben. Diese Pädagogen nimmt sich Regisseur Sönke Wortmann in seinem neuen Film vor. In „Eingeschlossene Gesellschaft" entblößen er und seine fantastischen Schauspieler die Arroganz und das mangelnde Verantwortungsbewusstsein jener Menschen, die sich eigentlich mit Engagement um die jungen Leute kümmern müssten.
Hintergründige Komödie
An einem Freitagnachmittag in irgendeinem städtischen Gymnasium: Sechs Lehrer lassen die Woche in ihrem Lehrerzimmer ausklingen, da klopft jemand unerwartet an der Tür. Es ist ein ehrgeiziger Vater, der für die Abiturzulassung seines Sohnes kämpft – und bereit ist, sogar zu einer Waffe zu greifen. Der beliebte Sportlehrer und Zyniker Peter Mertens, die altkluge, von allen Schülern gehasste Hexe Heidi Lohmann, der konservative Pauker Klaus Engelhardt, der joviale Schüleranwalt Holger Arndt, der Nerd Bernd Vogel und die junge Referendarin Sara Schuster geraten unter Druck, fühlen sich aber dem verzweifelten Vater zunächst überlegen. Doch dann müssen sie schnell herausfinden, dass die Situation mehr und mehr außer Kontrolle gerät. Nach einigen unerwarteten Wendungen und peinlichen Enthüllungen tun sich bei jedem der Beteiligten wahre Abgründe auf.
Wer sich in den vergangenen Jahren bei Komödien wie „Frau Müller muss weg" (2015) und „Der Vorname" (2015) amüsiert hat, wird auch „Eingeschlossene Gesellschaft" mögen. Regisseur Sönke Wortmann hat es drauf, seine Protagonisten in einem Raum oder an einem Tisch zu versammeln und sie mit viel Wortwitz und mit einer Portion Zynismus über gesellschaftliche Themen streiten zu lassen. Darf ein Baby den Namen Adolf tragen oder können Helikoptereltern eine unbeliebte Lehrerin aus ihrem Job schmeißen? In „Eingeschlossene Gesellschaft" offenbart Wortmann, dass manche Lehrer sich auf ihren eingefahrenen Strukturen ausruhen und dass ihnen ihr Privatleben wichtiger ist als ihre pädagogische Aufgabe. „Wenn ich eines nicht ertragen kann, sind es Schüler um halb drei", sagt Lehrerin Lohmann. Aber Schüler um halb elf seien genauso schlimm, sagt ihr Kollege. Was also tun, als es am Nachmittag klopft? Vielleicht gar nichts, bis es aufhört? Weil der Vater aber einfach den Raum betritt und die Lehrer mit einer Waffe bedroht, müssen die sich seinen Forderungen stellen und sich ernsthaft mit den Schülern auseinandersetzten. Es folgen amüsante 90 Filmminuten, in denen offenbar auch die Schauspieler großen Spaß hatten. Vor allem Anke Engelke zeigt ihre Wandlungsfähigkeit: Erst spielt sie Lehrerin Lohmann als unfreundliche und verbitterte Schreckschraube, letztlich wird aber auch klar, dass sie ausgebrannt ist und mit der jungen Generation nichts mehr anfangen kann. Florian David Fitz verkörpert den Sportlehrer Mertens, der seinen Job genießen möchte und seinen Schülerinnen („Die sind alle volljährig!") näherkommt, als es professionell zu vertreten wäre. Eine gute Leistung zeigt auch Justus von Dohnányi, dessen Figur ein gewisses Maß an Strenge den Schülern gegenüber als fortschrittlich empfindet und daher das Leistungsprinzip verkörpert. Für den betreffenden Schüler will er nichts freiwillig herausrücken. Basta? Nicht so ganz, denn im Laufe der Handlung entwickelt sich ein Tribunal mit dem eingedrungenen Vater als Richter, der die Frage stellt: Dürfen Lehrer wirklich über das Leben ihrer Schüler entscheiden? Letztlich will der Vater nicht viel mehr, als dass seinem Sohn noch ein Punkt zugeschustert wird. Aber selbst bei vorgehaltener Waffe können die Lehrer nicht ihre Bubble verlassen – und reden immer nur über sich selbst, ohne sich ernsthaft mit dem Schüler und dem fehlenden Punkt zu beschäftigen.
Gesellschaftsporträt im Brennglas Schule
Die Komödie „Eingeschlossene Gesellschaft" wirkt wegen ihrer geschickten Figurenkonstellation und des reduzierten Schauplatzes wie ein Gesellschaftsporträt unter dem Brennglas Schule und wie eine Kritik auf das wackelnde Bildungssystem. Die Schauspieler sind in Bestform, das Drehbuch bringt die Handlung flott voran – sehenswert, kurzweilig und hintergründig zugleich.