Warum zwei linke Hände nicht unbedingt ein Hindernis sein müssen
ch gebe es unumwunden zu: Viele Jahre lang habe ich mich erfolgreich vor größeren Reparaturarbeiten in Haus und Wohnung gedrückt. Nicht etwa, weil ich zu faul gewesen wäre, nein. Aber bei meiner Geburt muss offensichtlich etwas schiefgegangen sein, denn ich wurde mit zwei linken Händen ausgeliefert. Bis meinen Eltern und auch mir selbst dieser Mangel auffiel, war es für etwaige Reklamationen natürlich längst zu spät. Also habe ich mich mit der Zeit damit arrangiert.
Als langjähriger Mieter war das auch stets ganz einfach: Man musste lediglich zum Telefonhörer greifen, den Vermieter über den Mangel in Kenntnis setzen, und schon schickte dieser – mehr oder weniger zeitnah – jemanden, der sich damit auskennt. In aller Regel zumindest. Hin und wieder begegneten mir dabei Exemplare, die zwar augenscheinlich den gleichen Mangel haben wie ich, sich aber dennoch nicht davon abhalten ließen, ihr Glück als professionelle Handwerker zu versuchen. Ich vermute, dass jene Exemplare von Hause aus einen gewaltigen finanziellen Background haben oder exorbitant gut versichert sein müssen. Oder beides. Wie auch immer.
Jedenfalls bin ich seither felsenfest davon überzeugt, dass jene Liedzeilen von Reinhard Mey – „Am Freitag kam eine Reklamation, ein Kunde rügte die Installation. Immer wenn er Wasser zapfe, samm’le Erdgas sich im Napfe und kling’le zufällig das Telefon, gäb’ es manche heftige Detonation. Ich löste das Problem höchst elegant, indem ich Telefon und Hahn verband. Wenn es jetzt im Hörer tutet wird die Küche überflutet, und durch diesen Kunstgriff meisterlicher Hand, ist jetzt jede Explosionsgefahr gebannt" – keineswegs ausgedacht, sondern zweifelsfrei Ergebnis einer Begegnung mit einem ähnlichen Exemplar sein müssen.
Das Problem: Durch eine schicksalhafte Fügung bin ich inzwischen eher überraschend selbst zum Hausbesitzer geworden. Leider haben jene vier Wände, die meine Familie und ich nun unser eigen nennen, das, was man landläufig mit dem Begriff „Renovierungsstau" orthografisch zu beschönigen versucht. Den lieb gewonnenen Reflex, angesichts der – nennen wie sie einmal – „gestalterischen Herausforderungen" einfach zum Telefonhörer zu greifen und wie gewohnt jemanden kommen zu lassen, der sich damit auskennt, habe ich mir in kürzester Zeit abgewöhnt. Aus irgendwelchen Gründen passen meine finanziellen Vorstellungen und die der handwerklichen Kompetenz in den seltensten Fällen zusammen.
Und bevor ich an eines der oben beschriebenen Exemplare der Zunft gerate, das mir meine vier Wände ruiniert, habe ich beschlossen, mich meinen Urängsten zu stellen und dies selbst zu übernehmen. Also nicht das Ruinieren, sondern den Versuch, beim Renovieren selbiges zu vermeiden.
Und was soll ich sagen? Augenscheinlich wächst der Mensch mit seinen Herausforderungen. Gut, die neuen Nachbarn stecken eingedenk unzähliger Tobsuchtsanfälle und Schreiattacken meinerseits sofort tuschelnd die Köpfe zusammen, sobald sie mich zufällig auf der Straße sehen. Und mir war bis vor Kurzem auch nicht bewusst, wie viele Schimpfwörter ich – sehr zur Freude meiner Kinder – in sage und schreibe acht verschiedenen Sprachen perfekt beherrsche. Dafür sind aber nach nur drei Monaten die sechs Quadratmeter Laminat in der Küche perfekt verlegt. Bleiben also nur noch schlappe 112 Quadratmeter in den restlichen Räumen.
Ein bisschen blöd ist nur, dass das dafür bereits gekaufte Laminat bei unzähligen Versuchen des richtigen Zuschnitts komplett für die Küche draufgegangen ist. Aber was soll’s. Dafür habe ich mit dem Holzhändler im Nachbarort ganz offensichtlich einen neuen Freund fürs Leben gefunden. Irgendwie strahlt der immer übers ganze Gesicht, wenn ich mal wieder ein paar Pakete Laminat bei ihm nachordere.
Ach ja, es ist überaus befriedigend zu sehen, dass man auch mit zwei linken Händen Großes leisten kann. Ab nächster Woche schaue ich mir dann mal an, was es mit den hübsch bunten Drähten der Elektro-Installation so auf sich hat und wie sich diese sinnvoll miteinander verbinden lassen. Mal ehrlich: So schwer kann das doch nicht sein?