Noch einmal für dieses Jahr in eine traumhaft schöne Schneelandschaft. In der beliebten Jungfrauregion rund um das Egerndorf Grindelwald finden sich auf insgesamt 800 Kilometern Winter- und Sommer-Wanderwege, Schlitten- und Skipisten.
Die magisch schöne Landschaft in der Jungfrauregion ruft jedes Jahr Millionen von Besuchern aus über 70 Nationen über die weiten Anhöhen bis zum Eismeer. Reisepionier Thomas Cook schlug vor 160 Jahren das große Buch touristischer Geschichte auf: Vorwiegend Engländer kamen als privilegierte Vorhut zu Muli oder mit dem Tragstuhl zur Gletscherbesichtigung, bevor sie der Wetterhornaufzug (1908 – 1914), Europas erste Bahn für den Personentransport, zu den ersten Berghotels hinaufgondelte.
Der Name des Oberberner Alpendorfs tauchte erstmals 1146 auf: „grinde ol wald" kommt vom keltischen Wort für „Holz". Einstmals eine Welt, die sich abgeschottet von der waldigen Tallandschaft, entlang der Schwarzen und Weißen Lütschinen-Flüsse erstreckte. In Bewegung auch der Untere Grindelwaldgletscher, der einst als größter Alpengletscher der Schweiz sogar bis unter 1.000 Meter über dem Meeresspiegel in den Ort „floss". Seit ersten Messungen 1850 hatte der sich erst ganz natürlich mehrere Hundert Meter vor- und zurückgeschoben. Klimabedingt hat er nun seinen unaufhaltsamen Rückgang angetreten und ist mit einem Quasi-Total-Schwund nur noch eine „Toteis-Zunge". Das Alpendorf Grindelwald liegt unbeirrt und quicklebendig in einer auf drei Seiten flachen Mulde im obersten Teil der Talschaft. Von der Bahnstation bis zur Dorfkirche fädeln sich die kleinen Restaurants, Shops und Hotels an der Hauptstraße entlang. Das umtriebige Örtchen mit seiner einladenden Chalets-am-Hang-Typografie liegt am Fuß eines sagenumwobenen Bergmysteriums, scheint von den verschneiten Drei- und Viertausendern fest umklammert.
Sehenswertes Heimatmuseum
Am bekanntesten das Dreigestirn: Jungfrau (4.158 Meter). Mönch (4.099 Meter) und der legendäre Eiger (3.970 Meter). Viele Bergsteigerdramen sind in seinem über 1.800 Meter hohen Steinmantel abgespeichert. Der Weg durch die glatte Nordwand dieser erhabenen Felspyramide galt lange als unbezwingbar. Letztes Jahr hatte das sehenswerte Heimatmuseum den hundert Jahren der ersten siebenstündigen Nordwand-Besteigung (Mittellegi-Grat) durch den Japaner Yuko Maki mit seiner Schweizer Seilschaft (10. September 1921) eine Ausstellung gewidmet. Der Abstieg erfolgte lediglich im Licht einer Laterne. Mittlerweile führen mehr als 30 verbundene, bis zu vier Kilometer breite Kletterrouten durch seine legendäre Wand, die durch ihre Geröllstruktur nur im eisigen Winter von Bergprofis zu besteigen ist. In den vergangenen Sommern ist klimabedingt auch die Nordwand zu einer „heißen Dolomitenwand" geworden – selbst klassische Wandstellen sind zurückgeschmolzen. So tut es gut, von felsenfesten Mythen zu hören, wie die vom kleinen leuchtenden Fenster im Berg, durch das sich an manchen Wintertagen mittags ein Lichtstrahl seinen Weg auf die Dorfkirche bahnt. Der „Challigroosi" Bergriese soll für den Gletscher den Eiger und den Mettenberg auseinandergedrückt haben. Aus Versehen habe er mit seinem Stab das „Martins-Heiterloch" in den Eiger gestoßen.
Snow- und Funparks
Ob aktiv sportlich oder ganz „habig" (gemütlich) erobert sich jeder nach seinem Gusto den Weg durch die weitläufige Berggeometrie der Jungfrauregion. Sich mit den traditionellen und neu eröffneten Gondeln und Hightech-Zügen quer durch die Bergwelt bis zum Top of Europe – Europas höchsten Bahnhof – zu navigieren ist die Devise. Erst letztes Jahr gönnte sich die beliebte Touristenregion das neue multifunktionale Grindelwald Terminal mit Shoppinglandschaft und großem Ski-Depot. Eine Dauerbeschneiung sorgt bis Mitte April für Schneesicherheit. Über die Jungfrau-App verschafft man sich schnell den Überblick über das sich von West nach Ost erstreckende 16 Kilometer lange Grindelwaldtal, das im Süden von Fiescherhörnern und Eiger, im Westen durch den Kleinen Scheidegg, Tschuggen und Männlichen, im Norden von Faulhorn und Schwarzhorn und im Osten durch Grossen Scheidegg, Wetterhornmassiv und Schreckhörner begrenzt wird. Für Wanderer empfiehlt sich als Erkundungsstarter die neue Luftseilbahn (2019) auf den Männlichen (2.000 Meter) zu nehmen und von dort zum Kleinen Scheidegg zu laufen. Unter der Gondel ziehen Skiläufer ihre Bahnen – über zwei Täler, drei Bergzüge und 211 Kilometer verlaufen die Ski- und Snowboardpisten mit ebenso sanften wie steilen Hängen, Snow- und Funparks, Rennstrecken und Powder-Partien. Auch 80 Kilometer Winterwanderwege, 13 Kilometer Schneeschuhpfade und an die 70 Kilometer Schlittelwege offeriert die Region. Darunter auch die „Big Pintenfritz", die längste Rodelstrecke der Welt, deren Startpunkt man sich auf dem Faulhorn (2.680 Meter) zweieinhalb Stunden von First erst erlaufen muss. Kristallines Weiß überzieht die Topografie der Dächer und Bäume. Am Nordhang klebt der Schnee wie Zuckerguss. Auf dem Plateau des Männlichen mit Hütten- und Sonnenterrassenfeeling steht das Dreiergestirn wie auf einer greifbar nahen Theaterbühne. Zur anderen Seite schweift der Blick zu den autofreien Dörfern Wengen und Mürren weit übers Lauterbrunnental, das in seiner wilden Unberührtheit wohl schon J.R.R Tolkien für seinen Jahrhundertroman „Herr der Ringe" (1911) inspirierte.
Seit letztem Jahr fährt der neue „3 S-Bahn Eiger Express" bis zu 44 Menschen pro Bahn und 2.200 Personen pro Stunde in nur 15 Minuten vom Grindelwald-Terminal zur Station Eigergletscher. Ein Doppelseil hält 100 km/h Windstärken stand, außerdem generiert die Hightech-Bahn beim Fahren eigenen Strom für Videoscreens und Sitzheizung. Mit direkter Umsteigemöglichkeit ist man damit 47 Minuten schneller auf der Skipiste und dem Jungfraujoch – Top of Europe. Auf den höchsten Punkt fährt die Jungfraubahn. Dieser rote Vintage anmutende Bergzug entstand 1894 aus der wagemutigen Vision des Industriellen Adolf Guyer Zeller. Die beeindruckende Bahnstrecke führt in einer knappen Stunde durch einen sieben Kilometer langen Tunnel bis auf 3.454 Meter zum Jungfraujoch. In 16 Jahren schlugen – mit einigen Unterbrechungen – 300 italienische Bergbauarbeiter den Weg durch den Felsen. 1912 wurde die bis heute höchste unterirdische Bahnstation Europas (Top of Europe) eröffnet. Zeller selbst verstarb im dritten Baujahr an einer Lungenentzündung und sollte die Eröffnung nicht erleben. Die Kosten beliefen sich auf 15 Millionen Franken. Auf ihrem Weg hält die Bahn fünf Minuten am Eismeer (3.158 Meter) mit Sichtfenstern. Oben angekommen ist die Luft bereits etwas dünner (Wasser trinken empfohlen). Mit einem Fahrstuhl geht’s in wenigen Sekunden 108 Meter durch den Felsen zum spacig auf dem Hügel ruhenden Sphinx-Observatorium – eine nicht öffentlich zugängliche, meteorologische Forschungsstation, die bereits in den 30er-Jahren eingeweiht wurde. Oben auf der Arena streckt der Eisriese – der Aletschgletscher – in imposanter Größe seine weiß belegte Zunge aus.
Eisriese Aletschgletscher
Mit 21 Kilometer Länge, elf Milliarden Tonnen Eis und 900 Meter Eisdicke ist das Unesco-Weltkulturerbe (2001) mit 78,49 Quadratkilometern der größte Eisgletscher der Alpen. Mitten durch den Eigergletscher – mit Europas höchster Karsthöhle – wurde mit dem „Eispalast" ein multimedialer Erlebnis-Rundgang durch die Geschichte der Schweizer Bergwelt angelegt. Vorbei am sagenumwobenen Torwächter „Rollibock", verschnauft man mit dem Almöhi auf dem Bänkli, huldigt der Barbara, Schutzpatronin der Bergsteiger, und flaniert bei -7,9 Grad durch einen Eisskulpturen gesäumten Parcours. Urvater Zeller steht im Gewitter seiner Gedanken auf seiner ersten Bleistift-Entwurfsskizze. Gedenktafeln und historische Fotos lassen tief in die Geschichte der Jungfrauregion blicken, wo das Naturgegebene auch das Menschliche in Bewegung hält. Bald schon bewegen sich unter dem Schneeteppich die frühlingshaften Triebe. Frisches Grün wird sich über die weiten Täler legen. Das Weiß konturiert die Bergbühne des Dreigestirns mit dem Eiger, der wie ein stummer Geschichtenerzähler über dem grindelwaldigen Dorf wacht.