Nach dem Saar-Debakel muss nun aus Sicht der CDU bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 8. Mai ein Sieg her. Aber die CDU tut sich schwer mit einem klaren Kurs.
Das Autohaus Stadac in Norderstedt in Schleswig-Holstein wird von Kamerateams belagert. Dienstagnachmittag vor Ostern, aufgeregte Reporter drängeln um die besten Plätze. Ministerpräsident Daniel Günther ist längst da. So wirklich aufregend ist es dann auch wieder nicht, wenn der Waterkant-CDU-Chef zu einem Wahlkampftermin erscheint. Bis eine schwarze Limousine mit Berliner Kennzeichen vorfährt und sich der bald zwei Meter große CDU-Bundesparteichef aus dem Fond des Wagens schält.
Friedrich Merz zum Landtagswahlkampf in einem Autohaus, eigentlich nicht sein Parkett, doch es geht um alles. Tobias Hans, bis vor Kurzem noch CDU-Ministerpräsidentenkollege von Günther im fast 700 Kilometer südlich gelegenen Saarland, konnte davon vor Wochen nur träumen. Der musste bis auf eine Stippvisite von Merz ziemlich alleine seinen Wahlkampf rocken, was reichlich schiefging. Unterstützung aus der Bundes-CDU gleich null.
Merz will furiosen Sieg in Kiel verbuchen
In Schleswig-Holstein hat Friedrich Merz bereits den Wahlkampfauftakt in Kiel tatkräftig unterstützt. Übrigens auch zu dem Zeitpunkt, als es im Saarland auf den Wahlkampfabschluss zuging. Dass der CDU-Chef nun seinen Parteifreund Daniel Günther von der ersten Minute an tatkräftig unterstützt, hat mindestens zwei Gründe. In Schleswig-Holstein sieht es am 8. Mai gut aus für die CDU. Merz steht lieber mit Gewinnern auf der Bühne, und vielleicht auch gern vor großen Autohäusern. Doch viel wichtiger für Friedrich Merz: Die Bundes-CDU braucht dringend einen Wahlsieg. Deshalb ruht die große Hoffnung auf dem Wahlabend in Kiel am Sonntag den 8. Mai. Ein möglichst furioser Sieg soll es werden.
Seit der deutlich verlorenen Bundestagswahl im September im letzten Jahr liegt ein Grauschleier über der CDU. Die Christdemokraten werden den Verlierer-Nimbus einfach nicht los. Was aber nicht nur an der vergeigten Saar-Wahl Ende März liegt. Auch die Profilierung als Oppositionspartei im Bundestag gestaltet sich schwieriger als gedacht. Das liegt weniger daran, dass Partei- und Fraktionschef im Bundestag Friedrich Merz das Umschalten von Regierungs- auf Oppositionskraft nicht gelungen wäre, ganz im Gegenteil. Doch Pandemie- und nun obendrein Kriegszeiten taugen nicht zu frontalem Oppositionsagieren. Bestes Beispiel dafür ist der von Bundeskanzler Scholz (SPD) ausgerufene „Zeitenwechsel" und die Ankündigung des „100 Milliarden Euro Sondervermögen Bundeswehr". Dafür braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag, ohne die Union gibt es kein Sondervermögen für die Runderneuerung der Truppe. Eigentlich haben CDU/CSU damit kein Problem, es ist eine ihrer Urforderungen, doch sind sie in ihren vergangenen Regierungstagen immer am SPD-Koalitionspartner gescheitert. Nun, als Oppositionsführer, können sie endlich ihr verteidigungspolitisches Leuchtturmprojekt umsetzen. Doch damit unterstützen die 197 Unionsabgeordneten bei Zustimmung den amtierenden SPD-Kanzler. Dieser wiederum kann sich bei dem Vorhaben seiner eigenen Fraktionstruppen keinesfalls ganz sicher sein. Der linke Flügel der SPD und viele Grüne tun sich mit den Rüstungsplänen schwer, wollen womöglich gegen das Sondervermögen stimmen. Regierungschef Scholz ist also in der namentlichen Abstimmung auf Stimmen von CDU/CSU angewiesen. In der haushaltspolitischen Debatte brachte Unions-Fraktionschef Merz dieses Dilemma des Regierungschefs, das aber auch sein eigenes ist, offen zur Sprache. „Wir sind nicht die Ersatzbank der Bundesregierung", so Merz. Bei der Grundgesetzänderung für das Sondervermögen fülle man die Stimmen nur „in der Weise auf, dass dann eine Zwei-Drittel-Mehrheit zustande kommt. Sie werden mit jedem einzelnen Abgeordneten Ihrer Koalition hier Ja sagen müssen", betont Merz im parlamentarischen Rund ungewöhnlich deutlich. Zukünftig braucht es also nicht nur gewiefte Taktiker in der Unions-Bundestagsfraktion, sondern auch gute Rechner vor den Abstimmungen.
Dass die Union im Bundestag nicht zu regierungsnah agiert und so ihre Rolle als Oppositionsführerin verwässert, ist die eine Aufgabe, die andere ist die Abgrenzung zur AfD, neben deren Vertretern die CDU/CSU-Abgeordneten seit dieser Legislatur direkt sitzen müssen. Am Freitag vor Ostern präsentierte Fraktionschef Friedrich Merz in der Bundespressekonferenz eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den ersten Nachtragshaushalt der Bundesregierung über 60 Milliarden Euro. Dabei handelt es sich um eine Kreditermächtigung für coronabedingte Sonderausgaben, die nun mit Zustimmung des Bundestags umgeschichtet werden. Die nicht genutzte Kreditermächtigung aus dem letzten gemeinsamen Haushalt der Großen Koalition soll in den kommenden Jahren für Investitionen in den Klimaschutz genutzt werden. Merz kritisiert: „Dies ist eine einfachgesetzliche Umgehung der Schuldenbremse."
Blamable Vorstellung bei Impfpflicht-Abstimmung
Die Klage ist für die Union in der Außendarstellung politisch schwierig darzustellen, immerhin geht es um zusätzliche Milliarden Euro für den Klimaschutz, dem sich ja auch die Union verschrieben hat. Darum gemahnte Merz auch gleich bei der Vorstellung der Klage, „dies ist keine Klage gegen ausreichende Mittel zur Bewältigung der Klima-Krise." Es geht der Union um die haushälterische Maßnahme; Merz war sichtlich bemüht, nicht den Klima- und Transformationsfonds in Abrede zu stellen, sondern nur das Zustandekommen seiner Finanzierung. Etwas hilflos fordert der Unionsfraktionschef, dass die Mittel für den Klimaschutz über den normalen Haushalt „mobilisiert werden" müssten. Eine knüppelharte Argumentation des Oppositionsführers sieht anders aus. Dazu kommt, dass eine fast identisch lautende Klage eine Woche vorher von der AfD-Bundestagsfraktion in Karlsruhe eingereicht wurde. Nun behauptet die AfD, die Union würde ihrer Partei alles nachmachen, weil sie keinen Plan als Opposition hat. Diese Argumentation wird in der Breite der Debatte nicht verfangen. Aber allein der Umstand, dass die CDU/CSU-Bundestagsfraktion von der AfD in ihre Nähe gerückt wird, wurmt nicht nur die Unions-Parlamentarier, sondern vor allem ihren Chef. Ähnliche Situation nach der für die Bundesregierung mehr als blamablen Vorstellung bei der Abstimmung über die „Impfpflicht für alle ab 60 Jahren": keine Mehrheit. Aber auch das Impfpflicht-Vorsorgegesetz der Unions-Bundestagsfraktion fand keine Mehrheit, die CDU/CSU-Bundestagsabgeordneten haben trotz geheimer Abstimmung ohne Fraktionszwang gegenüber ihrem Fraktionschef Wort gehalten. Auch für die Impfpflicht als Wiedervorlage in einem pandemischen Fall gab es keine Mehrheit. Das Ergebnis: Keine Impfpflicht für niemand in der Breite der Bevölkerung. Doch der Jubel über die krachend gescheiterte Regierung schmeckt den Oppositionsparlamentariern der Union nicht wirklich. Vor allem die AfD jubelte über das Scheitern der Impfpflicht, verbuchte es als ihren Sieg. CDU-Chef Friedrich Merz musste sich nach der Abstimmung im Bundestag viele Fragen bei seinem Wahlkampfauftritt im Autohaus in Norderstedt vor allem von älteren Mitbürgern gefallen lassen, warum die CDU die Impfpflicht der Regierung nicht unterstützt hat. Gerade die über 60-Jährigen, potenziellen Wähler der CDU auch in Schleswig-Holstein, sind mehrheitlich Befürworter der Impfpflicht. Merz argumentierte für seine Begriffe mehr als geduldig die parlamentarischen Finessen im Bundestag, doch das Klein-Klein des parlamentarischen Alltags interessierte die Zuhörer nur mäßig. Sie wollen Ergebnisse sehen. Auch von der Opposition.