Das Wahljahr 2022 geht in die zweite und dritte Runde. In Schleswig-Holstein hat Amtsinhaber Daniel Günther (CDU) gute Karten, in Nordrhein-Westfalen wird es zwischen Thomas Kutschaty (SPD) und dem amtierenden Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU) spannend bis zum Schluss.
Zum Start ins Wahljahr 2022 hat das Saarland eine Überraschungsvorlage geliefert. Der Machtwechsel zugunsten der SPD hatte sich lange angedeutet, die absolute Mehrheit für die Sozialdemokraten mit Spitzenkandidatin Anke Rehlinger war dann aber doch ein Paukenschlag mit langem Nachhall.
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat bei dieser ersten Wahl seiner Amtszeit als Vorsitzender keine gute Figur gemacht. Weil sich die Niederlage des im Saarland bis dahin amtierenden CDU-Ministerpräsidenten Tobias Hans schon länger abzeichnete, wollte Merz offensichtlich allzu engen Kontakt mit dem absehbaren Wahlverlierer vermeiden. Die CDU-Bundeszentrale hatte die Wahl offenbar schon früh abgeschrieben, wie unbedachte Äußerungen belegen.
Bleibt die Frage, was Merz auf Sicht mehr schadet: ein desaströses Landesergebnis oder seine Abstinenz im Wahlkampf? Jedenfalls hat er nach Ansicht nicht weniger in der Partei durch seine Wahlkampfenthaltsamkeit gegen den ehernen Grundsatz verstoßen: „Wir gewinnen gemeinsam, wir verlieren gemeinsam".
Abwärtstrend der CDU
Seither sieht man einen ganz anderen Friedrich Merz dieser Tage auf eifrigen Touren durch Schleswig-Holstein, Seit‘ an Seit‘ mit Parteifreund Daniel Günther, der gute Chancen auf eine weitere Amtszeit hat. Günther geht nicht davon aus, dass der Absturz der CDU im Saarland „irgendeine Auswirkung über das Land hinaus" haben werde. Vermutlich wird auch die Wählerinnen und Wähler im Norden bei ihrer Landtagswahl kaum interessieren, was sich im kleinen Bundesland an der Grenze zu Frankreich abgespielt hat. Allerdings zeigen die Analysen der Saar-Wahl: Neben den hausgemachten Problemen hat die Saar-CDU auch unter einem allgemeinen bundesweiten Abwärtstrend der CDU gelitten. Auch wenn die Union in einzelnen Sonntagsfragen aus eher tagesaktuellen Gründen knapp vor der SPD liege, befinde sich die Partei, analysieren Experten, seit der verlorenen Bundestagswahl in einem Abwärtstrend.
Dass sie gute Chancen bei der Wahl im Norden hat, hängt wesentlich am amtierenden Ministerpräsidenten, der es im Gegensatz zu seinem früheren saarländischen Amtskollegen geschafft hat, sich Ansehen im Land zu verschaffen. Er ist mit noch unter 50 einer, der eine wichtige Rolle beim Erneuerungsprozess der CDU spielen dürfte, erst recht, wenn er nach dem für die CDU vergeigten Jahr 2021 und unglücklichen Start ins Jahr 2022 erstmals wieder eine Wahl gewinnen wird. Und noch mehr, wenn es eine Woche später in Nordrhein-Westfalen für die CDU danebengeht.
Wahlen im bevölkerungsreichsten Bundesland gelten immer schon als so etwas eine „kleine Bundestagswahl". Nicht nur deshalb ist es dort spannend. Es wird auf den letzten Metern noch richtig prickelnd im Duell zwischen Amtsinhaber Hendrik Wüst (CDU) und Thomas Kutschaty (SPD). Wüst hatte das Amt vom gescheiterten CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet erst im vergangenen Jahr übernommen, allerdings relativ schnell Kontur und Bekanntheit erlangt, auch weil er zu dieser Zeit turnusgemäß Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz war. Auch er gehört, wie Daniel Günther, zu der CDU-Generation zwischen 40 und 50, die die Partei in der Nach-Merkel-Ära mit erneuern könnte und müsste. Herausforderer Thomas Kutschaty, Oppositionsführer im Düsseldorfer Landtag, hat die Parteiführung im Land vor etwas mehr als einem Jahr in schwieriger Zeit übernommen. Jetzt liefert er sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem Amtsinhaber, zuletzt hatte die SPD in Umfragen sogar die Nase vorn. Hier war im Wahlkampf der SPD durchaus ein gewisser Aufwind nach der Saarland-Wahl zu sehen. Zudem hat der Rücktritt von CDU-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser in der Wahlkampf-Endphase eine neue Wendung gebracht. Für die CDU in NRW und ihren Bundesvorsitzenden muss deshalb ein Sieg in Schleswig-Holstein her, um nochmal etwas Drive für die NRW-Wahl eine Woche später zu bekommen.
Realitätstest für die Grünen
Was eine Niederlage in Nordrhein-Westfalen für Friedrich Merz bedeuten würde, lässt sich ahnen. In der gesamten CDU würde aber mit großer Wahrscheinlichkeit die bislang eher mühsam nach außen verdeckte innere Diskussion an Vehemenz und Heftigkeit zunehmen. In Berlin ist die Fraktion noch auf der Suche nach einem klaren Profil in der Opposition, und als Partei steht die CDU allenfalls erst am Anfang einer grundlegenden Neuorientierung.
Spannend werden die Wahlen aber auch für die kleineren Koalitionspartner der Berliner Ampel. Insbesondere FDP-Chef Christian Lindner wird mit einiger Sorge auf die beiden Wahlsonntage blicken. Sicherlich war sein ursprüngliches Kalkül, mit einer Fortsetzung von Schwarz-Gelb in Nordrhein-Westfalen und Regierungsbeteiligung in „Jamaika" im Norden alle Optionen für die Liberalen nach der Berliner Ampel offenzuhalten. In dem Maß aber, in dem das Agieren der liberalen Minister im Bund auf Unverständnis bis Kritik stößt, schrumpfen auch die Umfragewerte für die FDP in den Ländern. Im Saarland haben sie mit 4,8 Prozent erneut den Einzug in den Landtag verpasst, in NRW könnte es so ausgehen, dass die Liberalen nicht für eine Regierungsbildung gebraucht werden, ein ähnliches Bild gibt es in Schleswig-Holstein. Christian Lindner, ohnehin nicht unumstritten, dürfte dann ein Problem bekommen.
Für die Grünen haben die Umfragen in beiden Ländern zuletzt einen Zuwachs ausgewiesen, sicher auch in Folge der Regierungsbeteiligung in Berlin. Ob und wie sich der Rücktritt der Grünen Bundesfamilienministerin Anne Spiegel auswirkt, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfasst.
Der Vollständigkeit halber: Die Linke spielt in beiden Bundesländern ohnehin keine Rolle, die AfD krebst an der Fünf-Prozent-Grenze.
Die Wahl im Saarland hat bereits Bewegung in die bundespolitische Landschaft gebracht. Die Farbenlehre der politischen Landkarte könnte Ende Mai nach den beiden weiteren Landtagswahlen nochmal ganz anders aussehen. Die CDU hat viel zu verlieren, die SPD hat einiges zu gewinnen, für die FDP geht es darum, wie stabil die Partei nach der Bundestagswahl ist, und für die Grünen ist es auch ein Realitätstest, wie sich Regierungshandeln auswirkt, das in Zeiten des Krieges Krisenmanagement statt reiner Lehre erfordert.