Die Suche nach einer Nachfolgerin für Anne Spiegel hat sich für die Grünen schwierig gestaltet. Es musste eine Frau vom linken Parteiflügel sein. Am Ende wurde Lisa Paus als neue Bundesfamilienministerin auserkoren.
Parteivorstand der Grünen war die Erleichterung sichtlich ins Gesicht geschrieben: Innerhalb von nicht mal drei Tagen hatte man nach dem Rücktritt von Bundesfamilienministern Anne Spiegel eine Nachfolgerin ausgewählt. Lisa Paus soll der zum Schluss ihrer nicht mal viermonatigen Amtszeit mehr als unglücklich agierenden Spiegel folgen. Dass die 53-Jährige aus Berlin als Bundesfamilienministerin nachfolgen soll, hat zwar sicher mit ihrer Ambition im Bereich Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu tun, aber eben auch mit der parteiinternen grünen Quote. Lisa Paus ist Diplom-Volkswirtin und in ihrer politischen Arbeit in Haushaltsrecht, Finanzen, Steuergerechtigkeit und Arbeit zu Hause. In der letzten Legislaturperiode war sie finanzpolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Sie war stellvertretendes Mitglied im Haushaltausschuss und im Ausschuss für Arbeit und Soziales.
Doch das spielte bei der parteiinternen Auswahl keine zentrale Rolle, die Grünen haben klare Quotenvorgaben, und bei der Neubesetzung ging es darum, eine Frau vom linken Flügel der Partei zu finden. Kurzfristig wurde im Bundesvorstand der Grünen darüber nachgedacht, die Quote jetzt einfach mal außen vor zu lassen, doch damit hätte man gegen die klare Frauen-Männer Parität im Kabinett verstoßen, die Kanzler Scholz schon im Wahlkampf versprochen hatte. Damit musste auf die ausgeschiedene Ministerin eben wieder eine Frau nachfolgen. Damit hatte der ehemalige Fraktionschef im Bundestag, Toni Hofreiter, erneut das Nachsehen.
Längst wird auch bei den Grünen das Quoten-Dogma kritisch gesehen. Das ehemalige Vorstandsmitglied Jamila Schäfer warnte bereits vor zwei Jahren im FORUM, dass die Quote nicht zum Dogma werden darf, da dies leicht qualifiziertem Personal zum Nachteil gereichen könnte. Zu diesem Zeitpunkt konnte die heute 29-Jährige nicht ahnen, welche verheerenden Auswirkungen die Quote in ihrer Partei anrichten kann. Im vergangenen Jahr zerlegte sich der saarländische Landesverband im Streit darüber derart, dass die saarländischen Grünen keine Landesliste zur Bundestagswahl zustande brachten und sich als Nachwirkung des innerparteilichen Streits auch im Landtagswahlkampf schwer taten – und schließlich knapp scheiterten.
Es ging um den Listenplatz 1
für die Bundestagwahl im vergangenen September. Der ist immer einer Frau vorbehalten. Dreimal trat die damalige grüne Saarchefin Tina Schöpfer an und bekam dreimal keine Mehrheit. Daraufhin beschloss die Versammlung, den Listenplatz 1 nun auch für Männer zu öffnen. Der saarländische grüne Altvordere Hubert Ulrich wurde mit über zwei Drittel gewählt – und der Eklat war perfekt.
Doch nicht nur die Grünen als Partei haben mit der Quote im Zweifelsfall so ihre Probleme. Als letzte Volkspartei ist nun auch die CDU auf die Idee gekommen, bei der Kandidatenaufstellung Frauen und Männer gleich zu behandeln. Doch das Projekt gestaltet sich schwierig. Auf drei Bundesparteitagen wurde die Quote als Vorschlag auf den Weg gebracht. Doch die CDU hat ein Problem der besonderen Art: Der Anteil ihrer weiblichen Parteimitglieder liegt bei knapp 27 Prozent. Wie soll ein männlich dominierter Parteiapparat dann in spätestens drei Jahren 50 Prozent seiner Führungsposten mit Frauen besetzen, wenn diese nicht mal ein Drittel der Gesamtpartei ausmachen? Weiteres Argument gegen eine Frauenquote bei den Christdemokraten: Die CDU ist als einzige Partei Deutschlands über zwanzig Jahre am Stück von Frauen geführt worden. Erst Angela Merkel, dann Annegret Kramp-Karrenbauer, bringt es der hessische CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch gegenüber FORUM auf den Punkt. „Die CDU ist in der Führung seit beinahe zwei Jahrzehnten weiblich". Willsch spielt damit auch auf das Kanzleramt an, das vom sogenannten „Girls-Camp" geleitet wurde. CDU-Frauen haben diese Republik in leitenden Funktionen 16 Jahre lang geführt. Im Übrigen gehört auch die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu den zitierten Beispielen.
Willsch steht mit seiner Meinung in der Bundestagsfraktion der Union nicht allein, da nur 23,5 Prozent der Fraktionsmitglieder Frauen sind. Wie sollen da gerecht die Posten verteilt werden?
Frauenquote auch bei Frauen umstritten
Auch in der FDP steht man einer Frauenquote kritisch gegenüber. Auffällig im Gegensatz zur CDU, wo sich gerade Ex-Ministerin Julia Klöckner für eine Quote stark gemacht hat, ist, dass es bei den Liberalen ausgerechnet die Frauen in der Partei sind, die lautstark gegen eine Quote auf ihren Parteitagen votiert haben, wenn die Debatte überhaupt aufkam. Das ehemalige FDP-Vorstandsmitglied Katja Suding zeigt sich in ihrer Position gegenüber FORUM unbeirrt: „Ich will nicht aufgrund meines Geschlechts in Vorstandspositionen gewählt werden, sondern wegen meiner Qualifikation". Katja Suding hat sich unterdessen aus dem liberalen Parteigeschäft vollständig zurückgezogen.
In der SPD gibt es bereits seit 1988 eine Geschlechterquote von 40 Prozent. SPD-Co-Chef Lars Klingbeil ist zuversichtlich, dass die in den kommenden Jahren auf 50 Prozent gesteigert werden kann. Doch eine Initiative für den nächsten Parteitag dazu steht derzeit nicht auf der SPD-Agenda. Kein Wunder: 33 Prozent der SPD-Mitglieder sind weiblich, eine 50/50-Parität könnte bei den Sozialdemokraten bei der Besetzung von Posten zu ähnlichen Problemen führen wie bei der CDU.
Dass es mit einer Frauenquote nicht so einfach ist, musste auch das Land Brandenburg erfahren. Dort verabschiedete der Landtag das Paritätsgesetz. Demnach sollten alle antretenden Parteien bei den zukünftigen Landtagswahlen alle Listenplätze 50/50 vergeben. Doch das Verfassungsgericht Brandenburg kassierte diesen Landtagsbeschluss gleich wieder. In der Urteilbegründung wurde das grundsätzliche Problem solch einer Quotenregelung offenbar. Zwar ist es ein schönes Ziel, dass man versucht, im Parlamente alle Bevölkerungsschichten durch die gewählten Vertreter gleichberechtigt abzubilden, doch dem steht das Parteiengesetz im Weg. In der Urteilbegründung stellen die Brandenburger Verfassungsrichter fest: Es sei ihre grundlegende Aufgabe, unter anderem durch Aufstellung von Kandidaten und Kandidatenlisten zu den Landtagswahlen, die Offenheit des Willensbildungsprozesses vom Volk hin zu den Staatsorganen zu gewährleisten. Dieser Prozess müsse frei von inhaltlicher staatlicher Einflussnahme bleiben. Durch das Paritätsgesetz entziehe der Gesetzgeber dem demokratischen Willensbildungsprozess einen wesentlichen Teil, indem er auf die Zusammensetzung der Listen Einfluss nehme. Die Vorgabe der paritätischen Listenbesetzung könne faktisch den Ausschluss der Aufstellung bestimmter Bewerberinnen und Bewerber zur Folge haben. Bei Parteien, die ein sehr unausgewogenes Geschlechterverhältnis haben, könnte sie zudem zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Aufstellung abwechselnd besetzter Listen führen. Das habe Einfluss auf die Chancen der Parteien bei der Wahl. Außerdem verwische die Pflicht zur Aufstellung abwechselnd besetzter Listen die Unterschiede in den Parteiprogrammen. Geklagt gegen das Paritätsgesetz in Brandenburg hatten NPD und AfD. Parteien, die klar von Männern dominiert sind. Die Bundestagsfraktion der AfD hat den niedrigsten Frauenanteil von gerade mal elf Prozent.
Die Argumente Für und Wider Frauenquote sind längst ausgetauscht, praktische Erfahrungen mit Vor-und Nachteilen gemacht, sie bleibt aber weiter ein Dauerthema in der politischen Diskussion.