Impfkampagnen sind weltweit ins Stocken geraten. Erst fehlte ausreichend Impfstoff, jetzt fehlen Impfwillige. In Deutschland wird die Zahl täglicher Impfungen immer überschaubarer.
es ist ruhig geworden um Covax und Gavi. Zu Unrecht. Die beiden Kürzel stehen für ein globales Engagement der besonderen Art und teilen dabei das Schicksal vieler globaler humanitärer Initiativen, was die öffentliche Aufmerksamkeit betrifft. Solange die Arbeit funktioniert und läuft, interessiert sich kaum jemand dafür – außer den Betroffenen. Aber wenn eine Krise für Schlagzeilen sorgt oder es irgendwo hakt, wird man wieder aufmerksam.
So unlängst, als die Meldung die Runde machte, dass Covax Mühe habe, 300 Millionen Impfdosen zu verteilen. Was nicht wie zu Beginn der Initiative für die weltweite Nutzung von Impfstoffen etwa an mangelnder Infrastruktur lag, vielmehr hatte das Angebot die Nachfrage deutlich überschritten. Das war Anfang Februar der Fall.
Covax ist eine der Antworten auf die Pandemie. Covid-19 Vaccines Global Access, so der ausführliche Name, ist eine der Säulen, auf denen die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ihren globalen Kampf gegen die Pandemie aufgebaut hat. Ziel ist eine globale Versorgung mit Impfstoffen, damit Menschen in allen Teilen der Welt unabhängig von finanziellen Situationen Zugang zu Impfungen haben.
Globale Zurückhaltung
Es war eine Antwort zu Beginn der Pandemie, als absehbar war, dass zwar Impfstoffe in einem bislang einzigartigen Tempo entwickelt und zugelassen würden, aber naturgemäß die Produktion dazu erst einmal auf ein Niveau hochfahren musste, das ebenfalls in dieser Art bislang ohne Vorbild war. Dann trat ein, was absehbar war. Die ersten knappen und damit auch teuren Impfstoffe sicherten sich Staaten, die sich das einerseits finanziell leisten konnten, die aber auch vergleichsweise schnell eine Infrastruktur für eine breit angelegte Impfkampagne aufbauen konnten.
Covax hatte sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, weltweit im Jahr 2021 rund zwei Milliarden Dosen Impfstoff zu besorgen und fair zu verteilen. Auch ärmere Länder sollten in die Lage versetzt werden, mindestens die am meisten gefährdeten 20 Prozent ihrer Bevölkerung zu impfen. In einem ersten Schritt sollte vor allem medizinisches Personal, Ärzte und Pfleger in Afrika versorgt werden, damit sie nicht bei der weiteren Versorgung der Bevölkerung ausfallen. Covax war für Länder mit niedrigem und mittlerem Bruttoinlandsprodukt der einzige Weg, um an ausreichend Impfstoff für die Bevölkerung zu kommen. Bilaterale Geschäfte mit Herstellern, also direkten Einkauf, konnten sie sich schlicht nicht leisten. Bis Ende 2021 hatten sich über 180 Länder beteiligt, somit das Recht, Impfstoffe über Gavi zu erhalten.
Gavi ist eine weltweite Impf-Allianz, gegründet im Jahr 2000 als öffentlich-private Partnerschaft. Mitglieder sind Regierungen von Industrienationen, die WHO, Unicef, Weltbank, Bill & Melinda Gates Foundation, NGOs (Nichtregierungsorganisationen), sowie Impfstoffhersteller, Gesundheits- und Forschungseinrichtungen. Ziel war und ist vor allem, Kinder weltweit gegen lebensbedrohliche Krankheiten zu impfen.
Das Engagement, Impfungen in allen Teilen der Welt voranzutreiben, hatte einerseits humanitäre Gründe. Dahinter stand aber auch die Erkenntnis, dass die Pandemie nur dann in den Griff zu bekommen ist, wenn sich nicht immer wieder neue Wellen aus kaum geschützten Regionen ausbreiten. WHO und Gesundheitsexperten warnen: Bei nur langsamen Impffortschritten in ärmeren Ländern habe das Virus größere Chancen, weiter zu mutieren und neue Varianten zu bilden, deren Gefährlichkeit kaum vorauszusagen ist.
Zu den maßgeblichen Finanziers und Unterstützern von Covax gehört die EU und insbesondere Deutschland. Mit Zusagen in Milliardenhöhe war Deutschland größtes Geberland, spendete zudem Millionen Impfdosen. Ende 2021 war das Ziel von 100 Millionen nur knapp verfehlt worden, rund 92 Millionen waren es nach Angaben des Auswärtigen Amtes, bis Ende dieses Jahres sollen es insgesamt 175 Millionen werden.
Natürlich verliefen die globalen Verteilaktionen nicht ohne Reibungsverluste. Kritik gab es etwa daran, dass schon mal Kontingente von Impfdosen gespendet wurden, die knapp vor Ablauf des Haltbarkeitsdatum waren. Die jetzt stockende Entwicklung erklären Experten unter anderem damit, dass nach wie vor gerade in wärmeren Regionen Lücken in den Kühlketten nicht geschlossen seien und Vertriebsnetze für eine breite Verteilung mangels Geld nicht ausreichend aufgebaut seien. Das lief schließlich selbst in reichen Nationen mit guten Infrastrukturen nicht von Anfang an reibungslos, umso schwieriger also in anderen Regionen.
In einem Punkt teilen sich aber auch die Erfahrungen: Überall auf der Welt gibt es Impfskeptiker und Impfgegner. Das ist kein Privileg reicher Industrienationen. Entsprechend werden weitere Impffortschritte weltweit ausgebremst.
Die Zahl der Impfungen steigt auch in Deutschland nur noch in einem überschaubaren Maß. So wurden am Stichtag 21. April laut RKI-Impfdashboard gerade mal 27.000 Impfdosen verabreicht. Zum Vergleich: Auf dem Höhepunkt der dritten Welle wurde Mitte Dezember vergangenen Jahres an einem Tag 1,5 Millionen Dosen verimpft, Ende Januar waren es noch um die 500.000, vor vier Wochen deutlich über 100.000 an einem Tag.
Immer noch viele unentschlossen
Fast ein Viertel (23,4 Prozent) der Bevölkerung in Deutschland hat nach wie vor keine Impfung erhalten. Abzüglich der Kinder, für die noch keine Impfung zugelassen ist, beträgt der Anteil der Ungeimpften immer noch knapp ein Fünftel. Immerhin ist dieser Anteil leicht rückläufig. Waren es Anfang Januar noch über 21 Millionen, ist deren Zahl jetzt unter 20 gesunken (19,4 Millionen, Stand 22. April).
Regelmäßig versucht das RKI mit einem sogenannten Impfquoten-Monitoring, hinter die statistischen Zahlen zu schauen, mehr über Impfbereitschaft und Akzeptanz, aber auch mögliche Barrieren für eine Impfung zu erfahren. Natürlich auch, um Maßnahmen zu ergreifen, um die Akzeptanz und Bereitschaft zu erhöhen.
Der im April veröffentlichte 10. Covimo-Report dazu bestätigt Eindrücke, die sich im Alltag beobachten lassen. Hatten beispielsweise viele darauf gehofft, das mit dem jetzt zugelassenen Nuvaxovid, also einem „traditionellen" Impfstoff, die Bereitschaft zur Impfung bei denen steige, die die neuartigen mRNA-Impfstoffe skeptisch sehen, hat sich nicht bestätigt. Der Report stellt fest, dass es keine erkennbaren Unterschiede in der Impfbereitschaft gibt, aber immerhin eine höhere Zahl von Menschen zumindest noch unentschlossen gegenüber dieser Möglichkeit steht.
Das Wissen über die Impfung ist – auch nach über einem Jahr und millionenfachen Impfungen hierzulande – so, dass nach wie vor viel Unsicherheit besteht. Klassische Impfmythen sind immer noch genauso verbreitet wie Mythen gegenüber den aktuell angewandten Impfstoffen, und je mehr sich Menschen zur Impfung gedrängt fühlen, umso eher bleiben sie ungeimpft.
Gleichzeitig bestätigt der Report eine steigende Impfbereitschaft, wenn die Überzeugung wächst, mit einer Impfung Freiheit zurückerlangen zu können.
Das mag jetzt, wo so gut wie alle einschränkenden Maßnahmen aufgehoben sind, vermutlich nicht mehr so recht überzeugen. Die permanenten Warnungen nicht nur von Gesundheitsminister Karl Lauterbach, sondern auch von vielen Experten, vor neuen Mutationen und einer erneut schwierigen Situation im kommenden Herbst haben in dieser Situation, in der auch die Omikron-Welle vermutlich ihren Zenit überschritten hat, keine allzu großen Chancen, Gehör zu finden.
Das alles erinnert ein wenig an das Frühjahr letzten Jahres. Die Situationen sind in vielen Punkten natürlich nicht vergleichbar. In einem Punkt gibt es allerdings eine Konstante: Das Corona-Virus existiert weiter und bildet damit ständig neue Mutationen. Damit bleibt eine latente Gefahr, dass sich neue Varianten durchsetzen und auch aufgrund der globalen Situation weltweit verbreiten. Dass darunter auch eine sein könnte, die gefährlicher ist als Omikron und frühere Varianten, kann niemand ernsthaft ausschließen.