Begegnungen mit Büchermenschen

„Sie war eine sehr stille, sehr liebevolle Frau"

Für „Schaumschwimmerin" hat der Saarlouiser Autor Andreas Drescher Erinnerungen seiner Großmutter aufgezeichnet.

Herr Drescher, als Grundlage für Ihr neues Werk „Schaumschwimmerin" dient das Leben Ihrer Großmutter, die 1995 gestorben ist. Welche Erinnerungen haben Sie an sie?

Nur die allerbesten. Sie war eine sehr stille, sehr liebevolle Frau. Nach dem Tod meines Großvaters erst sind ihre eigenen Erinnerungen förmlich aus ihr herausgebrochen. Meine Aufzeichnungen dazu sind die Grundlage zu „Schaumschwimmerin" geworden. Diese und meine eigenen Erinnerungen, wie etwa die, wie selbstverständlich sie, wenn ich als Kind bei ihr schlief, durch ihre Anwesenheit die „Johannisangst" vertrieb, wie man die kindliche Angst vor der Nacht zu ihrer Zeit noch nannte. Auch ist mir die Ruhe, mit der sie die Unverschämtheiten meines Großvaters, den ich in „Kohlenhund" näher beschrieben habe, nicht nur wegzustecken, sondern geradezu aufzuheben wusste, noch sehr präsent. Wollte ich alle Erinnerungen wiedergeben, würde ich die „Schaumschwimmerin" hier noch einmal erzählen müssen.

Mit Ihren Romanen wollen Sie nicht unterhalten, sondern vielmehr eine Fusion zwischen Leser und Autor schaffen. Wie kann dies gelingen?

Wenn meine Romane unterhalten, so bin ich gerne damit einverstanden. Das Wichtigste ist mir aber tatsächlich der Versuch einer Fusion, wie ich sie selbst als Leser von Autoren erfahren habe, die mir wichtig geworden sind, wie etwa Nelly Sachs oder Willam Faulkner. Grundlage ist zunächst das, was ich „offensive Ehrlichkeit" nenne, das heißt, mein eigenes Erleben gründlich zu erforschen und eine angemessene Sprache dafür zu finden. Dann versuche ich eine Fusion meiner selbst mit meinen Figuren. Beim Schreiben meines ersten Romans „Kohlenhund" zum Beispiel bemerkte ich eines Tages, dass ich mich so lange mit der Figur, die aus meinem Großvater geworden ist, beschäftigt hatte, dass es mir gelungen ist, Träume für sie zu erfinden, also gewissermaßen an Stelle meines Großvaters zu träumen. Nun sehe ich meine Bücher als Einladung an den Leser, mir in diese Fusion zu folgen und an ihr teilzunehmen, indem sie ihr eigenes Erleben in die sprachlichen Formeln gießen, die ich ihnen in meinen Büchern anbiete.

„Die Schaumschwimmerin" ist der zweite Teil Ihres Velten-Grün-Zyklus. Wem wird der dritte Teil gewidmet sein?

Der dritte Teil des Velten-Grün-Zyklus trägt den Namen „Nusshaus" und wird meiner Großtante gewidmet sein, der Schwester der „Schaumschwimmerin", die bei mir so etwas wie die Rolle einer „adoptierten Großmutter" eingenommen hat. Wie viele Teile der Velten-Grün-Zyklus darüber hinaus haben wird, ist noch nicht ganz klar. Jedoch sind schon jetzt der vierte und fünfte Teil recht gut gediehen und es wird noch weitere geben. Wichtig ist mir dabei, dass die Romane so viel Eigenständigkeit bewahren, dass sie in beliebiger Reihenfolge gelesen werden können. Interview: Katharina Rolshausen

Buchtipp

Schaumschwimmerin

Andreas Drescher

Edition Abel, Saarlouis

212 Seiten, ISBN 978-3982073514

19,90 Euro

Lesung „Schaumschwimmerin", Donnerstag, 12. Mai, 19 Uhr, Buchhandlung Balzert, Pickardstraße 31, 66346 Püttlingen

Eintritt: acht Euro

„Das Stachelige und das Weiche"

Die Münchener Autorin Katharina Adler schreibt über komplexe Frauenfiguren, auch in ihrem aktuellen Roman „Iglhaut".

Frau Adler, wie würden Sie Iglhaut, die Protagonistin Ihres gleichnamigen Romans, beschreiben?

Es ist kein Zufall, dass meine Hauptfigur den Nachnamen Iglhaut trägt. Das Stachelige und das Weiche sind darin ja schon angelegt. Aber natürlich hat diese Iglhaut noch mehr Facetten als das. Sie ist pragmatisch und kindisch, hat ihren eigenen Kopf und schafft es trotzdem nur selten einen Gefallen abzuschlagen. Die Iglhaut mag ihre selbstbestimmte Einsamkeit und Ruhe, doch lange währt die selten und schon wieder rauscht jemand dazwischen.

Sie verbinden kleine, scheinbar banale Alltagserlebnisse von Iglhaut mit größeren Themen und anderen Schicksalen …

Ja, wichtig ist das kleine Wort „scheinbar". Denn es ist eine Frage der Perspektive, ob ein Alltag wirklich so banal ist. Ich glaube, dass die großen Aufgaben unserer Existenz, wie Wertschätzung zu empfinden, Menschen zu lieben, Solidarität zu zeigen und einen Sinn im Leben zu sehen, sich oft im Alltäglichen, in vermeintlich kleinen Dingen entscheiden.

Bereits Ihr Vorgängerroman – und erfolgreiches Erstlingswerk – „Ida", der von Ihrer Urgroßmutter handelt, die als Sigmund Freuds berühmte Patientin Dora in die Geschichte der Psychoanalyse einging, erzählt von einer außergewöhnlichen Frau. Wer wird im Zentrum Ihres nächsten Romans stehen?

Auf jeden Fall wird es wieder eine komplexe Frauenfigur sein. Das ist es, was mich interessiert, und auch wenn es viele ganz großartige Frauenfiguren in Romanen gibt, haben männliche Protagonisten in der Literatur schon wesentlich mehr Erzählzeit gewidmet bekommen. Hier mit den Frauen nachzuziehen, dazu möchte ich auch ganz bewusst beitragen mit meinem Schreiben. Interview: Katharina Rolshausen

Buchtipp

Iglhaut

Katharina Adler

Rowohlt Verlag, Hamburg

288 Seiten, ISBN 978-3498002565

23 Euro

Lesung „Iglhaut" Freitag, 13. Mai, 19 Uhr, Veranstalter Gollenstein Buchhandlung, Orangerie Blieskastel, Am Schloss, 66440 Blieskastel

Eintritt: zehn Euro