Friedrich II. hätte es wohl geschmeckt: Florian Glauert und Team setzen im neuen Restaurant „Heritage" im „Hotel Luc" am Gendarmenmarkt allabendlich überraschende kulinarische Akzente.
An Erbschaften kann einer schwer zu tragen haben. An so einer großen wie der preußischen und friderizianischen Tradition allemal. Doch das ist im neu eröffneten „Hotel Luc" und seinem Abendrestaurant „Heritage" nicht zu befürchten. Das Vermächtnis Friedrichs II. und seiner Zeit ist stringent, aber zwanglos in Preußischblau, in Gestalt von Kartoffeln und den raumgreifenden Fotografien von András Dobi überall eingestreut. „Luc" war der Spitzname Friedrichs II. für seine Freunde, und ebenso vertraut fühlen wir uns gleich mit dem klaren wie gemütlichen Ambiente und der Küche im „Heritage" Restaurant. Küchenchef Florian Glauert macht es mit frischer, zeitgenössischer und international akzentuierter Küche zu einer Anlaufstelle am Gendarmenmarkt.
Lohnenswerte Frühstückskarte
Es gilt die Devise: Keine Angst vor großen Königen und Hotelrestaurants! Wo tagsüber bis 15 Uhr die beeindruckenden À-la-Carte-Frühstücke im „Luc" serviert werden, steht ab 18 Uhr Casual Dining auf der Karte vom „Heritage". Die Frühstücke lohnen in jedem Fall: Teller wie die „Ocean Bowl" mit ihrem Spirulina-Meer, Cashews, Bananen, Datteln und Kokos oder der „Kartoffelbefehl", eine knusprig aufgefächerte Ofenkartoffel mit Sauerrahm und Wildkräutersalat, kommen leicht, hübsch und originell daher, ohne je „gesund" zu schmecken. Sie waren eine Überraschung bei einem ersten Tasting tagsüber und sind in jedem Fall einen eigenen Besuch wert.
Am Abend wechselt der Gastraum seinen Namen und bietet sieben „Firsts", drei „Inbetweens" und sieben „Mains" auf der Karte. Besonders spannend: die „Add Ons" mit italienisch bedeckten Flatbreads, Meatballs und „Heritage Fries" mit Parmesan und Trüffelcreme. Fünf ausgewachsene Meatballs springen uns von einer kleinen Kupferkasserolle erst heiß auf die Teller und dann geradezu in den Mund. Bei uns findet sich die Version „Classic" mit Tomatensoße und einem Rosmarin-Crumble als Zwischengang ein – eine Empfehlung von Anne Zielke vom Service, die uns an diesem Abend fachkundig und gut gelaunt umsorgt.
„Surf and Turf" mit Hummersoße und Basilikum-Crumble und das Modell „Black Truffle" mit Trüffelsoße und Nussbutter-Crumble sind die Alternativen. Sämtliche Fleischklöpse dürften sich auch als Kleinigkeit zu einem Glas Wein nach einem Konzerthaus- oder Opernbesuch sehr gut machen. Das „Heritage" bietet bei wärmeren Temperaturen mit Terrassenplätzen unter Arkaden den Blick aufs Konzerthaus und den Französischen Dom gegenüber. Restaurant und Bar sind täglich bis 23 Uhr geöffnet und an der Ecke Französische Straße unabhängig vom Hotel betretbar.
Obwohl es erst Ende Februar eröffnet hat, startete das Restaurant mit dem kompletten Angebot und tadellosem sowie herzlichem Service. Gute Stimmung allerorts, wie wir bei unserem Besuch im „Heritage" feststellen. So auch bei Restaurantleiter Kader Traore. Er ist zufrieden damit, dass für den Anfang schon jeden Abend im Schnitt 20 bis 30 der insgesamt knapp 100 Plätze im Innenraum besetzt sind. „Wir haben 90 Prozent Außengäste. Samstags kommen die Leute, die in der Gegend wohnen." Besser könnte es nicht sein, zumal Tourismus und Geschäftsreisen erst wieder anlaufen. Besonderer Beliebtheit für Familienfeiern oder diskrete Besprechungen bei einem guten Essen erfreut sich der offen oder geschlossen nutzbare Clubraum. Am Abend unseres Besuches feierte eine Familie im kleineren Kreis darin.
Kleiner Salat filigran angerichtet
Darauf ein Glas vom „Heritage"-Grauburgunder für die begleitende Freundin und eines vom „Sparkling Tea Blå" von Copenhagen Company für mich! Eine Cuvée aus 13 Jasmin-, Weißen und Darjeeling-Tees prickelt mit Jasmin-, Zitrus- und Kamillennoten ins Glas – welch eine erfreuliche, sanfte Entdeckung. So macht Trinken ohne Promille High-Level-Spaß. Ein echter Pluspunkt nicht nur zum Anstoßen, sondern auch als Essensbegleitung und fürs Wiederkommen. Der „Heritage"-Grauburgunder sei in Kooperation mit Franz Keller exklusiv entstanden, verrät Anne Zielke. „Den gibt es nur im Berliner und im Hamburger ‚Heritage‘". Das „Heritage" und das „Hotel Luc" gehören zu den Autograph Collection Hotels.
Das spiegelt sich in der Karte, etwa bei den Desserts, wider: „Heritage gibt nur den Namen vor", sagt Executive Souschef Henry Zimmermann. „Die Gerichte können frei interpretiert werden." So wurde aus dem „I hate Chocolate"-Dessert ein Kulfi-Eis mit Safran, Kardamom und Rosenwasser. Ein Schiffchen Kent-Mango aus Südflorida und ein Tuff-Kokos-Espuma mit Baiser-Scherben und Rosenblütenpuder begleiten es frühlingshaft-fruchtig. Schöne Grüße an die Pâtisserièren Nadine Eisenstein und Jule Wojcicka, die mit einem Mini-Florentiner, einem Erdbeer-Rhabarber-Macaron und einem Mini-Apple-Crumble plus Espresso als „Café Gourmet" dem Fotografen gebührend den Abschied versüßten.
Doch zurück zum Anfang! Die Zitate der großen weiten Welt auf der Karte und ihre Berliner Interpretationen machen neugierig. Wir lassen uns von einem bunten Kränzlein, geflochten aus Ringelbete, gelben, roten und lila Tomaten sowie Rucola auf den Frühling einstimmen. Passionsfrucht versteckt sich in diesem „Rainbow Salad" unter Büffelmozzarella-Stücken; eine Spirulina-Creme setzt beinah preußischblaue Akzente. Ein filigran angerichteter Teller für diejenigen, die mit „nur einem kleinen Salat" liebäugeln. Sie bekommen eine überraschende Variante – so wie Vieles mit unerwarteten Abzweigen und Interpretationen aufwartet.
Der „NY Shrimp Cocktail" ist eine unübersehbare Reminiszenz an die Krabbencocktails der Sixties. Gedämpfte Garnelen baumeln mit ihren Schwänzen über dem Rand eines Cocktailglases. Das Innere ist schließlich bereits mit einem kleinen grünen Salat, angemacht mit dem Hausdressing auf Weißweinessig-Basis, gefüllt. Eine Mary-Rose-Soße, die elegante Schwester der Cocktailsoße, sowie ein Meerrettich-Ketchup werden in Extraschälchen am Fuße des Glases serviert. „Nachmachen!", findet die Freundin. „Meerrettich in Ketchup reiben, das merke ich mir." Ebenso notwendig wie charmant sind die gerollten feuchten Tücher daneben, die das Finger-Säubern auf ein hotelwürdig hohes Level heben.
Einstimmig Platz eins belegt in der ersten Runde das „Vatar Heritage". Alles ist drin, dabei und drumherum, um ein Tatar-Erlebnis vollgültig vegetarisch zu zelebrieren. Der mehr ins Cremige als ins Stückige gehende Mix aus Jackfruit, Rote Bete und Kapern wird um eine rauchige Paprikacreme, Senfsaat-Häufchen, angeröstete Brot-Chips, pochiertes Ei und Wildkräuter ergänzt. Ein beglückend rundes Geschmackserlebnis aus Säure, Pikanterie, Salz und gemüsiger Süße. „Es ist bei unseren Gästen sehr beliebt", verrät uns Anne Zielke. „Da sind wir doch gern Mainstream", sagt die kulinarische Freundin.
Im Zweifelsfall die fancy Variante wählen
Auf der Karte wird gern mit dem verneinenden Imperativ gearbeitet – was so aussieht, soll bitteschön nicht Schokolade oder Schnitzel genannt werden. Also nehmen wir die gebratene Weißkohlscheibe mit Wiener Panier mit Preiselbeeren und Kräutern wie sie in Begleitung einer kernbremsend benetzten Zitrone kommt. We do not call it Schnitzel! Auf dem sprichwörtlichen Extrateller wird der zugehörige Gurken-Kartoffelsalat gereicht. Was den Veggie-Klassikfreunden das Nicht-Schnitzel sein mag, ist den Fleischfreunden das „Sizzling Entrecôte Heritage" mit Trüffel- und Parmesan-Pommes, Sauce Béarnaise und Trüffel-Mayonnaise.
Für uns brutzelte eine Scheibe vom Black Angus Rind nach dem Medium-Grillen in brauner Butter. Saftig und mit schönen Fettstreifen durchzogen möchten wir bei diesem schmelzigen Steak schmatzen vor Wohlbehagen. Das uns dazu servierte Selleriepüree weicht nun saisongemäß dem Spargel. „Wir werden etwa alle zwei bis drei Monate wechseln und noch mehr in die Veggie-Richtung gehen", sagt Henry Zimmermann. „Tagliolini halb-halb" mit Kohlrabi, Spitzmorcheln, Belper Knolle und Haselnuss beispielsweise stehen schon in der Warteposition für die neue Karte. Wer beim Entrecôte ein bisschen tiefer in die Noblesse-Kiste und ins Portemonnaie greifen möchte, wählt alternativ Wagyu- oder Kobe-Rind. Ein pochierter Klassiker vom Rind wiederum ist ein Filet, das sich auf einem Miso-Jus sowie mit einem Strich einer weißen Reis- und einer dunkleren Tahinpaste auf dem Teller präsentiert. Klassik goes Far East: Ein Edamame-Pakchoi-Gemüsemix kommt als asiatisch inspirierte Gemüse-Beilage ebenfalls ausgesprochen gut dazu.
Die Teller im „Heritage" sind vom Anspruch, den Produkten und der Zubereitung her notwendigerweise im mittelhohen Preissegment angesiedelt. Die Veggies unter den Hauptgerichten beginnen bei 26 Euro, Fisch- und Fleischgerichte bei 34 und 42 Euro. Das Entrecôte vom Kobe-Rind landet mit flotten 198 Euro an der Spitze der Preisskala. Die „Firsts", die ebenso wie die „Add Ons" als kleines spätabendliches Gericht zum Wein oder Drink funktionieren, kosten ab zwölf Euro. Dafür gibt’s feine und originelle Teller, die erfreuen und nicht langweilen, obwohl sie auch einem konservativeren Gaumen Gutes zu bieten haben.
Mein Tipp: Beim Service nachfragen, wenn etwas zu wild kombiniert erscheint oder kein Bild eines fertigen Gerichtes vor dem inneren Auge entstehen will. Im Zweifelsfall die fancy klingende Variante wählen! Wann macht schließlich Essen mehr Spaß als wenn es neue Kombinationen oder Aromen bietet? Florian Glauert, Henry Zimmermann und das Team garantieren mit Können und Kreativität dafür, dass kein Unfug, sondern gebührendes Pläsir im „Luc"’schen Sinne dabei herauskommt.