Trotz Kritik bleibt die Bundesregierung bei ihrem Vorhaben: Das Rentenpaket II soll das Rentenniveau langfristig stabilisieren. Noch in diesem Jahr sollen die ersten Bundesmilliarden in einen Aktienfonds fließen, der helfen soll, das deutsche Rentensystem zu modernisieren.
Es wäre eine deutliche Veränderung im deutschen Rentensystem: Umlagefinanziert bleibt es, jedoch soll ein Teil der Rente dann aus einem Aktienfonds kommen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will bis zum Jahresende langfristige Weichen für die Zukunft der Rente in Deutschland stellen. „Wir werden mit dem Rentenpaket II noch in diesem Jahr zwei zentrale rentenpolitische Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umsetzen", so Heil gegenüber der Presse. „Erstens: Wir sorgen dafür, dass das Rentenniveau stabil bei 48 Prozent bleibt, und zwar langfristig. Und zweitens: Wir stellen die Finanzierung der Rente auf eine breite Basis mit dem Aufbau eines Kapitalstocks." Das Rentenpaket I wurde bereits vor Ostern vom Kabinett verabschiedet. Damit würden die Erwerbsminderungsrenten auch für die Menschen verbessert, die diese schon länger beziehen.
SPD, Grüne und FDP hatten in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, sie wollten das Mindestrentenniveau von 48 Prozent „dauerhaft sichern". Das Rentenniveau drückt das Verhältnis der Rente zu den Löhnen und somit die Absicherungskraft der Rente für die Rentnerinnen und Rentner aus. Rentenkürzungen oder eine Anhebung des Renteneintrittsalters schlossen die Ampelpartner aus. Stattdessen versprachen sie, für die Rentenkasse neues Kapital anzusparen – als dauerhaften Fonds, professionell verwaltet und global angelegt. Ein Kapitalstock von zehn Milliarden Euro aus Haushaltsmitteln soll 2022 der erste Schritt sein.
Der stellvertretende FDP-Parteichef Johannes Vogel sagte, das Projekt sei unverändert zentral. „Wir müssen alle unsere großen Herausforderungen annehmen und Lösungen finden, auch für ein generationengerechtes System der Altersvorsorge." Langfristige Stabilität im Rentensystem erreiche man mit Blick auf die Demografie nur durch strukturelle Reformen. „Deshalb ist der Einstieg in eine Aktienrente so wichtig."
Auf die Koalitionspläne hatte es gemischte Reaktionen gegeben. Die Deutsche Rentenversicherung hatte auf den begrenzten Umfang der geplanten Kapitalbildung hingewiesen. „Klar ist, dass zehn Milliarden Euro ein Beitrag sind, der die Finanzierung der Rentenversicherung nur in einer kleinen Weise flankieren kann. Wir haben einen jährlichen Haushalt von 340 Milliarden Euro", so DRV-Präsidentin Gundula Roßbach.
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger hatte vor der Umsetzung des Plans eines langfristigen Rentenniveaus von 48 Prozent gewarnt. Dann drohen nach Dulgers Einschätzung höhere Beiträge oder mehr Steuersubventionen. Bereits derzeit fließen mehr als 100 Milliarden Euro vom Bund in die Rentenkasse.
Laut Heil gehe es vor allem darum, das Rentenniveau über 2025 hinaus stabil zu halten. Denn dann gingen die geburtenstarken Jahrgänge in Rente, eine deutliche Belastung des ohnehin schon strapazierten deutschen Rentensystems. Flankiert werden müsse diese Maßnahme jedoch auch durch eine „hohe Erwerbsbeteiligung und eine angemessene Lohnentwicklung".
Heute sind die geburtenstärksten Jahrgänge im Alter zwischen 55 und 60 – und somit oft noch mitten im Arbeitsleben. 2035 sind die stärksten Jahrgänge um die 70 Jahre alt – und zählen dann in der Regel zu den Empfängern von Überweisungen aus der Rentenkasse.
Ökonomen fordern Kapital auch von Arbeitnehmern
Allzu breit, wie Heil verspricht, wird die neue Basis der Aktienrente mit nur drei Prozent des Rentenvolumens in Deutschland kaum werden. Nach jener Anschubfinanzierung aus der Steuerkasse benötige ein solcher Fonds in 40 Jahren ein Vermögen von 860 Milliarden Euro, rechneten Ökonomen des Instituts für Wirtschaft in Köln nach – bei drei Prozent Rendite. Sie schlagen vor, die Arbeitnehmer als Kapitalgeber zu beteiligen, und zwar so rasch, dass auch die geburtenstarken Jahrgänge noch darin investieren würden, die das deutsche Rentensystem in Zukunft ohnehin stark beanspruchen werden. Denn eine ständige Erweiterung des staatlichen Fonds auf Pump könnte die Bonität des Bundes im internationalen Geldmarkt gefährden.
Für eine Aktienrente gibt es bereits erfolgreiche Vorbilder in Europa. Der AP7-Fonds in Schweden mit einem Anlagevermögen von derzeit umgerechnet 85 Milliarden Euro beispielsweise. In Schweden zahlen seit 22 Jahren Arbeitnehmer 2,5 Prozent von insgesamt 18,5 Prozent Rentenbeiträgen in einen Kapitalmarktfonds ein, der Rest verbleibt im umlagefinanzierten Basissystem. In welche Produkte er investiert, entscheidet der Arbeitnehmer selbst. Wer sich nicht entscheidet, dessen Geld landet automatisch im staatlichen AP7-Fonds, der seither mit einer Rendite von durchschnittlich 16 Prozent jährlich außerordentlich gut performt. Für den Fonds zahlen die Schweden kaum Gebühren, gerade mal 0,1 Prozent Verwaltungskosten fallen für sie an. Zum Vergleich: Riesterverträge in Deutschland erreichen oft Verwaltungskosten von 30 Prozent und mehr.
Die weniger glänzende Seite des Systems: In Schweden steigt das Rentenalter automatisch an. Wer früher in Rente gehen möchte, muss deutlich mehr Abschläge in Kauf nehmen als in Deutschland. Das skandinavische Land leidet aber auch nicht wie Deutschland unter einer geschwächten Geburtenrate, die dazu führt, dass immer weniger sozialversicherungspflichtig Beschäftigte immer mehr Rentnerinnen und Rentner finanzieren müssen.
Dass die Aktienrente noch in diesem Jahr in Deutschland aufgelegt wird, ist bereits sicher. Die eingangs veranschlagten zehn Milliarden Euro aus Bundesmitteln sollen erst einmal jährlich fließen, zusätzlich sollen die erwirtschafteten Gewinne in den Fonds reinvestiert werden. Verwalten soll ihn die Bundesbank. Ob irgendwann auch Beitragszahler am Kapitalstock des Fonds beteiligt werden, steht noch nicht fest. Eine Umstellung des deutschen Rentensystems aber könnte dauern – vielleicht Jahrzehnte.
Dass die bisherige private Riesterrente vor dem Aus steht, ist jedoch bereits sicher. Erste Anbieter wie die Sparkassen-Tochter Deka stellen das Geschäft mit Neuverträgen bereits ein – Zeitenwende auch bei der Rente.