Mit vielen neuen Gesichtern startet die neue Legislaturperiode im Saarland. Damhat Sisamci (SPD) ist eins von diesen. Gespräch über einen gelingenden Strukturwandel und mehr Bildungsgerechtigkeit.
Herr Sisamci, wie erklären Sie sich den enormen Erfolg der SPD bei der Landtagswahl?
Ich glaube, wir haben zum einen inhaltlich auf die richtigen Themen gesetzt, um den zukünftigen Herausforderungen im Saarland zu begegnen, und auch auf das richtige Personal. Mit Anke Rehlinger haben wir die beste Spitzenkandidatin aufgestellt, die wie keine Zweite für das steht, was die Menschen im Saarland bewegt. Zum Beispiel mehr Arbeitsplätze, ohne dabei die schon bestehenden Jobs zu gefährden und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass wir im Saarland ökologischer werden. Aber eben mit einer Ökologie, die dazu führt, dass auch neue Arbeitsplätze entstehen können.
Neue Arbeitsplätze ist ein gutes Stichwort. Würden Sie sagen, dass der Industriestandort Saarland bedroht ist?
Bedroht nicht, aber er steht vor ganz maßgeblichen Herausforderungen. Gerade die saarländischen Großbetriebe, unter anderem Saarstahl, ZF, Ford oder Dillinger, stehen vor großen Transformationen, die es jetzt zu meistern gilt. Und auch, wenn der Trend in Richtung Elektroauto geht, hängen wir in unserem Bundesland derzeit noch sehr stark vom Verbrenner ab. Uns muss allen klar sein, dass ein solcher Wandel nicht von heute auf morgen passiert und dass die Sicherheit der bestehenden Arbeitsplätze vom Automobilhersteller über den Zulieferer bis zur Bäckerei am Werksgelände immer eine hohe Priorität haben muss.
Sie kommen da als Industrie-Gewerkschafter aus der Praxis: Wo sehen Sie die besten Hebel für die Politik, um diesen Wandel sinnvoll zu begleiten und vielleicht sogar die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts zu erhöhen?
Anke Rehlinger macht das meiner Einschätzung nach schon jetzt sehr gut, da sie konsequent auf Neuansiedlungen setzt. Nobilia ist ein Beispiel, SVolt ein anderes. Gleichzeitig hat sich Anke Rehlinger immer dafür stark gemacht, dass die Hybrid-Technologie, die im Saarland beispielsweise in der Getriebe-Herstellung vorangetrieben wird, weiter gefördert und mit Subventionen unterstützt wird. Das ist für den Wirtschaftsstandort in seiner Bedeutung unglaublich wichtig. Dazu kommen Unterstützungsangebote auf dem Weg zu grünem Stahl, also Stahl aus CO2-neutraler-Produktion. Das ist entscheidend, und wir müssen diesen Weg gehen. Aber das geht nicht zum Nulltarif. Da brauchen wir Unterstützung aus Berlin und Brüssel. Das sind meiner Meinung nach aktuell die größten Herausforderungen, vor denen wir stehen, um Arbeitsplätze zu sichern.
Die Ansiedelung von SVolt läuft nicht ganz konfliktfrei. Das Spannungsfeld ökologischer Wandel gegen wirtschaftliche Interessen ist dabei auch für Ihre Partei von Interesse. Wie passt das zusammen?
SVolt ist eine Riesenchance, damit das Saarland beim Thema Mobilität der Zukunft künftig in der ersten Liga spielt. Diese Ankeransiedlung ist ein wichtiger Schritt in Richtung Transformation unserer Industrie und kann auch weitere Folgeansiedlungen ermöglichen. Deshalb ist SVolt immens wichtig für uns. Klar, es gibt kritische Debatten und die müssen natürlich über den demokratischen Weg, also zum Beispiel über die Einbindung der Gemeinderäte, geführt werden. Am Ende muss schließlich aber eine Grundsatzentscheidung stehen, die dann für alle verbindlich ist. Erst kürzlich wurden die Gutachten zu dem Werk mit weit über 1.000 Seiten veröffentlicht, die grundsätzlich sagen, dass der Neuansiedelung des Batteriewerks nichts entgegensteht.
Die chinesische Ansiedelung könnte gerade vor dem Hintergrund, dass Ford vielleicht nicht im Saarland bleibt, relevant werden. Sehen Sie da noch Hoffnung?
Das Saarland hat immer zu Ford gestanden, jetzt muss auch Ford zum Saarland stehen. Die Landesregierung hat alles Menschenmögliche getan, damit Ford in Saarlouis bleibt. Ford ist für unseren Wirtschaftsstandort unglaublich wichtig, nicht nur für die Beschäftigten des Werks und ihre Familien, sondern den ganzen Zuliefererpark, den Supplier Park. In Summe sind das über 7.000 Arbeitsplätze. Deshalb müssen wir alle zusammen dafür kämpfen, damit Ford im Saarland bleibt.
Abseits der Industriepolitik: Welche politischen Themen liegen Ihnen außerdem am Herzen?
Ich will Punkte aus meiner Lebenserfahrung mit einbringen. Klar, ich bin mit 28 Jahren verhältnismäßig jung, aber ich arbeite seit über zehn Jahren in der Privatwirtschaft bei ZF und bin dort aktuell Betriebsrat. Gerade was Arbeitnehmerthemen angeht, kenne ich mich also gut aus. Ich möchte deshalb eine starke Stimme für alle abhängig Beschäftigten sein, genau wie für meine Heimatstadt Ottweiler. Ein anderes Thema, dass mir aufgrund eigener Erfahrungen sehr am Herzen liegt, ist Chancengleichheit. Ich selbst habe früher erst mal einen Hauptschulabschluss gemacht, auch wenn es lange Zeit nicht danach ausgesehen hat, dass ich diesen überhaupt hinbekomme. Ich habe dabei gelernt, wie wichtig es ist, dass alle Menschen dieselben Chancen bekommen und zwar unabhängig vom Geldbeutel und Netzwerk der Eltern. Alle Menschen sollten danach gemessen werden, was sie einbringen, wie fleißig sie sind und was sie können.
Also Bildungspolitik.
Auch im Bildungsbereich, klar. Eines unserer Kernthemen war ja auch die beitragsfreie Kita. Die halte ich für sehr bedeutend, auch für gelingende Integration. Es ist enorm wichtig, dass Kinder aus Familien mit anderem kulturellen Hintergrund und einer anderen Muttersprache von frühkindlicher Bildung profitieren. Das darf nicht an den finanziellen Möglichkeiten der Eltern scheitern.
Gebührenfreie Kitas und die Förderung der Industrie sind nicht billig. Woher soll Ihrer Meinung nach das Geld im armen Saarland kommen?
Klar ist: Wir werden uns auch in Zukunft nicht alles leisten können, was wir gern hätten. Genauso klar ist aber auch, dass Investitionen in die Bildung und die Arbeitsplätze der Zukunft unbedingt getätigt werden müssen. Deshalb trägt auch der Bund Verantwortung, etwa bei der Entschuldung der Kommunen, aber auch mit Blick auf die Weiterentwicklung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Ich bin überzeugt, dass das Saarland hier mit Anke Rehlinger und dem neuen Finanzminister Jakob von Weizsäcker nicht nur einiges an politischem Gewicht in die Waagschale werfen kann, sondern darüber hinaus auch die richtigen Argumente auf der Seite hat.
Die SPD-Fraktion im Saarland ist jetzt die jüngste in der Bundesrepublik. Mit was für einem Gefühl gehen Sie als einer von den jungen Abgeordneten an dieses neue Amt? Ist das in der aktuellen Situation nicht eine sehr große Herausforderung?
Auf jeden Fall. Ich persönlich gehe sehr demütig an diese neue Aufgabe. Es ist eine riesige Herausforderung, die Interessen der Saarländerinnen und Saarländer im Landtag zu vertreten. Trotzdem fühle ich mich dem gewachsen, sonst hätte ich mich nicht aufstellen lassen.