Die eindeutige Siegerin der Landtagswahl im Saarland hat die Regierungsgeschäfte übernommen. In ihrer ersten Erklärung als Ministerpräsidentin hat Anke Rehlinger (SPD) eine klare Agenda vorgestellt. Die CDU ist nach der Niederlage auf Orientierungssuche.
Die ersten Tage waren Umzug und Neueinrichtung gewidmet. Für einige in der neuen Regierung war es ein größerer Akt mit dem Wechsel aus dem Parlament dorthin, für andere ein Übergang zu neuen Aufgaben. Dass Anke Rehlinger in der Staatskanzlei längst angekommen ist, war bereits zwei Tage nach dem Amtseid in der Regierungszentrale unübersehbar. Ob die großen Gemälde aus der Zeit ihres Vorgängers dauerhaft im Amtszimmer der Ministerpräsidentin an ihrem Platz bleiben, ist offen. Das sei, sagt die neue Chefin, für sie keine prioritäre Entscheidung für die ersten Amtstage. Die sind eher geprägt von viel Kommunikation.
Zunächst in ihrer ersten Regierungserklärung als Ministerpräsidentin, in der sie noch einmal entlang des Wahlprogramms, das die SPD selbstbewusst bereits als „Regierungsprogramm" gekennzeichnet hatte, die Prioritäten ihrer Politik klar sortierte. Und es gab viele Gespräche auch mit Journalisten, um die eine oder andere Frage insbesondere im Zusammenhang mit der Bildung ihres Kabinetts einzuordnen und zu erläutern.
Die großen Linien stehen, grundlegende Vorentscheidungen sind getroffen, anderes wird sich im Umsetzungsverlauf noch sortieren.
Die neue Regierungschefin ist um eine Balance bemüht. Einerseits ist da die große Ernsthaftigkeit angesichts der Herausforderungen, den ohnehin bekannten, und denen, die beispielsweise in Folge des Krieges nur schwer abzuschätzen sind. Auf der anderen Seite eine optimistisch-anpackende Zuversicht, die schon ihre Arbeit als Wirtschaftsministerin geprägt hat.
Der Wahlsieg mit einem überragenden Wählervotum beflügelt natürlich. Aber Rehlinger weiß auch um die hohen Erwartungen, die damit verknüpft sind, im Land selbst, aber auch darüber hinaus. Sie steht seit dem 27. März in einem neuen öffentlichen Fokus als einzige Ministerpräsidentin in Deutschland, die eine Alleinregierung einer Partei führt.
Hoffnung auf frischen Wind
Die Erwartungen im Land verknüpfen sich mit der Hoffnung auf frischen Wind. Zehn Jahre GroKo waren in den ersten Jahren, als das Land angesichts von Schuldenbremse und Neuverhandlungen des Länderfinanzausgleichs um seine Existenz kämpfen musste, eine notwendige und gute Konstellation. In den letzten Jahren hatte aber die Kritik an einer gewissen Zähigkeit zugenommen.
Die CDU, die seit 1999 die Landesregierung in unterschiedlichen Konstellationen angeführt hat, war inhaltlich erkennbar ausgezehrt. Nach der desaströsen Wahlniederlage steht die Suche nach neuer Orientierung erst am Anfang. Die ersten Versuche in der ungewohnten Oppositionsrolle waren wenig überzeugend. Es ist allerdings durchaus eine Herausforderung der besonderen Art. Zehn Jahre lang hat man – nach beidseitigem Bekunden – vertrauensvoll und ordentlich mit der SPD zusammengearbeitet. Was die neue Ministerpräsidentin als Programm vorgelegt hat, waren im Wesentlichen Positionen, für die sie sich bereits in der gemeinsamen Regierungszeit eingesetzt hat. Dazu jetzt eine klare Oppositionsrolle zu finden, war sicher nicht in der ersten Aussprache zur Regierungserklärung zu erwarten. Zumal die CDU-Fraktion noch einen gewissen Vorläufigkeitsstatus hat. Wenn Ende Mai wie geplant ein neuer Parteichef (derzeit ist kein Bewerber in Sicht) gewählt ist, soll der dann auch nach überwiegendem Bekunden den Fraktionsvorsitz übernehmen, womit der jetzige Fraktionschef praktisch ein Interims-Oppositionsführer ist.
Überhaupt wird noch spannend zu sehen sein, wie sich der neue Landtag verstehen und präsentieren wird.
Die CDU muss, wie beschrieben, erst einmal für sich selbst Orientierung finden. Von der dreiköpfigen AfD-Fraktion wird kaum erwartet, dass sie eine ernsthafte parlamentarische Rolle übernimmt.
Wie sich die große SPD-Fraktion, die sehr jung und sehr weiblich aufgestellt ist, positionieren wird, ist in der Tat eine spannende Frage. Dass sie nur mehr oder minder brav die Regierungsarbeit mitträgt, ist jedenfalls kaum zu erwarten. Von dieser noch sehr frischen Fraktion könnten Impulse ausgehen, einmal in Richtung Regierungshandeln, vielleicht aber auch in die Arbeit des Landtags selbst, gemeinsam mit der neuen Landtagspräsidentin.
Die Reaktionen auf Kabinettsbildung und die ersten Regierungstage blieben recht überschaubar. Die Erwartungshaltungen an die neue Regierung waren bereits ausführlich nach dem klaren Ergebnis formuliert worden. Rehlinger hatte zuvor einen Wahlkampf geführt, der stark an das berühmte „Sie kennen mich" erinnert, gestützt auf ihre lange Regierungserfahrung als Wirtschaftsministerin. Nicht nur in den Unternehmen weiß man folglich, was von der neuen Regierungschefin zu erwarten ist.
Trotzdem ist es jetzt eine andere Herausforderung, eine andere Verantwortung – und eine neue Situation, die der Bundeskanzler als „Zeitenwende" beschrieben hat. Eine Situation mit zusätzlichen Unbekannten, die einerseits die Bedingungen für die Landespolitik von außen verändern, andererseits, wie in allen Phasen des Umbruchs, Gestaltungsräume lässt. Risiken und Chancen liegen da eng beieinander. Immerhin kann sich Anke Rehlinger dabei auf einen gehörigen Vertrauensvorschuss stützen. Dass das auch eine Bürde sein kann, davon ist bei ihr jedenfalls in den ersten Tagen in neuer Verantwortung nichts zu spüren. Da überwiegt eine sichtbare Freude, jetzt endlich anpacken zu können.