Die Liebhaber ausgewählter Blatttees würden dem sofort zustimmen. Alle anderen können sich beim erstmalig erschienenen „t-Magazin“ in die neue Teekultur einlesen oder sich durch eine „Try Tee Box“ durchprobieren und selbst entscheiden, ob die feinen Aufgüsse aus kleinen Tassen ihr Ding sind.
Wieder so ein Ding, von dem ich gedacht hätte, dass es das nicht gibt – ein Magazin für Tee-Liebhaber und solche, die es werden wollen. Doch so war es. Bis Anfang April „t – Das Magazin für Teekultur“ auf den deutschen Markt kam. Die Idee existierte schon länger im Kopf des Gründers, Teetrinkers und Magazin-Journalisten Olaf Tarmas: „Auf einer Reise nach Taiwan vor zehn Jahren hatte ich mein Erweckungserlebnis. Ich habe erlebt, wie komplex, tiefgründig und weit zurückreichend die Teekultur dort ist.“
Weitere Reisen mit den „Tea Addicts“, Importeuren handverlesener Jahrgangstees, folgten. „Es gab aber ein Element, das noch fehlte: Corona. Alle Aufträge wurden abgesagt“, sagt der freiberufliche Journalist, der für seine Reportagen weltweit unterwegs war. Die Idee mit dem Teemagazin trat wieder in den Vordergrund. Er gründete es und wurde Chefredakteur. Alexander Ludwig und Bertram Weiß schlossen sich als Berater und als Textchef an; Katja Kleinebrecht kam als Art-Direktorin hinzu. Sie verpasste dem „t-Magazin“ den professionellen Look, der sich auch im kleineren Format nicht hinter Special-Interest-Magazinen wie etwa der „Effilee“ verstecken muss.
„Wir stehen für eine neue Teekultur, aber wir sind kein Nischenmagazin für Nerds“, betont Tarmas. „Wir richten uns an alle, die sich für Tee interessieren, aber vielleicht noch nicht wissen, was das alles ausmacht.“ Mit 2.500 Exemplaren und 14 Sponsoren aus der Szene ging das „t-Magazin“ an den Start, darunter die „Teekampagne“ und die „Tea Addicts“ als „Förderer der ersten Stunde“. Vorerst ist die „First-Flush-Ausgabe“ in Berlin bei „KOS-tea“ im Prenzlauer Berg oder bei „Bohea Teehandlung“ im Friedrichshain erhältlich. Das Heft kann aber auch über die Magazin-Website für 6,20 Euro plus Versandkosten bestellt werden.
Wissenswertes rund ums Thema Tee
Die von Tarmas liebevoll als „kleines t“ bezeichnete Ausgabe setzt auf 52 Seiten Akzente bei leichteren, sommertauglicheren Tees wie den grünen oder erfrischenden Cold Brews. Das umfangreichere „große t“ soll im Herbst folgen und sich den „etwas gemütlicheren Tees“, so Tarmas, widmen. Der erste Artikel im Heft weist den Weg zur „neuen Teekultur“. Tarmas stellt junge Teehändler vor, die die Jahrhunderte alten Traditionen, Sorten und Zubereitungsweisen nun nach Deutschland bringen. Kwok Ying von Beuningen etwa, die auf dem Cover bei der Zubereitung eines Grüntees handmodelt, führt ihr eigenes Label „Die Kunst des Tees“ und lässt im „Oukan Dining“ mit ihrer Teebegleitung zum Casual Dining aufmerken. Bertram Weiß stellt in seinem Artikel „Frühlingserwachen“ acht Tees „für den ersten Sonnenschein“ vor. Er tauchte mit Jürgen Pitschel von den „Tea Addicts“ und Nicole Krapat in die Welt der Sencha-Tees ein.
Ob die Stammkundin der „Tea Addicts“ auch im „C*Space“ in Weißensee bei der Präsentation des Magazins war? Nicht unwahrscheinlich. Der Coworking Space und Kulturraum in der Langhansstraße ist schließlich Heimat des Pop-Up Teahouses „Tea Learning Room“. Wenzhou Liu von „Liu Tea Art“ zelebrierte vor Ort in aller Ruhe die Zubereitung ihrer chinesischen Tees, die sie in einem eigenen Teegarten in den Wudang-Bergen anbaut. Olaf Tarmas portraitierte sie fürs „t-Magazin“. Markus Hastenpflug von „Keiko“ zeigte, wie er Grüntee-Blätter in seiner Matcha-Mühle pulverisiert. Tee-Kennerin Nicole Klauß zelebrierte mit Omas Goldrandkanne und Tassen mit „Ostfriesenrose“-Muster eine Ostfriesentee-Zeremonie mit einer abendlich sehr bekömmlichen, entkoffeiniertem Schwarztee-Mischung, Kandis und Sahne-Wölkchen vom familieneigenen Rahmlöffel.
In einem über und über mit chinesischen Schriftzeichen geschmückten Raum im dritten Stock genossen wir parallel zum Gespräch mit den Magazin-Machern einen gelben Tee aus Yunnan, den Yunhui Ma einschenkte. Noten von Honig steigen mir in die Nase, doch der Tee bleibt im Mund ganz zart und blumig. So kann Tee sein? So ganz anders als die dunkle Supermarktware oder gar Staub in Beutelchen? Die japanischen, chinesischen und taiwanesischen Ganzblatt-Tees, die mehrfach aufgegossen werden können, bieten die entsprechende Qualität.
„Guter Tee ist nicht undurchsichtig“, sagt Nicole Klauß. Zu Staub zermahlene Blätter bieten viel Oberfläche; der Tee blutet regelrecht aus. Hochwertige Blatt-Tees dagegen geben ihre Inhaltsstoffe nach und nach ab. Jeder Aufguss schmeckt ein bisschen anders; meist sind der zweite und dritte am intensivsten. Getrunken wird in kleinen Portionen. „In sieben Schritten zum Teeglück“ beschreiben Jonas Schindler und Olaf Tarmas im „t-Magazin“ solch eine chinesische Gong-Fu-Cha-Zubereitung. Es gibt sogar Tees, die bis zu 20-mal aufgegossen werden können – so wie jener Pu Er, den Nicole Klauß gern zu Hause trinkt.
Der wäre für die „Try Tee Box“, die Klauß gemeinsam mit Jörn Gutowski von „Try Foods“ konzipierte, dann „doch zu verrückt“ gewesen, wie sie sagt. In fünf Tüten à zehn Gramm ermöglicht die Box für 21,90 Euro eine Querschnittsverkostung. Ein gut gemachtes Faltblatt navigiert durch eine sinnvolle Probier-Reihenfolge – vom chinesischen weißen Pu Er Bai Ya über einen grünen japanischen und einen grünen chinesischen Tee bis zu einem taiwanesischen Oolong und einem indischen Darjeeling Muse 2nd Flush. Hilfreich für Einsteiger ist das Aromen-Rad zur Einordnung: Duftet oder schmeckt der Tee eher blumig oder pflanzlich? Eher holzig und ledrig oder nussig?
Aus zehn Gramm Blättern kann ganz schön viel Tee entstehen: Alle Sorten sind mindestens zweimal aufgießbar; die Ziehzeiten für jeden Aufguss sind angegeben. Ein 62-seitiges Booklet bietet Informationen ohne zu überfordern: über Tradition und Geschichte des Tees sowie über die fünf einzelnen Sorten und ihre Zubereitung. Wer weiß schon, dass sämtliche Tees von einer Pflanze, Camellia sinensis, stammen? Eine schöne Anekdote ist die zum „Oriental Beauty“ aus dem taiwanesischen Nantou: Die Teebauern entdeckten, dass ihre Pflanzen von Heuschrecken angeknabbert wurden. Überraschenderweise tut das dem Tee gut. Die Blätter oxidieren durch die Bisse bereits am Strauch. Die Pflanze schickt aromatische Abwehrstoffe in die Blätter, die Menschen als wohlschmeckend wahrnehmen – bei diesem Oolong als Pfirsich-, Zitronen- und Honig-Noten.
Wer keine Waage hat, nimmt einen Teelöffel zum Abmessen. Statt gefiltertem Wasser tut es auch ein stilles aus der Flasche. Der Life Hack für alle ohne gradgenau einstellbaren Wasserkocher: In einer Kanne mit geöffnetem Deckel stehen lassen. In 30 Sekunden geht’s von 100 auf 95 Grad Celsius, in fünf Minuten auf 90, in zehn auf 80 und in 20 Minuten auf 70 Grad.
Orientierungshilfe bei der Tee-Reise
Ich brauche gleich beim ersten weißen Tee einen zweiten Anlauf: In meiner Aufgeregtheit habe ich die Seiten über den chinesischen grünen Pu Er Bai Ya aus Yunnan überschlagen. Ich bitte die mitprobierenden Freundinnen eine Minute Ziehzeit für den Kabusecha zu stoppen. Statt der benötigten drei. Kein Wunder, dass uns der weiße Tee aus Astknospen arg transparent und wässrig vorkommt. In der korrekten Zeit klappts mit den Aromen: „Duftet nach Kamille“, meint Freundin eins. „Ist sogar ein bisschen ledrig“, finde ich. Unsere spontane „Tee-Superzunge“, Freundin zwei, findet ihn eine Spur süß im Mund, „aber er bleibt sehr dezent“.
Beim grünen Kabusecha Daikoku aus dem japanischen Shizuoka dagegen haben wir zuerst „Gemüsebrühe“ in der Nase. „Der schmeckt auch so“, meint Freundin eins. „Er wird im Abgang sogar noch intensiver.“ Der grüne Long Jin oder Imperial Dragon aus Zhejiang in China startet ebenfalls gemüsig, „ist aber sanfter im Abgang“, meint Freundin zwei. „Er ist von vorne bis hinten einheitlicher im Geschmack.“ Spannend! Wir machen einiges im besten, neugierigen Sinne von „Try Foods“-Inhaber Jörn Gutowski richtig. „Ich möchte, dass man die Scheu verliert und nicht mehr denkt: Oh, Tee ist ja so kompliziert.“
Geschmack sei eine individuelle und multisinnliche Erfahrung, zu der die eigene Stimmungslage und die Gesamtatmosphäre maßgeblich beitrügen. „Ich kann die Werkzeuge mitgeben, dass jeder seinen eigenen Weg findet. Ich nähere mich den Dingen in denselben Schuhen wie ein Konsument, der nicht Experte ist.“ Das gelingt mit der „Try Tee Box“ und macht Lust aufs Wiederkommen: Von Whiskey über Salz und Schokolade bis zu Ölen und einer Bier-Blindverkostung reicht das Spektrum. 15 Sets brachte der neugierige, koch- und probierfreudige Gründer von „Try Foods“ seit 2013 an den Start: „Ich nehme mir viel Zeit für jedes Thema.“
Das passt bestens zum Tee. Das „t-Magazin“ und die „Try Tee Box“ geben beide auf ihre Art Anregungen und Orientierungshilfe bei der Entdeckungsreise zu den „Blättern, die die Welt bedeuten“, wie es im „t-Magazin“ so schön formuliert ist und wie es mindestens die Tee-Freaks unterstreichen würden.