Deutschland kann kurzfristig Energie sparen, wenn es rasch von russischem Öl und Gas unabhängig werden will. Dennoch steigen erst einmal die Preise, der Wegfall der EEG-Umlage ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Sparen, sparen, sparen, predigt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Die Energieabhängigkeit von Russland macht Deutschland angreifbar, und bis sie endet, gehen vermutlich noch Monate, wenn nicht sogar Jahre ins Land. Als Verbraucher bleibt nichts weiter als der Empfehlung Habecks zu folgen – auch beim Strom. Denn Krieg und Corona-Folgen treiben die Inflation, die Rate liegt derzeit nach Angaben des Statistischen Bundesamtes Destatis bei 7,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, Tendenz steigend. Gleiches gilt für die Verbraucherpreise für Strom, die gegenüber dem Vorjahresmonat um 39,2 Prozent gestiegen sind.
Das Strompreisportal Verivox berechnete den Preisanstieg zwischen 2021 und 2022. Demnach müsste der deutsche Modellhaushalt, der 4.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr verbraucht, in diesem Jahr 1.626 Euro zahlen. 2021 zahlte er noch für die gleiche Menge 1.229 Euro. Der durchschnittliche Kilowattstunden-Preis in Deutschland stieg um 32 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dieser Preisanstieg befeuert einerseits die wieder anspringende Konjunktur nach den mageren Corona-Jahren – die Wirtschaft verbraucht wieder mehr Energie, etwa Gas oder Strom, für ihre Produktion. Da der Strom- und der Gaspreis aneinandergekoppelt sind und Strom zum Teil mithilfe von Erdgas produziert wird, steigen beide Preise.
An der Börse wird der Strompreis angelehnt an die Kosten der teuersten Herstellungsart gehandelt – und dies ist nun mal derzeit Gas. Der Krieg in der Ukraine mit allen Konsequenzen aus Sanktionen und Befürchtungen über Erdgas-Embargos befeuert diese Preisspirale weiter. Hinzu kommen verteuerte Netzengelte, also das Geld für den Transport von Strom. Diese Entgelte finanzieren unter anderem den Ausbau neuer Stromtrassen für erneuerbare Energien.
EEG: Kaum Effekt auf Jahreskosten
Nun hat die Bundesregierung Gegenmaßnahmen beschlossen. Dazu gehören Entlastungszahlungen, aber auch das Abschaffen der EEG-Umlage zum 1. Juli. Damit finanzierte Deutschland bislang die Energiewende hin zu erneuerbaren Energien. Das Rechenexempel aber zeigt, dass die Abschaffung der Umlage kaum einen Effekt auf den derzeitigen Preisanstieg haben wird.
Neben der EEG-Umlage gehören Steuern, Abgaben, Infrastruktur-Umlagen und Vertriebskosten zu den Bestandteilen des Strompreises. Bislang betrug die Umlage 3,72 Cent pro Kilowattstunde. Sprich, ein Modellhaushalt zahlte pro Jahr 148,80 Euro an EEG-Umlage. Der eklatante Preisanstieg aber schlägt mit im Durchschnitt 397 Euro pro Jahr und Haushalt zu Buche.
Unter normalen Umständen würde die Absenkung der EEG-Umlage den Strompreis senken, wenn die Preissenkungen an die Verbraucher weitergegeben werden, sagte die Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. „Allerdings haben sich die Strompreise an der Börse durch steigende Kohle-, Gas- und CO2-Preise erhöht, fossile Energien machen den Strom teuer."
Stromunternehmen würden diese Preissteigerung überproportional weitergeben, sodass die Absenkung der EEG-Umlage lediglich zu einer weniger starken Strompreissteigerung führen werde, so Kemfert. Nur ein schnellerer Ausbau der erneuerbaren Energien wirke strompreissenkend.
Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler, sagte, dass die EEG-Umlage bald nicht mehr gezahlt werden müsse, sei zunächst eine gute Nachricht für Stromkunden. So werde eine vierköpfige Familie allein in der zweiten Hälfte dieses Jahres um rund 90 Euro bei ihrer Stromrechnung entlastet: „Richtig ist aber auch: Für die Bürger und Betriebe ist es unterm Strich keine echte Entlastung, weil die Kosten für die Förderung der erneuerbaren Energien dennoch aufgebracht werden müssen." Das wird der Steuerzahler künftig über andere Töpfe leisten.
Damit die Absenkung der Umlage von den Energieversorgern auch an die Verbraucher weitergegeben wird, gibt es dazu gesetzliche Vorgaben. Es gehe nicht um eine Erhöhung der Margen von Stromlieferanten, heißt es im Gesetzentwurf. BDEW-Chefin Kerstin Andreae sagte, die Absenkung würde im Rahmen einer Neukalkulation der Preise durch die Unternehmen so oder so berücksichtigt. Die Pflicht zur Weitergabe der Absenkung werde daher als unkritisch bewertet. Das Verbot, die Preissenkung direkt zum 1. Juli mit gestiegenen Beschaffungskosten gegenzurechnen, führe jedoch zu Mehraufwand, wenn Unternehmen sowieso eine Preisänderung aufgrund der drastisch gestiegenen Beschaffungskosten durchführen müssten. „Auch für Kunden wird es eher verwirrend sein, falls dadurch in kurzer Folge zweimal der Preis für Strom geändert wird."
Gas-Schock treibt Strompreise
Jüngste Forderungen der EU-Länder Spanien und Frankreich, den Strompreis vom Gaspreis abzukoppeln, hat die EU-Energieregulierungsbehörde Acer bereits abgelehnt. Der derzeitige Aufbau der EU-Großhandelsmärkte garantiere unter normalen Bedingungen eine effiziente und sichere Stromversorgung. „Daher ist Acer der Ansicht, dass das derzeitige Marktdesign beibehalten werden sollte", heißt es in dem Bericht. Auch wenn die derzeitige Situation an den Energiemärkten nicht normal sei, sei nicht der Aufbau des Strommarktes dafür verantwortlich, so Acer. Das Strommarkt-Design habe vielmehr dazu beigetragen, Verbraucher vor Stromausfällen zu schützen. „Die derzeitige Energiekrise ist im Wesentlichen ein Gaspreis-Schock, der sich auch auf die Strompreise auswirkt." Acer rät den EU-Staaten, das Grundproblem der Krise – den Gasmarkt – anzugehen, etwa durch zusätzliche Importe, vollere Gasspeicher und Maßnahmen, um den Gasverbrauch zu reduzieren. Zudem könnten gezielt die am meisten betroffenen Verbraucher entlastet werden.
Um in Zukunft gegen hohe Strompreise vorzugehen, müsse man den Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigen, schreibt Acer in seinem Bericht weiter. Länder könnten künftig auch ein sogenanntes Druckventil einführen – ein vorübergehendes Preislimit, das automatisch in Kraft tritt, wenn die Preise im Großhandel in kurzer Zeit stark ansteigen. Langfristig müsse man das europäische Stromnetz besser integrieren und ausbauen, um es für die Energiewende fit zu machen. Das Rennen zwischen der EU und Russland, von Gaslieferungen bis Gasunabhängigkeit, geht weiter. Solange die Lieferprobleme nicht gelöst sind und regulatorisch nicht in den Markt eingegriffen wird, steigt auch der Strompreis. Helfen wird – das ist die Linie des Bundeswirtschaftsministers – kurzfristig nur sparen – Wasserkochen nur mit Deckel, Wäscheständer statt Trockner, Wasserspar-Einsätze für Hähne und Duschleitungen einbauen, Temperatur im Warmwasserspeicher um ein Grad senken, LED-Lampen nutzen. Oder einfach früher Licht aus. Auch die Umwelt dankt es.