TV-Urgestein Lutz Jahoda wird im Juni 95. Der Erfinder zahlreicher Showformate lebt mit seiner 44 Jahre jüngeren Frau in Brandenburg. Förderer des Entertainers waren die Eltern von Frank Elstner.
Mit Anfang 20 im Jahr 1947 war er Deutschlands jüngster Opperettenbuffo. Zur selben Zeit behütete er aber auch einen gewissen Frank Elstner, als dessen Eltern Auftritte hatten. Er war Entertainer, Sänger, Mime und 1983 auch mal „Fernsehliebling der DDR". Bis heute schreibt der Show-Erfinder Bücher und besucht Talkshows: Lutz Jahoda ist eine lebende Legende und einer der letzten Zeitzeugen, die authentisch von den Anfängen der Flimmerkiste im Osten 1952 berichten können. Am 18. Juni feiert das TV-Urgestein 95. Geburtstag.
Einige Weggefährten sahen in ihm einen überkorrekten Pedanten. Die meisten würdigen ihn heute jedoch als Fleißarbeiter und Pionier des Ost-Fernsehens, das es ohne ihn wohl so nicht gegeben hätte. In Erinnerung sind Jahodas Fernsehklamauk „Mit Lutz und Liebe", die Sendung „Wunschbriefkasten", unzählige Showauftritte sowie Gesangs- und Filmrollen. Jahoda spielte mit Stars wie Manfred Krug und Horst Drinda.
Manche kamen mit dem strengen TV-Meister hinter den Kulissen nicht so gut klar. Dass er aber ein umsichtiger und gebildeter Mann ist, merkt man spätestens beim Lesen seiner Bücher (unter anderem „Up and Down – Nervenstark durch ein verhunztes Jahrhundert") und im Gespräch. Zu Hause ist er seit Jahrzehnten im brandenburgischen Wolzig bei Storkow, wo Lutz Jahoda in einem schicken Holzhaus am Wolziger See lebt. Das Gewässer habe seine Tücken, wie der gebürtige Brünner dem Reporter einmal erklärte: „Der Wolziger See kann bei starkem Wind sehr unruhig werden. Sandbänke laden die Wellen zu schäumenden Wogen auf. Prächtig anzusehen, aber nicht zu empfehlen, bei Sturm mitten auf dem See zu sein", so der Charmeur alter Schule, der sich seinen leicht österreichischen Akzent und Schwejkschen Humor bis heute bewahrte.
Der Sänger und Autor wirkt nach wie vor fit. Was ihn jung halte, sei die Familie, wie er sagt: zum Beispiel Fabian, mit 24 Lenzen sein jüngster Spross. Sohn Axel ist dagegen schon 73, selbst längst Rentner und etliche Jahre älter als Eva, Jahodas 44 Jahre jüngere Ehefrau. Sie ist die sechste Gattin des Entertainers.
Der prägte das DDR-Fernsehen besonders mit seinem Format „Mit Lutz und Liebe", das Jahoda zehn Jahre kreierte und moderierte. Alle Sketche und Songs der Sendung wurden eine Woche lang aufgezeichnet. Mit dabei war immer der sprechende Papagei Amadeus. „Amadeus war eigentlich eine Papageiendame, hieß in Wirklichkeit Lore und stammte aus dem Leipziger Zoo. Dass man sie im Studio mit Amadeus ansprach, nahm sie stoisch hin", amüsiert sich Multitalent Jahoda noch heute. Privat lebte übrigens 19 Jahre lang Khmerkater Bonzo an seiner Seite.
Erste Sprechrolle in den Kammerspielen
Tourneen und Shows liefen oft parallel. 20-Stunden-Arbeitstage waren vorprogrammiert. „Heute frage ich mich manchmal, wie wir dieses Pensum bewältigten." Tagsüber zu Dreharbeiten auf dem Darß, abends im Ostberliner Fernsehstudio oder auf der Bühne des Friedrichstadtpalastes: „Das funktionierte manchmal nur, weil mich ein Agrar-Flieger, mit dem sonst Dünger gestreut wurde, von Berlin-Schönefeld nach Zingst und zurückflog", blickt der Märker, der 1965 nach Wolzig kam, zurück. „Am Wolziger See hatte ich eine Datsche, die später ausgebaut wurde", erinnert sich das Multitalent. Es sei aber dasselbe Haus aus einem Werk in Wernigerode, das er auch heute noch bewohne. Nur die Bäume des Traumgrundstücks sind mittlerweile hochgewachsen.
Gelernt hat der Entertainer mal Einzelhandelskaufmann. „Auf Wunsch des Vaters. Mein Traumberuf war ja Journalist." Um ein Haar hätte er beim „Berliner Nachtexpress" angefangen. Doch ein Rollenangebot vom „Neuen Theater am Nollendorfplatz" kam dem zuvor. Die ersten Theaterkontakte gab es bereits am Stadttheater Brünn. Dort schob Jahoda seinen Worten nach bei der Freiwilligen Feuerwehr während Vorstellungen Wache und verfiel diesem Metier. Den ersten Aufgaben als Kleindarsteller folgte bald eine winzige Sprechrolle an den Kammerspielen. Die Mama von Frank Elstner, Hilde Engel, spielte die Hauptrolle. Erich Elstner war am Haus Operettenstar.
„Familie Elstner hatte sich kühn bereit erklärt, mich nach Berlin mitzunehmen, weil dort nach der Stunde Null die Chancen zu einem Neueinstieg größer wären als in Wien, wo viele Schauspieler der einst deutschen Theater in Böhmen und Mähren Schlange standen, um an den wenigen Theaterstädten Österreichs eine Anstellung zu erhalten." Außerdem sei die Mama des späteren „Wetten, dass…!?"-Erfinders Berlinerin gewesen. Sie habe ihn in die Familie einbezogen und dafür gesorgt, dass er Schauspiel- und Ballett-Unterricht erhielt, so Jahoda. „Auch Erich Elstner hatte Glück, feierte Triumphe in der ersten Nachkriegsoperette des Metropoltheaters, während ich die Aufgabe hatte, auf den kleinen gerade vierjährigen Frank Elstner aufzupassen." Der heute 80-jährige frühere Entertainer und Show-Tüftler Frank Elstner erklärte kürzlich im Mitteldeutschen Rundfunk: „Lutz war für mich wie ein großer Bruder."
Vor einigen Jahren besuchten die Fernsehstars aus Ost und West gemeinsam die Wirkungsstätte der Eltern von Frank Elstner in Brünn. „Frank wollte den Weg sehen, den er, gerade erst drei Jahre alt, im Mai 1945 mit seiner Mama unterwegs sein musste, in der endlosen Kolonne der aus der Stadt gejagten Deutschen Richtung Wien." „Ein heikles, aber ungemein spannendes Thema", wie der Wolziger anmerkt. Sein erfolgreicher Roman-Dreiteiler „Der Irrtum" spielt unter anderem im mährischen Brünn, wo Jahoda 1927 geboren wurde. Deutsche wurden nach dem Zweiten Weltkrieg von dort ausgebürgert.
Dann kommt das Gespräch auf den ostdeutschen Showmaster, Regisseur und Entertainer Heinz Quermann. „Er war wirklich ein Phänomen, entwarf etliche Fernseh- und Radio-Formate und hatte einen Riecher für Talente." Tatsächlich gab es kaum einen Ost-Unterhaltungskünstler, den Quermann („Da lacht der Bär", „Herzklopfen kostenlos") nicht unter seine Fittiche nahm. Er entdeckte und förderte unter anderem die Schlagersängerinnen Chris Doerk und Dagmar Frederic. Nur bei Karel Gott lag er Anfang der 1960er-Jahre mal daneben. Überliefert ist der wohl nicht ganz ernst gemeinte Satz: „Junge, du kannst ja richtig singen – aus dir wird nie ein Schlagersänger." Es sollte eine Anspielung auf die Sangeskunst mancher Interpreten in Ost und West sein.
Hält immer noch Lesungen
Von 1957 bis 1991 präsentierte Heinz Quermann an der Seite von Margot Ebert im DDR-Fernsehen an jedem 1. Weihnachtsfeiertag die Kultshow „Zwischen Frühstück und Gänsebraten". „Auch seine Radiosendung ‚Schlagerrevue‘ schlug alle Rekorde: Sie lief 36 Jahre und gilt bis heute als langlebigste Rundfunk-Hitparade der Welt", erinnert sich Lutz Jahoda. Nur einige wenige Male habe sich der Schlagerpapst des Ostens vertreten lassen. Insgesamt verantwortete er rund 2.500 Sendungen in Funk und Fernsehen sowie circa 7.500 Live-Events. Der berühmte Sketch von Dieter Hallervorden „Palim-Palim" („Flasche Pommes Frites") stammt übrigens auch von Heinz Quermann, wie Hallervorden nach der Wende einmal verriet.
Schließlich erinnert sich Lutz Jahoda auch noch an die ersten Studios des Deutschen Fernsehfunks in Berlin-Adlershof: „Diese Studios brauchten viel Licht. Oft herrschte eine brütende Hitze. Darum scherzten wir: Viel Afrika, wenig Hofbräuhaus", lächelt der Fernsehmacher der ersten Stunde, der unter Pseudonym auch Schlagertexte schrieb. Seine ganz große Karriere war mit der Wende vorbei.
Dann wechselt Lutz Jahoda das Thema, gibt mal in mährischem Jargon, mal mit einem Hauch Wiener Schmäh alte Episoden wieder. Dass der Brandenburger noch immer Lesungen gibt oder bei Gesprächsrunden auftaucht, scheint für ihn selbstverständlich. Die Autobiografie „Lutz im Glück und was sonst noch schieflief" sorgte nach der Jahrtausendwende für Aufsehen. 2007 wurde sein Stück „Fernsehkommissare haben’s gut" in der Komödie Dresden aufgeführt. Inzwischen gibt es die heitere Geschichte auch als Roman (Edition Lithaus, Berlin).
Unerfüllte Wünsche gab es Lutz Jahodas Worten nach wenige: „In der ernsten Dramatik hätte ich gern mehr gemacht", sagt der von Produzenten und TV-Machern eher aufs heitere Fach festgelegte Mime und Conférencier.