Unter dem Namen Mister Rox wurde Heinz Schulz eine Abenteurer-Legende. 2004 starb er in Saarbrücken, sein Museum am Schlossplatz wurde geschlossen. Seine Freunde versuchen, sein Andenken zu bewahren.
Der König ist tot, und sein Name verblasst. Der Erforscher des Unbekannten ist zu einem geworden, den kaum jemand kennt. Der Mann, der das Fremde erklären konnte, wird selbst immer mehr zu einem Fremden. Sein Erbe verstaubt an einem geheimen Ort. Und seine Freunde, so wirkt es, haben kaum die Kraft, Mister Rox dem Vergessen zu entreißen.
Dabei war Mister Rox mal ein ganz Großer. Den König der Globetrotter hat ihn „Der Spiegel" mal genannt. Sein Königreich war die ganze Welt, seine selbst gewählte Heimat Saarbrücken. Geboren wurde Heinz Schulz, der Mann, aus dem Mister Rox wurde, 1921 im damals noch preußischen Königsberg, das die Russen später Kaliningrad nannten. Rox sei ein „weiser Mensch" gewesen, einer der ausgezogen ist, um Dinge mit eigenen Augen zu sehen" und ein „begnadeter Erzähler", sagt Heribert Leonardy.
Heribert Leonardy ist Vorsitzender des Vereins der Freunde des Abenteuermuseums. Also des Vereins, der versucht, das Erbe des Königs lebendig zu erhalten. Dabei ist das Abenteuermuseum selbst nur noch eine der großen Geschichten aus dem wilden Leben des Mister Rox. Ab 1980 präsentierte Heinz Rox-Schulz im Alten Rathaus am Saarbrücker Schlossplatz die vielen Dinge, die er von seinen Reisen mitgebracht hatte. „Ein Kuriositätenkabinett, wie es wohl kein zweites in Deutschland" gab, sagen seine Freunde. Die Sammlung sollte auch die Botschaft ihres Gründers, „der sich als pazifistischer Kosmopolit und Botschafter der Völkerverständigung verstand", vermitteln. So erklärt es der Verein seiner Freunde.
Mister Rox hatte allerdings nicht nur Freunde. Weil die Volkshochschule die Räume beanspruchte und die Landeshauptstadt die Zuschüsse zu den Personalkosten nicht mehr bezahlen wollte, musste das Museum 2004, kurz nach dem Tod von Heinz Rox-Schulz schließen. Weil sie dem König der Globetrotter, der sich nie um seine Altersversorgung gekümmert hatte, eine Rente zahlte, gehörte die Sammlung da bereits der Landeshauptstadt. Deren Repräsentanten ließen das Erbe des Mister Rox in Kisten verpacken und auf dem Dachboden eines städtischen Gebäudes einlagern. Um welches Gebäude es sich handelt, wissen nur wenige. Der Ort wird geheim gehalten, weil sich in der Sammlung Stücke befinden, die Diebe anlocken könnten. Eine Mumie zum Beispiel, alte Schmuckstücke, Skulpturen und Waffen.
Artist im Nachkriegs-Deutschland
Fünf Jahre später bot sich zwar die Chance, das Museum in den Räumen des damals neuen Stadtarchivs in der ehemaligen Deutschherrnschule neu zu eröffnen. Aber, obwohl der städtische Kulturdezernent Erik Schrader (FDP) alles geregelt und sogar Sponsoren gefunden hatte, wurde der Plan im Stadtrat mit den Stimmen von SPD, CDU und Grünen gekippt. „Rox Schulz hat diese Ehre nicht verdient", sagte Thomas Brück, damals Fraktionsvorsitzender der Grünen, später selbst Kulturdezernent. Er regte an, zumindest einige der Stücke aus der Sammlung den Völkern zurückzugeben, denen Rox sie geraubt habe. Brück und diejenigen, die Mister Rox durch ihre Entscheidung im Stadtrat gern in die tiefe Schlucht des Vergessens gestürzt hätten, waren nicht bereit, das Erbe eines Mannes zu bewahren, der seine Weltanschauung durchs Anschauen der Welt gefestigt hat. Das Erbe eines Mannes, der in Gegenden vorgedrungen ist, in die bis dahin kein oder kaum ein Europäer einen Fuß gesetzt hatte.
Begonnen hat die Reise des Mister Rox als das, was sie bis zum Ende seines Lebens geblieben ist: als One-Man-Show. Der junge Heinz Schulz tingelte als Artist durchs Nachkriegsdeutschland. 1950 habe er ein Telegramm erhalten, in dem ihm ein Engagement in Spanien angeboten wurde, heißt es. „Ohne einen Pfennig Geld in der Tasche machte er sich auf den Weg. Wenige Monate später war er in Khartum (Sudan) und dann in den Sommerresidenzen der indischen und britischen High Society im Himalaya zu sehen. Er trainierte die Leibgarde des Maharadschas von Lakhnau", heißt es im Nachruf seiner Freunde. Dort drehte Rox auch den Dokumentarfilm „Indische Rhapsodie". Mitte 1955 kehrte er aus Fernost zurück und schrieb die Bücher „Die Abenteuer des Mr. Rox. Ohne Geld in die Welt" und „Himmel und Hölle Indien". Die „Frankfurter Illustrierte" widmete den Abenteuern des Wahl-Saarbrückers eine Serie. „Aus dem deutschen Artisten war ein artistischer Globetrotter geworden", sagen seine Freunde. „Zwischen 1957 und 1962 tingelte Rox von Feuerland bis Venezuela und stieß mit seinem Faltboot in die grüne Hölle Amazoniens vor", fasst der Verein wichtige Jahre im Leben des Mister Rox zusammen. Ein weiterer Film entstand, das Buch „Verrückter Gringo" sowie unzählige Fotos von einer Welt, die damals kaum bekannt war. Danach arbeitete Rox freiberuflich als Fernsehjournalist für den Saarländischen Rundfunk in der Sahara, Ost- und Westafrika, Sibirien und Fernost.
Rox zog aber nicht nur immer wieder in die Welt hinaus. Er versammelte daheim in Saarbrücken Gleichgesinnte. „Als Rox noch lebte, war Saarbrücken ein sehr wichtiger Ort, ja das Zentrum für Globetrotter. Die haben sich alle hier getroffen: Rüdiger Nehberg, der Sahara-Willy, Werner Freund natürlich", erinnert sich Heinz Zimmer. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Vereins der Rox-Freunde und versucht das Andenken an den König der Globetrotter lebendig zu halten, indem er Weltenbummler einlädt, in Saarbrücken von ihren Abenteuern zu erzählen. Fast jeden Monat begrüßt Heinz Zimmer im Schlosskeller oder im großen Saal des VHS-Zentrums ein paar Meter weiter einen Gast.
Dennoch: „Uns Älteren ist Rox noch ein Begriff, die Jungen können mit dem Namen nichts mehr anfangen", sagt Heinz Zimmer. Ohne das Museum sei es schwer, den Mann, der es erschaffen hat, dem Vergessen zu entreißen. Im vergangenen Jahr, dem Jahr, in dem Heinz Rox-Schulz 100 Jahre alt geworden wäre, habe es plötzlich Interesse gegeben, es neu zu eröffnen. Aber entweder seien die Räume, die angeboten wurden nicht geeignet gewesen, oder es habe an Geld gefehlt, das Museum auch zu betreiben.
„Toleranz gegenüber fremden Menschen"
„Das Museum ist ohne Rox nur noch die Hälfte wert. Rox war der Anziehungspunkt. Daher glaube ich, dass das Museum nur als eine Art völkerkundliche Ausstellung wieder eine Chance hätte", sagt Zimmer. Ein solches neues Museum könne durch Leihgaben anderer saarländischer Globetrotter und vielleicht auch durch die Sammlung afrikanischer Kunst des ehemaligen Ministerpräsidenten Reinhard Klimmt ergänzt werden, fantasiert Zimmer. Er glaubt: „Ideal wäre ein Standort im Umfeld bereits bestehender Sehenswürdigkeiten, wie zum Beispiel Reden. Der Gondwana Park allein ist meines Erachtens nicht überlebensfähig. Keine Familie wird von weither anreisen, um eine Stunde in der Ausstellung rumzulaufen und dann wieder heimzufahren. Würde es aber mehrere Attraktionen geben, wo man sich einen ganzen Tag aufhalten kann, würde das sicherlich eine ganz andere Dimension haben. Da würde das Museum gut passen. Oder in die Völklinger Hütte …" Eine weitere Lösung sieht Zimmer in St. Wendel. „Dort steht der Gebäudekomplex der Steyler Missionare zum Verkauf. In einem Gebäude befindet sich das völkerkundliche Museum der Steyler. Zusammen mit dem Abenteuermuseum könnte es eines der größten Museen dieser Art werden. Aber das würde finanziell keiner stemmen", sagt er. „Gerade in diesen schwierigen Zeiten ist es sicher wichtig, für Weltoffenheit, Akzeptanz und Toleranz gegenüber fremden Menschen und Kulturen einzutreten. Ein solches Museum soll auch zum besseren Verständnis fremder Völker führen und zur Erkenntnis beitragen, dass Reisen den Frieden fördert", versucht Zimmer, der unter anderem mit dem Fahrrad im Himalaya unterwegs war, den alten Ansatz seines Freundes Rox in die neue Zeit zu tragen. Auch Heribert Leonardy glaubt, dass Rox in einer Zeit, in der jeder, der das will, übers Internet mit der ganzen Welt vernetzt sein kann, noch eine Bedeutung haben kann. Das Museum, glaubt er aber, „interessiert außer seinen Freunden keinen mehr – zumindest keinen, der das auch finanzieren kann".
Wenn er jüngeren Menschen von Rox erzähle, dann hören die zu, seien begeistert – gerade weil sich niemand mehr vorstellen könne, wie das war, als es noch keinen Massentourismus, aber Orte gab, an denen Menschen lebten, deren Existenz unbekannt war. „Wir haben viele Dokumente und die Tagebücher von Rox", sagt Leonardy. Er würde diese Dinge gern neu veröffentlichen. Dafür braucht es Geld. Auch wenn es um eine deutlich kleinere Summe gehe als die, die für die Neueröffnung des Museums notwendig wäre, hat er noch keine Sponsoren gefunden. Aber Heribert Leonardy ist sicher: Die Tagebücher des Mister Rox und all die noch nicht veröffentlichten Dokumente, „das ist ein Schatz, der gehoben werden sollte". Damit der tote König durch das, was er zu erzählen hatte, weiterlebt, das Fremde vertrauter wird und das Unbekannte nicht an Faszination verliert.