Für Borussia Dortmund endet diese Saison auf dem zweiten Tabellenplatz – und wieder mal enttäuschend. Deshalb gibt es diesen Sommer einen großen Umbruch. FORUM beleuchtet die Baustellen.
Erneut muss Borussia Dortmund dem FC Bayern München zur Meisterschaft gratulieren – zum zehnten Mal in Folge. Die Probleme des BVB legt der erneute Erfolg der Münchner deutlich offen. Denn trotz fünf Niederlagen und drei Remis in 33 Partien waren die Dortmunder nie in der Lage, den Kampf, um die Meisterschaft spannend zu gestalten. Durch die neunte Niederlage der Saison, das 3:4 gegen den Aufsteiger aus Bochum, war der Rückstand auf den Rekordmeister auf zwölf Punkte angewachsen. Beim BVB muss und wird sich etwas ändern – zum wiederholten Mal. Sebastian Kehl, der nach dieser Saison auf Michael Zorc folgt, hat bereits angekündigt „verkrustete Strukturen im Kader aufzubrechen" und „den Konkurrenzkampf anzuheizen".
Kehl will Strukturen verändern
Wenn diese Saison eines gezeigt hat, dann dass in der Abwehr Handlungsbedarf besteht. 50 Gegentreffer in 32 Bundesligaspielen sind deutlich zu viel – nur sieben Teams kassierten in dieser Saison mehr Tore als der BVB. Unter den ersten neun Mannschaften hat nur die TSG Hoffenheim mehr Tore kassiert als die Schwarz-Gelben. Auf der rechten Abwehrseite wurden Mateu Morey und Thomas Meunier von Verletzungen geplagt, sodass Trainer Marco Rose auf Felix Passlack und Marius Wolf zurückgreifen musste. Beide Spieler sind auf dieser Position nicht die Top-Lösung, auch wenn Wolf einige ordentliche Spiele abgeliefert hat. In der Innenverteidigung spielte allenfalls Manuel Akanji eine gute Saison, während bei Mats Hummels mit fortschreitendem Alter offensichtliche Geschwindigkeitsprobleme immer eklatanter wurden. Zudem kämpfte der Weltmeister von 2014 das komplette Jahr mit Muskelbeschwerden, auf Topniveau sah man Hummels deshalb kaum. Gut möglich, dass die Zeit des ehemaligen Münchners als Stammspieler beim BVB nach dieser Spielzeit endet. Denn mit Niklas Süle kommt der designierte neue Abwehrchef ablösefrei vom FC Bayern. Der 26-Jährige soll den bevorstehenden Abgang von Akanji, der wiederholte Verlängerungsangebote der Westfalen abgelehnt hat und mit einem Wechsel in die Premier League liebäugelt, kompensieren. Zudem kommt Jungnationalspieler Nico Schlotterbeck vom SC Freiburg. Über die Transfermodalitäten vereinbarten die Vereine Stillschweigen, der Vertrag des Innenverteidigers gilt bis 2027. Diese Verpflichtung könnte den endgültigen Bankplatz von Hummels bedeuten. Denn mit Dan-Axel Zagadou steht, wenn er fit ist, ein weiterer hochveranlagter Innenverteidiger im Kader. Außerdem kann sich Soumalia Coulibaly, der wie Zagadou von PSG zum BVB und derzeit in der U19 agiert, in der nächsten Saison durchaus Hoffnung auf Spielminuten machen. Auf der linken Seite könnte Rose Talent Tom Rothe nach dessen furiosem Bundesligadebüt gegen den VfL Wolfsburg mehr Vertrauen schenken. Stammkraft Raphael Guerreiro, der ebenfalls immer wieder verletzt fehlt, spielte jedenfalls nicht seine beste Saison und wirkt nicht mehr unantastbar. Nico Schulz enttäuschte auch in seinem dritten Jahr in Dortmund und steht ganz oben auf der Verkaufsliste. Allerdings dürfte es angesichts des hohen Gehalts nicht ganz einfach werden, einen willigen Käufer für den ehemaligen Hoffenheimer zu finden.
Im Mittelfeld bauen die Verantwortlichen weiterhin auf Jude Bellingham und Mo Dahoud. Axel Witsel, lange Zeit Stammkraft in der BVB-Zentrale, wird den Verein hingegen erwartungsgemäß verlassen. „Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich hier vier Jahre auf höchstem Niveau gespielt habe", sagte Witsel in einer Medienrunde nach der Heimpleite gegen Bochum. „Aber ich bin traurig, dass ich den Club verlasse, ich habe hier viele Freunde und tolle Mannschaftskollegen. Ich war vier Jahre hier, das ist eine Menge. Aber am Ende ist das das Leben eines Fußballers. Ich freue mich aufs letzte Spiel, aber ich werde auch sehr traurig sein."
Auch Axel Witsel muss ersetzt werden
Durch wen der Abgang Witsels kompensiert wird, ist noch offen. Zuletzt machten Gerüchte über den Wolfsburger Xaver Schlager die Runde. Eine weitere Option wäre es, Julian Brandt dauerhaft in die Zentrale zu beordern. Seine besten Spiele machte er auf der Sechs oder Acht. Ob das den Verantwortlichen genügt? Eigentlich für den offensiven Flügel geholt, blieb Brandt nun auch im dritten Jahr hinter den Erwartungen zurück. Gerüchten zufolge sollen er und Emre Can, der ebenfalls zu inkonstant spielt, den Verein bei einem entsprechenden Angebot verlassen dürfen. Im offensiven Mittelfeld ist wohl Kapitän Marco Reus der erneute Fixpunkt. Mit 16 Assists und neun Treffern war Reus erneut unverzichtbar. Das lag aber nicht nur an den guten Leistungen, sondern auch daran, dass Rose die Alternativen fehlten, wenn der Altstar schwächelte. Vor allem der hoch gehandelte Youngster Giovanni Reyna erlebte eine Spielzeit zum Vergessen. Nur in zehn Bundesligaspielen schaffte es der 19-Jährige auf den Rasen, verpasste wettbewerbsübergreifend 31 Spiele verletzungsbedingt. Auch hatten sich die Verantwortlichen vom zweijährigen Leihgeschäft Reiniers, der zu Real Madrid zurückkehren wird, mehr versprochen. Bekommt Reyna seine Verletzungsanfälligkeit in den Griff, ist der US-Amerikaner sicher eine der offensiven Säulen des BVB der Zukunft. Eine solche könnte dann auch Jamie Bynoe-Gittens werden. Der Engländer, der in dieser Saison vornehmlich in der U19 zum Einsatz kam, debütierte gegen Bochum in der Startelf der ersten Mannschaft. Seine Anlagen sind vielversprechend, erinnern an den im vergangenen Sommer zu Manchester United abgewanderten Jadon Sancho. Doch allein auf das Talent des jungen Engländers, dem man weiterhin Zeit zur Entwicklung geben will, wird man sich in Dortmund nicht verlassen. Es wäre fahrlässig, auf den offensiven Außenbahnen personell nicht mehr nachzulegen.
Karim Adeyemi soll unbedingt kommen
Im Sturm überstrahlt Erling Haaland alles. Seit Monaten dreht sich in Dortmund alles um den Norweger, der den Verein wohl im Sommer mit seiner Ausstiegsklausel verlassen wird. Real Madrid oder Manchester City gelten als die Vereine, die das hohe Gesamtvolumen dieses Transfers stemmen könnten. In Dortmund läuft die Suche nach einem Nachfolger für den 21-Jährigen daher schon länger auf Hochtouren. Timo Werner, Sebastién Haller oder Adam Hlozek sollen auf der Liste stehen. Transferziel Nummer eins ist jedoch der Salzburger Karim Adeyemi, dessen Verpflichtung unmittelbar bevorstehen soll. „Ich glaube, der Spieler hat schon mehr oder weniger das Gefühl vermittelt, dass er zum BVB will. Das müssen wir irgendwie hinkriegen", hatte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke kürzlich bei „19:09 – der schwarzgelbe Talk" die Hoffnungen auf eine baldige Verkündung des Deals angefacht. Als klaren Ersatz für Haaland wird Adeyemi nicht herhalten können, dafür sind die Spielertypen zu unterschiedlich. Der deutsche Nationalspieler kann zwar im Zentrum agieren, wäre aber eher als verspäteter Jaden-Sancho-Ersatz einzuordnen. Zusammen mit Donyell Malen, der ebenfalls eine durchwachsene Debutsaison hinter sich hat, könnte Adeyemi auch in einer Doppelspitze agieren. Dann gibt es ja auch noch Yousouffa Moukoko, dessen Entwicklung in diesem Jahr erheblich ins Stocken geriet. Verletzungen warfen den 17-Jährigen ständig zurück, zudem spielte die Borussia keine so unbeschwerte Saison, dass das Talent ohne Probleme Spielzeit bekommen konnte. Bei dem Umbruch muss auch dem U21-Nationalspieler ein Weg aufgezeigt werden.
In der Defensive scheinen die Verantwortlichen die richtigen Schlüsse gezogen zu haben. Mit Süle und Schlotterbeck haben sie zwei Nationalspieler in einem ansprechenden Alter verpflichtet. Im Mittelfeld und im Angriff kommt noch viel Arbeit auf die Borussen zu. Aber: Ein Auge für Talente hatten die Verantwortlichen des BVB schon immer. Nun müssen die nächsten Verpflichtungen sitzen, auch, um der Langeweile in der Bundesliga entgegenzuwirken. Das wird aber nicht der Hauptgrund für den Umbruch sein. Vielmehr will der BVB dahin zurück, wo sie 2012 das letzte Mal waren: auf Augenhöhe mit dem FC Bayern München.