„Der Welt Bestseller" steht auf dem Cover. Das klingt etwas vollmundig, doch in den 70er-Jahren war dieses Buch tatsächlich so etwas wie die Bibel der Großstadtmüden, die vom Leben auf dem Land träumten. Und nicht nur träumten, sondern es oft auch umsetzten. Es war die Zeit der Ölkrise und der Landkommunen, die Obst und Gemüse im eigenen Garten anbauten und nicht selten zur spirituellen Vervollkommnung eine Reise nach Indien starteten. Das über 400 Seiten schwere Buch lässt kaum ein Thema aus: Vom Schrebergarten geht es über das Säen zu den Eigenheiten der Obstsorten, Gemüsesorten und der Kräuter. Detailreich ist zu erfahren, wie ein Rind geschlachtet wird, wie man es häutet und ausnimmt. Und was man dann mit dem vielen Fleisch machen sollte. Der fachgerechte Bau eines Schweinestalls fehlt ebenso wenig wie das Scheren von Lämmern. Nicht jeder Stadtflüchtling wird gleich einen kompletten Bio-Bauernhof aufmachen, doch allein das Schmökern in diesem alten Landwissen wird das eine oder andere Landei der neuen Generation innerlich anregen.
Zur Walnuss ist zu erfahren, dass ein guter Walnussbaum hohe Erträge auf vergleichsweise kleiner Fläche bringt, aber erst nach 15 Jahren Früchte trägt. Und zum Pflücken von Brombeeren kann ein gekrümmter Wanderstock hilfreich sein, um höher hängende Beeren herunterzuziehen.
Zu jedem dieser Tipps – und das macht auch den Reiz des Buches aus – gibt es eine liebevoll handgemalte Zeichnung. Seit den 70er-Jahren hat sich allerdings einiges in der Tierhaltung und bei erlaubten Pestiziden geändert. Die Neuauflage des Buches wurde entsprechend angepasst, zweifelhafte Substanzen und Methoden wurden mit Sternchen gekennzeichnet. Das Leben auf dem Land heißt für Seymour übrigens nicht, „zu einer idealisierten Vergangenheit zurückzukehren", sondern „einem neuen, besseren Leben" entgegenzugehen. Im Vorwort vermerkt er, dass es ihm gut gefalle, wenn er in einem Buch im Kapitel zum Keltern Weinflecken sehe oder Schmutz auf den Gartenseiten.