Osteoporose zählt global zu den zehn häufigsten Erkrankungen. Forschern ist es nun im Tierversuch gelungen, die Stammzellen im Knochenmark zu verjüngen.
Osteoporose, im Volksmund meist als „Knochenschwund" bezeichnet, gehört laut der Weltgesundheitsorganisation WHO global zu den zehn häufigsten Erkrankungen und gilt daher als Volkskrankheit. In Deutschland leiden darunter schätzungsweise mehr als sechs Millionen Menschen, wobei die Dunkelziffer vermutlich höher ist, weil es sich um eine schleichende Erkrankung handelt, die viel zu selten diagnostiziert und behandelt wird. Und das obwohl jährlich rund 900.000 Betroffene neu hinzukommen. Auch wenn es sich bei der altersbedingten Störung des Knochenstoffwechsels keineswegs um eine reine Frauenkrankheit handelt, sind doch 70 bis 80 Prozent der Osteoporose-Patienten weiblichen Geschlechts. Der gesunkene Östrogenspiegel nach den Wechseljahren kann den Knochenstoffwechsel negativ beeinflussen. Bei Männern sind Faktoren wie Testosteron-Mangel, Kortisontherapie, kalziumarme Ernährung, hoher Alkohol- oder Nikotinkonsum oder auch eine Schilddrüsenüberfunktion ursächlich.
Schleichende Erkrankung
Eine Osteoporose entsteht, wenn mit fortschreitendem Alter die Balance zwischen knochenauf- und knochenabbauenden Zellen aus dem Gleichgewicht gerät. Bei einem gestörten Knochenstoffwechsel werden daher mehr Knochen abgebaut als aufgebaut. Dadurch nimmt die Knochenmasse zwangsläufig ab, die Knochensubstanz wird löchrig, es entsteht eine wachsende Gefahr für Brüche, die vor allem im Bereich der Lendenwirbelsäule, des Oberschenkelhalses und der Handgelenk-Speichen drohen. Es gibt nur wenige Möglichkeiten, frühzeitig und prophylaktisch beginnenden Knochenschwund nachzuweisen. Noch am vielversprechendsten ist eine sogenannte Knochendichtemessung, mit der ein künftiges Frakturrisiko bis zu einem gewissen Grade prognostiziert werden kann. Auch chronische Rückenschmerzen oder Haltungsauffälligkeiten wie ein Rundrücken, der zuweilen auch als „Witwenbuckel" bezeichnet wird, können Anzeichen für eine Erkrankung sein.
Osteoporose-Frakturen sind alles andere als leicht zu behandeln und heilen auch vergleichsweise schlecht wieder aus. Poröse Knochen wachsen nur langsam wieder zusammen und stabilisierende Implantate können häufig nur unzureichenden Halt finden, was zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität der Betroffenen führen kann. Auch wenn Osteoporose nach derzeitigem Wissensstand als nicht heilbar gilt, so kann der Verlauf der Erkrankung doch durch eine ganze Reihe wirksamer Medikamente verzögert und das Risiko von Frakturen deutlich gesenkt werden. In der Regel erhalten Patienten Medikamente, die den Knochenabbau hemmen, im fortgeschrittenen Krankheitsstadium auch Präparate zum Knochenaufbau.
Das Therapie-Spektrum könnte künftig möglicherweise durch eine an den Wurzeln der Krankheit im Knochenmark ansetzende Behandlung geradezu revolutioniert werden. Denn Forschern der Universität zu Köln ist es gelungen, in Tierversuchen mit Mäusen durch den Einsatz des längst als Lebensmittelzusatz gebräuchlichen Natriumacetats einen Verjüngungsprozess von alternden Stammzellen im Knochenmark in die Wege zu leiten. Sie konnten dadurch eine Verjüngung des sogenannten Epigenoms erzielen, einem Fachbegriff aus dem Wissensgebiet der Epigenetik, bei dem es sich um Histone genannte Protein-Zellkern-Anhängsel und chemische Modifikationen des Erbguts handelt, die allesamt nicht den DNA-Code verändern, sondern lediglich die Ablesung der Gene beeinflussen können.
Laut den Wissenschaftlern vom Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns der Universität zu Köln unter Federführung von Dr. Peter Tessarz und der Studien-Erstautorin Andromachi Pouikli, die ihre neuen Forschungsergebnisse im Fachmagazin „Nature Aging" veröffentlicht hatten, ist die Epigenetik, die als Teil der DNA die Gene steuert und darüber entscheidet, ob ein Gen ein- oder ausgeschaltet wird, schon seit geraumer Zeit als eine der Ursachen des menschlichen Alterungsprozesses in den Blickpunkt der Altersforschung gerückt. „Darin betrachtet man in der Epigenetik Veränderungen der Erbinformation und der Chromosomen", so das Kölner Team, „die zwar nicht die Sequenz der Gene selbst verändern, aber deren Aktivität beeinflussen. Eine Möglichkeit ist die Veränderung von Proteinen, den sogenannten Histonen, welche die DNA in unseren Zellen verpacken und so den Zugang zur DNA kontrollieren." Die Kölner Forschenden wandten ihre Aufmerksamkeit bei der aktuellen Studie dem Epigenom der sogenannten Mesenchymalen Stammzellen zu, die überwiegend im Knochenmark angesiedelt sind und dort verschiedene Zellarten wie Knorpel-, Knochen- oder Fettzellen hervorbringen können. „Wir wollten wissen", so Andromachi Pouikli, „warum diese Stammzellen im Alter weniger Material für die Knochen produzieren und sich so immer mehr Fettgewebe im Knochenmark ansammelt."
Epigenom verändert sich im Alter stark
In der ersten Versuchsanordnung wurde im Labor das Epigenom von Mesenchymalen Stammzellen junger und alter Mäuse verglichen. „Wir konnten sehen, dass sich das Epigenom im Alter stark verändert", so Andromachi Pouikli. „Es sind dabei besonders die Gene betroffen, die wichtig für die Herstellung von Knochen sind." Bei älteren Mäusen waren bestimmte Gene offenbar chemisch blockiert, sodass wenig neue Zellen für die Knochenbildung entstehen konnten und stattdessen vor allem Fettzellen produziert wurden. Die Wissenschaftler stellten sich nun die Frage, ob man die altersbedingten Veränderungen im Epigenom der Stammzellen eventuell revidieren und ganz konkret das Epigenom der Stammzellen womöglich wieder verjüngen könnte. Die Forscher entnahmen den Mäusen aus deren Knochenmark Stammzellen und brachten diese mit einer Natriumacetat-Nährlösung zusammen. Natriumacetat kann von den Zellen in Acetyl umgewandelt werden. Aus früheren Studien war den Wissenschaftlern bekannt, dass Natriumacetat von Zellen in Acetyl-Coenzym A umgewandelt werden kann – mithin genau in die Substanz Acetyl, an der es in alternden Knochenmarkzellen mangelt. Im Versuchsfall wandelten die Stammzellen das Acetat in einen Baustein um, den Enzyme an Histone hängen können, um dadurch den Zugang zu Genen zu erhöhen und damit deren Aktivität zu steigern. Mit dem Ergebnis, dass wieder mehr Zellen für die Knochenbildung produziert wurden. „Überraschenderweise sorgte diese Acetat-Behandlung dafür, dass die gealterten Stammzellen wieder ähnlich viele Knochenbildungszellen produzierten wie die jungen Zellen. Diese Behandlung hat in beeindruckender Weise dafür gesorgt, dass sich das Epigenom verjüngt hat und auch wieder mehr Knochenzellen durch die Stammzellen gebildet wurden", so Andromachi Pouikli.
Um zu klären, ob die bei den Mäusen beobachteten Veränderungen im Epigenom auch beim Menschen die Ursache für die Entstehung von Osteoporose sein könnten, untersuchten die Wissenschaftler nun menschliche Stammzellen, die an Osteoporose leidenden älteren Patienten im Zuge einer Hüftoperation entnommen worden waren – mit dem Ergebnis, dass die gleichen epigenetischen Modifikationen nachgewiesen werden konnten. Nähere Untersuchungen konnten dabei das Fehlen eines Acetyl-Anhängsels an den Histonen belegen, genau der winzigen Moleküle, die für eine Lockerung der Histonenhülle sorgen und dadurch den Zugang zu den Genen ermöglichen.
Allerdings ließen die Forscher offen, ob eine Natriumacetat-Vergabe beim Menschen einen ähnlichen Anti-Aging-Effekt im Knochenaufbau auslösen könnte, „da unser beobachteter Effekt sehr spezifisch für bestimmte Zellen ist", so Dr. Peter Tessarz. „Es gibt aber bereits erste Erfahrungen mit Stammzellentherapien bei Osteoporose. Eine Behandlung mit Acetat könnte in diesem Fall funktionieren. Allerdings müssen wir noch genauer die Auswirkungen auf den gesamten Organismus untersuchen, um eventuelle Risiken und Nebenwirkungen auszuschließen."