Warum wir lieber in der Vergangenheit schwelgen, statt nach vorne zu schauen
Erst Corona, dann Ukraine-Krieg quasi vor der Haustüre, dann drohende Energiekrise und zunehmende Geldentwertung – die Gegenwart ist chaotisch, die Zukunft nicht überschaubar. Es gab in den vergangenen 70 Jahren schon angenehmere Zeiten. Die Queen würde sagen, sie sei „not amused".
Nun lässt sich nicht leugnen, dass der Mensch zu allen Zeiten zur Resignation, zum Bedauern und zu Selbstmitleid über die rücksichtslose Grausamkeit der Gegenwart geneigt war, der sein diesseitiges Dasein unterworfen ist. Wer kennt sie nicht, die regelmäßigen Klagen mit den „Früher war alles besser"-Sprüchen jedweden intellektuellen Niveaus. Angefangen bei so profaneren Feststellungen, wie dass man vor einer Stunde noch bequem im Bett gelegen hat, anstatt im überfüllten Bus zur Arbeit zu fahren.
Wer von den Älteren erinnert sich nicht noch mit Wehmut an das „Königlich Bayerische Amtsgericht", dessen unterhaltsame TV-Verhandlungen stets mit den feinsinnigen Worten des Ur-Bayern Gustel Bayrhammer eingeleitet wurden: „Es war eine liebe Zeit, die gute, alte Zeit vor anno 14 … Damals hat noch Seine Königliche Hoheit der Herr Prinzregent regiert ... Das Bier war noch dunkel, die Menschen war’n typisch, die Burschen schneidig, die Dirndl sittsam und die Honoratioren ein bisserl vornehm und ein bisserl leger. Es war halt noch vieles in Ordnung damals …"
Recht hat er gehabt, der Bayrhammer, legte man nur die heutige Frisur- und Kleiderordnung der amtierenden, neu berufenen oder entlassenen Minister zugrunde. Oder blickt man auf die heutige Jugend, die – natürlich vöööööllig anders als zur eigenen Jugendzeit – offenkundig verdorben, verwöhnt, geschmacklos gekleidet und ständig zugedröhnt ist von einer Droge namens Smartphone, mit und auf dem auf Teufel komm raus gefacebookt, getwittert und gesimst wird.
Jedenfalls hat die Jugend von heute landläufig nicht mehr den Wumms, den früher alle unsere Vorfahren aufwiesen – zu Zeiten, als ihre Lieblingsspeise Mammut ebenso wie sie selber Lieblingsspeise blutrünstiger Säbelzahntiger waren. Fred und Wilma Flintstone haben damals Faustkeil, Steinaxt, Wurfspeer und Fellkleidung erfunden. Heute werden Levi und Liam, Ella und Emma Fußballspieler und Influencer oder erfinden geistlose Fernsehshows.
Im Vorgriff auf diesen Zustand der Welt hatte schon der große Philosoph Karl Valentin Klage darüber geführt, dass früher auch die Zukunft besser gewesen sei. Kurz: Es liegt auf der Hand, dass sich jeder moderne Mensch nach der Vergangenheit sehnt. Nur ganz wenige Elektronik-Nerds wie Tesla-Gründer Elon Musk sehnen sich nach dem Morgen und wollen die Menschheit retten und auf den Mars transportieren – natürlich mit firmeneigenen Raumfahrzeugen. Vermutlich auch, weil sie die Erde zuvor runtergewirtschaftet haben.
Wie zur Bestätigung kam eine Online-Befragung der Hamburger Stiftung für Zukunftsfragen von Deutschen zwischen 18 und 34 Jahren zum Ergebnis, dass 56 Prozent ein Leben in der Vergangenheit bevorzugen würden, und nur 44 Prozent würden die Zukunft vorziehen. Vermutlich haben Klimawandel, Ukraine-Krieg, Elektroauto, geplünderte Rentenkassen in Kombination mit Hochsetzung des Renten-Eintrittsalters sowie schrumpfende Kaufkraft die meisten vor der Zukunft abgeschreckt.
Zumal der Weltuntergang ohnehin schon längst hätte stattgefunden haben müssen. Laut Maya-Kalender, der schon viele Ereignisse richtig geweissagt hat, hätte das am 12. Dezember 2012 sein sollen. Nur gemerkt hat es niemand. Vielleicht hat sich der Kalender aber auch um zehn Jahre geirrt. Und die Wiederkehr der Vergangenheit steht uns noch bevor, mit einer Zeit, in der der FC Bayern nicht deutscher Fußballmeister ist, man trockenen Fußes von Sibirien nach Amerika wandern kann.
Für Träumer war die Zukunft dann am schönsten, als die Saurier gerade mal verschwunden und die Menschen noch nicht da waren: Die Luft war rein und klar, die Ozeane plastikfrei – und die Grundstückspreise zwischen all den Vulkanen noch bezahlbar. Da konnte man von der Zukunft noch träumen.