Im „Welt:raum" in Saarbrücken können sich Geflüchtete aus der Ukraine jeden Werktag treffen, um Hilfe für den Einstieg ins Leben in Deutschland zu erhalten. Dafür hat sich das Zuwanderungs- und Integrationsbüro (ZIB) der Landeshauptstadt eng mit anderen Akteuren vernetzt.
Seit Ende Februar tobt der Krieg in der Ukraine, zerrüttet den Lebensentwurf von Millionen ukrainischer Menschen. Viele von ihnen flohen, um zu überleben. Auch Deutschland ist dabei ein relevantes Ankunftsland. Schon über 802.500 Personen haben seit Kriegsbeginn bis Ende Mai den Weg in die Bundesrepublik gefunden, davon 1.793 allein in die saarländische Landeshauptstadt Saarbrücken. Nur ein kleiner Teil von diesen, weniger als ein Viertel, ist zunächst in Lebach in der zentralen Aufnahmestelle angekommen, wurde dort registriert und danach nach Saarbrücken weiterverwiesen. Der Großteil hat selbstständig den Weg in die Hauptstadt gefunden, oft durch Familienbeziehungen oder Bekannte in der Region.
Nach dem Ende der Flucht stellen sich für die Neuankömmlinge viele Fragen. Zum Beispiel, wo sie und ihre Kinder oder Angehörigen mittelfristig wohnen können. Veronika Kabis, Leiterin des Zuwanderungs- und Integrationsbüros (ZIB) in Saarbrücken: „Die meisten sind natürlich ohne konkrete Aussichten auf eine Wohnung hergekommen, sondern weil sie hier Freunde oder Verwandte haben. Da können sie dann oft erstmal auf der Gäste-Couch oder ähnlichem schlafen, aber das ist natürlich keine Dauerlösung." Um hier schnell vermitteln zu können, hat das ZIB den „Infopoint Ukraine" in Leben gerufen, der für diese und andere Fragen als zentraler Ansprechpartner dienen soll. Seit dem 25. März hat der Infopoint deshalb jeden Werktag von 13 bis 17 Uhr im „Welt:raum" in der Katholisch-Kirch-Straße 5, unweit des St. Johanner Marktes, seine Türen für alle Hilfesuchenden, auch ohne Termin, geöffnet. „Das Besondere daran ist, dass bei uns während der Öffnungszeiten immer mehrsprachige Personen für unser Beratungsangebot anwesend sind. Das ist etwas, was wir sonst im laufenden Betrieb nicht immer so gewährleisten können", so Kabis. Unterstützt wird der Infopoint dabei von zahlreichen weiteren Akteuren im Saarland sowie der zeitgleich von Ukrainern aus dem Saarland ins Leben gerufenen Bürgerinitiative „Info.Saar.UA". Veronika Kabis: „Wir haben jede Woche einen Schichtplan, in dem sich die Helfer aus anderen Beratungsstellen, die uns hier unterstützen, eintragen können. Das sind Institutionen wie die Arbeiterwohlfahrt, das Zentrum für Bildung und Beruf Saar, die Diakonie, die Caritas, das Rote Kreuz und die Arbeitskammer mit der Beratungsstelle für faire Integration, die hier mit aktiv geworden sind."
Ein anderes großes Thema am Infopoint, an dem sich täglich zwischen zehn und 20 Personen beraten lassen: Schule. Aufgrund der ukrainischen Ausreiseprobleme für Männer sind auch im Saarland besonders viele Frauen mit ihren Kindern angekommen, für die die Frage nach dem weiteren Bildungsweg der jungen Menschen von besonderem Interesse ist. Hier stellen sich für sie die Fragen: Wer ist in Deutschland eigentlich schulpflichtig? Welche Schulformen gibt es? Wo melde ich mein Kind an? Was ist, wenn es die Möglichkeit zu digitalem Unterricht aus der Ukraine gibt? Kabis: „Das sind Themen, bei denen wir vom Infopoint jetzt auch nicht direkt Experten waren. Aber wir haben über unsere Arbeit in den vergangenen Wochen viel Hintergrundwissen und eine Datenbank aufgebaut, um die Menschen hier bestmöglich zu unterstützen." Auch bei der Vermittlung von Deutschkursen helfen die Mitarbeiter beim Infopoint. Die Nachfrage ist groß, ermöglicht doch nur eine gewisse Grundkenntnis der Sprache das Arbeiten in Deutschland, mit den Einheimischen in Kontakt zu treten und im besten Fall ohne fremde Hilfe mit den bürokratischen Hürden in Deutschland zurecht zu kommen. Schließlich kann niemand genau abschätzen, wann der Krieg Russlands in der Ukraine enden wird und dementsprechend, wann es für die vielen Geflüchteten die Möglichkeit gibt, wieder sicher in ihrer Heimat zu leben. Aus der gemeinsamen Arbeit mit den teilnehmenden Institutionen, der Bürgerinitiative und den Geflohenen hat sich aus dem Infopoint heraus zusätzlich ein Webformat entwickelt, der digitale Infopoint. Dabei werden gezielt Workshops zur Vertiefung verschiedener Lebensbereiche in Deutschland durch Experten angeboten. „Wir haben bei den Online-Veranstaltungen mit Themen rund um Geld, Soziales und Schule, gefolgt von Aufenthaltsrecht, angefangen", erinnert sich Veronika Kabis. Im aktuellen Monat drehen sich beispielsweise alle Veranstaltungen, die simultan ins Ukrainische übersetzt werden, um den Themenkomplex des deutschen Arbeitsrechts.
Auch wenn es auf den ersten Blick so wirkt, als könne durch das Engagement der Beteiligten fast alles geregelt und den zahlreichen Neuankömmlingen gute Startvoraussetzungen für ihr Leben in der Bundesrepublik gegeben werden, bleiben leider gewisse Personengruppen außen vor. Kabis: „Einige, darunter auch viele Studenten, die jetzt aus der Ukraine kommen, sind Drittstaatsangehörige, zum Beispiel aus Ghana. Diese haben aktuell eine unklare Perspektive, ob sie bleiben können." Ein juristisches Problem, das weder in Saarbrücken noch von der saarländischen Landesregierung gelöst werden kann. Besonders was die Studierenden anbelangt, sollten dabei schon lange Ideen zur Lösung aus Berlin kommen. So meinte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) noch im März: „Internationale Studierende aus der Ukraine brauchen sicheren Aufenthalt und die Möglichkeit zur Fortsetzung ihres Studiums in Deutschland." Wegweisende Entscheidungen fehlen bisher, erst kürzlich verlangten Menschenrechts- und Studierendenorganisationen die gleiche Behandlung von internationalen Studierenden aus der Ukraine wie bei Studierenden mit ukrainischer Staatsangehörigkeit. Bis dahin plagt die Betroffenen auch in Saarbrücken die Ungewissheit, ebenso wie Drittstaatsangehörige, die viele Jahre in der Ukraine gelebt und gearbeitet haben. Insgesamt zeigen die Anstrengungen der Zuwanderungs- und Integrationsbüros aber, was alles möglich sein kann, wenn breite Teile der Gesellschaft sich bereit erklären, für Fremde in akuter Not tätig zu werden und Angebote zu einer gelingenden Integration aus dem Boden zu stampfen. Es ist ein Engagement, das man sich so auch für die Zukunft wünscht, wenn Menschen ihre Heimat aus Angst um ihr Leben verlassen müssen.