Der australische Filmemacher Baz Luhrmann ist mit seinem Biopic-de-Luxe „Elvis" (ab 23. Juni im Kino) wieder in Hochform. Der Werdegang des Kino-Zauberers ist eine schillernde Reise voller berauschender Highlights.
Es gibt Filme, die sind ein Stück Leben – meine sind ein Stück Kuchen." Diese Aussage des großen Alfred Hitchcock trifft auch auf die Movies des australischen Regisseurs Baz Luhrmann zu. Und obwohl er mit „Elvis" (Besprechung siehe Seite 80) die Vita der Pop-Ikone in den Mittelpunkt stellt, ist dieser Film kein langweiliger Lebensabriss geworden, sondern eine Super-Sahnetorte mit Kirsche obendrauf.
Mit „Strictly Ballroom" trat Baz Luhrmann vor 30 Jahren ins internationale Rampenlicht. Auf den Filmfestspielen in Cannes wurde der Regisseur „from down under" für seinen feurigen Tanzfilm frenetisch gefeiert. Schon damals verzauberte er die Zuschauer mit seiner eigenwilligen, hyperstilisierten Bildsprache samt opulenter Ausstattung und fulminanten Kamerafahrten. Selten wurde der Paso Doble mit so viel Leidenschaft auf die Leinwand gebannt. Das war der Auftakt zu seiner sogenannten „Red Curtain Trilogy".
Stilisierte Bildsprache, fulminante Ausstattung
Der Name soll den theatralischen Aspekt dieser Filme andeuten, die nach dem Aufziehen des Theater- oder Kino-Vorhangs den Blick auf das Werk freigeben. 1997 folgte seine sexy Film-Interpretation von „Romeo + Julia" mit Leonardo DiCaprio und Claire Danes in den Hauptrollen. Dieser Film bekam den Goldenen Bären bei den Filmfestspielen in Berlin, der damals aufstrebende Hollywoodstar DiCaprio wurde für seine schauspielerische Glanzleistung mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet. Schon hier erkannte man deutlich das überbordende Talent von Baz Luhrmann: Er wirbelte den Shakespeare-Klassiker virtuos durcheinander und mischte eine tarantinoeske Vogelfreiheit aus Action, Drama, Gewalt und Liebeslust mit einer guten Dosis Kitsch.
Baz Luhrmann erinnert sich: „Nach meinem großen Erfolg mit ‚Strictly Ballroom‘ wollte mich Hollywood unbedingt haben. Aber die Film-Projekte, die sie mir dort anboten, fand ich alle furchtbar langweilig. Außerdem war mir da auch viel zu viel Business statt Kunst im Spiel. Um mich dem ganzen Rummel zu entziehen, habe ich erst einmal eine Theatertournee durch Indien gemacht. Das hat mich davor bewahrt durchzuknallen. Während dieser Zeit entstand dann die Idee zu ‚Romeo + Julia‘."
Mit seinem dritten „Red Curtain"-Film, „Moulin Rouge" (2001), lieferte Baz Luhrmann dann sein verschwenderisches Opus magnum ab: Er revitalisierte das moderne Film-Musical und setzte auch in der Inszenierung völlig neue Maßstäbe. „Moulin Rouge" spielt im Pariser Quartier Montmartre während der ausgehenden Belle Époque und erzählt die stürmische Liebesgeschichte einer Cabaret-Schauspielerin und Kurtisane (Nicole Kidman) mit einem verarmten englischen Romantiker und Poeten (Ewan McGregor). „Moulin Rouge" fasziniert mit seiner Musikvideo-Melange à la MTV, garniert mit Sex, Drugs und Can-Can, multipliziert mit Popcorn. Unterfüttert wird diese Bilder-Orgie mit einem eklektischen Mix von Songs etwa von Madonna, Elton John und den Beatles. Das Resultat ist berauschend. Oder wie Luhrmann es nennt: „Wide Awaken Cinema."
Genau das trifft auch auf sein neustes Kunstwerk zu: „Elvis" könnte man als viertes „Red Curtain"-Movie bezeichnen. Dazu O-Ton Baz Luhrmann: „Auf keinen Fall wollte ich ein stinknormales Elvis-Biopic machen. Weder formal noch inhaltlich. Nach langem Überlegen habe ich mich dann trotzdem für die chronologische Erzählweise entschieden, allerdings mit einem guten Schuss überhöhter Wirklichkeit… Und lernen wir dabei etwas über das Leben von Elvis? Natürlich. Dennoch ist es auch ganz bewusst ein Film über den ‚Biz‘-Anteil im Showbiz. Und es ist ein Film über das Amerika der 50er-, 60er- und 70er-Jahre. Mit all den politischen und sozialen Implikationen und Elvis im kulturellen Nukleus. Der Film umspannt sowohl seine guten wie auch seine schlechten Zeiten. Der Schwerpunkt von „Elvis" liegt auf seinem Mephistopheles-Pakt mit Colonel Parker. Diese sehr ambivalente Beziehung zwischen Star und Manager ist das Prisma, in dem sich das Zeitgeist-Klima – nicht nur in den USA, sondern in der ganzen westlichen Hemisphäre – so beispielhaft bricht."
Auf die Frage, ob er je Angst hatte, bei diesem gigantischen Elvis-Film-Portrait zu scheitern, meint Luhrmann lachend: „Es fühlte sich manchmal durchaus so an, als wäre ich dem künstlerischen Selbstmord sehr nahe… Elvis war wirklich überlebensgroß. Es gibt schon einen Grund, warum Andy Warhol diese fantastischen Drucke von Elvis und Marilyn Monroe machte. Sie waren eben viel mehr als nur Popstars oder Leinwand-Gottheiten." Ganze zehn Jahre war das Projekt „Elvis" in Baz Luhrmanns Pipeline. Nachdem er für die Geschichte immer wieder neue Wendungen ausprobierte und dabei Dutzende Drehbuchschreiber verschlissen hatte, gab ihm das Hollywood-Studio Warner Brothers schließlich grünes Licht – und 150 Millionen Dollar.
„Elvis"-Film zehn Jahre in Planung
Jetzt musste er nur noch den richtigen Elvis-Darsteller finden. Unter vielen Bewerbern entschied sich Baz Luhrmann für den Amerikaner Austin Butler, der in Quentin Tarantinos „Once Upon A Time in Hollywood" den Psychopathen Charles Manson spielte. Bei dieser Entscheidung geholfen hat sicher auch, dass Oscar-Preisträger und Hollywood-Star Denzel Washington, der mit Butler am Broadway Theater spielte, ein gutes Wort für den jungen Darsteller einlegte. „Nach diversen Probeaufnahmen war mir klar, dass ich für ‚Elvis‘ mit Austin Butler meinen Leonardo DiCaprio gefunden hatte", scherzt Luhrmann. „Als ich Austin zum ersten Mal sah, dachte ich nur: Okay, der Kerl hat ganz sicher den richtigen Look, hoffentlich kann er auch schauspielen! Zum Glück konnte er das – und zwar bravourös. Und er konnte sogar singen! Die Unbefangenheit und das hohe Arbeitsethos, mit dem Austin diese Rolle gemeistert hat, haben mich schon sehr an Leo während der Dreharbeiten zu ‚Romeo + Julia‘ erinnert. Austin steht eine große Karriere bevor, da bin ich mir sicher."Baz Luhrmanns „magic touch" zündete allerdings nicht immer. Mit seiner Adaption von Scott Fitzgeralds Roman „Der Große Gatsby" (2013), wieder mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle, verzettelte er sich oft in sinnlosen Showeffekten und marginalen Nebenschauplätzen und ließ in seiner visuellen Schrillheit und aufgesetzten Eleganz die emotionale Tiefe und Ambivalenz des Romans vermissen.
Auch Luhrmanns monumentales Melodram „Australia" (2008) versandete in mäandernden, klischeebeladenen Handlungssträngen. Allerdings könnte man an dieser Stelle locker argumentieren: Lieber einen schlechten Abend mit Baz Luhrmann als einen guten mit Michael Bay.
„Meine Eltern waren interessiert und offen"
Luhrmanns Qualität als Regisseur besteht darin, dass er seine Stoffe immer scheinbar mit leichter Hand und sehr persönlicher Handschrift inszeniert. Aber woher nimmt Baz Luhrmann eigentlich seine exaltierte Sichtweise? Diesen frivolen Stil-Willen? Diese dandyhafte Übertreibung und den exzentrischen Hang zu Pathos und Glamour, die seine Filme so einzigartig und unterhaltsam machen? Hat er das Talent vielleicht von seiner Mutter Barbara Carmel geerbt, die Turniertanz-Lehrerin und Modeboutique-Inhaberin war? Oder von seinem Vater Leonard Luhrmann, der neben seiner Tankstelle auch ein Kino hatte? „Sicher haben mich meine Eltern während meiner Pubertät beeinflusst, auch weil sie künstlerischen Dingen immer interessiert und offen gegenüberstanden. Aber letztendlich habe ich mir meine kreativen Inspirationen später selber zusammengesucht."
Geboren wurde Mark Anthony Luhrmann im September 1962 in Sydney, Australien. Seine Kindheit verbrachte er in New South Wales im australischen Hinterland. Als er zwölf Jahre alt war, ließen sich seine Eltern scheiden, und er blieb zunächst bei seinem Vater. Drei Jahre später zog er dann zu seiner Mutter nach Sydney. Nach seinem Highschool-Abschluss gründete Baz – den Spitznamen hat er übrigens einem Bürstenhaarschnitt zu verdanken – mit zarten 20 Jahren seine eigene Theater-Truppe, die Bond Theatre-Company. Mit ihr trat er bei diversen Festivals in Sydney und Umgebung auf. Nach seiner Ausbildung am National Institute of Dramatic Art in Sydney arbeite er in den 80er-Jahren schließlich als Schauspieler, Produzent und Intendant und brachte unter anderem eine Theater-Version von „Strictly Ballroom" auf die Bühne. Während dieser Zeit fächerte er sein kulturelles Interesse immer weiter auf. „Neben Filmen, Oper, Tanz, Theater und Popmusik habe ich mich damals auch sehr für Mode und Design interessiert." 1985 heiratet er die Produktionsdesignerin Catherine Martin, mit der er zwei Kinder hat. Zusammen mit seiner Frau hat er in den letzten Jahren seine künstlerische Signatur auch auf Architektur-Projekte, Hotel-Design und die Lifestyle-Branche ausgeweitet. Neben seiner Arbeit als Filmemacher, Drehbuchautor und Produzent hat sich Baz Luhrmann auch in der Musik-Industrie einen großen Namen gemacht: Die von ihm produzierten Soundtracks seiner Filme sind regelmäßig Millionen-Seller. Der „Moulin Rouge"- Soundtrack erlangte sogar doppelten Platin-Status, der Song „Lady Marmalade", gesungen von Christina Aguilera, wurde mit dem Grammy als beste Hit-Single ausgezeichnet.
Was ist also das Geheimnis seines Erfolgs? Auf diese Frage gibt sich Baz Luhrmann prosaisch: „Ich arbeite nur mit Menschen zusammen, die eine ähnliche Auffassung vom Leben und von der Kunst haben wie ich. Diese Grundprinzipien werden dann nie infrage gestellt, alles andere aber umso heftiger. Und ich mache nur etwas, wozu ich innerlich getrieben werde, etwas, das mir das Leben abfordert. Leben produziert Kunst – nicht etwa umgekehrt!"