Energiepreise, Atom- oder Kohle statt russischem Gas – es reicht eigentlich mit Katastrophendiskussionen, die vor allem eins gemeinsam haben: Sich ein Urteil darüber bilden zu können, was nun richtig wäre (und was folglich falsch), grenzt an ein Ding der ziemlichen Unmöglichkeit. Auch, weil es vermutlich kein einfaches Richtig oder Falsch in einer Situation geben kann, auf die wir schlicht nicht gefasst waren: Und es auch im fünften Monat des Krieges vielfach noch nicht so recht sind.
Was den Streit um Atom- oder Kohlekraftwerke so schwer nachvollziehbar macht, ist, dass dabei alle alten Grabenkämpfe fröhliche Wiederauferstehung feiern. Die Argumente sind in der Zwischenzeit nicht besser oder schlechter geworden, die Fürs und Widers sind hinlänglich bekannt. Aber wie viel tragen sie noch vor dem Hintergrund einer völlig neuen Lage?
Einer Lage, in der es um grundlegend neue Abwägungen geht?
Wir im Saarland haben Cattenom vor der Haustür, haben vor genau zehn Jahren die letzte Kohle aus heimischer Förderung abgefahren, und haben Kohlekraftwerke in Reserve.
Da mag es der Klimaminister „bitter" finden, wenn er als Grüner wieder über Kohle reden muss. Vielen Saarländerinnen und Saarländern mag das jetzt auch „bitter" vorkommen, aber aus anderen Gründen. Natürlich ist uns auch bewusst, was das für das ebenso heftig umkämpfte Klimathema bedeuten würde.
Aber ist die Frage, die jetzt zu entscheiden ist, die zwischen Atom oder Kohle (weil wir bei Wind und Solar zu lange so umgegangen sind, als hätten wir alle Zeit der Welt)? Geht es nicht vielmehr spätestens seit dem 24. Februar um ganz andere Fragen?
Gas sollte eine Brücke zur Klimaneutralität werden. Wird jetzt ausgerechnet Kohle (oder doch Atom? Oder gar beides) zu einer ganz anderen Brücke? Eine, bei der auf den Wegschildern neben Klima auch große Marken wie Frieden, Freiheit, Unabhängigkeit stehen? Und bei der, so absurd-widerspruchsvoll es aussieht, Kohle überbrücken soll, kann, muss?
Sinnvoll denkbar ist das nur, wenn gleichzeitig beim Ausbau erneuerbarer Energien die leidige Haltung eines grundsätzlichen Dafür, aber bitte nicht an dieser Stelle, ein Ende findet. Das wäre auch ohne die neuen Herausforderungen zwingend notwendig gewesen.