Eine Änderung der schulischen Stundentafel ist überfällig
Anfang Juni haben saarländische Ärzte gefordert, „Gesundheit" müsse Schulfach werden, um Prävention und Gesundheitskompetenz der Bevölkerung zu fördern. Das hat uns spontan überzeugt, weil wir den Medizinern seit der Pandemie blind vertrauen. Da das körperliche Wohlbefinden unser höchstes Gut ist, verschreiben wir dem Fach „Gesundheit" gleich mal vier wöchentliche Unterrichtsstunden.
Sofort erinnern wir uns an die vor ein paar Jahren auf der Bildungsmesse Didacta aufgetauchte Diskussion um ein neues Fach, „Ernährung". Weil angeblich jedes dritte deutsche Kind glaube, Käse wachse auf Bäumen, gestehen wir dem Fach „Ernährung" aus dem Bauch heraus mal zwei Wochenstunden zu. Dazu passt auch die alte Forderung, die üblichen zwei wöchentlichen Sportstunden um eine dritte zu ergänzen.
Wenn wir uns schon Gedanken machen über den Unterricht der Zukunft, so dürfen wir das Thema „Geld" nicht ausklammern. Experten haben jetzt gefordert, den Schülern durch das Fach „Finanzielle Grundbildung" zu einer „verbesserten Geld-Kompetenz" und zu „verbesserten finanziellen Entscheidungen" zu verhelfen. Schließlich fühle sich jeder vierte Jugendliche in Sachen Finanzen nur ungenügend informiert.
Weil ohne Zaster kaum was läuft, subventionieren wir das Fach „Geld" großzügig mit vier Wochenstunden. Und spendieren gleichzeitig zusätzlich noch die zwei Wochenstunden, die das Land NRW schon 2020 dem Schulfach „Wirtschaft" zugestand, damit „die Schüler ihre Urteils- und Handlungsfähigkeit verbessern und die wirtschaftlichen Verhältnisse mitgestalten können".
Weil die Medien heutzutage besonders wichtig sind, hat die Berliner Linke vor einiger Zeit das Fach „Medienkompetenz" auf den Lehrplan setzen wollen, weil solche Themen ansonsten in anderen Fächern untergingen. Bayerns Ministerpräsident Söder will die Medienkompetenz lieber in ein neues Fach „Alltagskompetenz und Lebensökonomie" integrieren. Rechnen wir hierfür mal mit drei Wochenstunden!
Starkoch Steffen Henssler hat Anfang des Jahres zu Recht das Schulfach „Kochen" in den Unterrichtsstunden-Topf gerührt. Schließlich würden laut Forsa-Umfrage 69 Prozent der Kinder gern in der Schule kochen lernen, weil ihre Eltern am Herd heillos überfordert sind. Mit drei wöchentlichen Unterrichtsstunden sollte da künftig nichts mehr anbrennen.
Wiederholt aufgetaucht ist auch die Forderung nach einem Fach „Sexualkunde", weil dieses Thema „wegen seiner Komplexität nicht anderen Fächern zugeordnet werden kann." Uns würden hier aber schon zwei wöchentliche Schulstunden befriedigen, weil spätestens ab Klasse 8 von ergänzender häuslicher Praxis ausgegangen werden kann.
Weiter auf der Forderungs-Liste von Bildungsspezialisten steht das Fach „Soziales Lernen", damit Kinder ihr soziales Verhalten aufpeppen und so „befähigt werden, ihre soziale Persönlichkeit zu entwickeln". Hier könnten wir uns friedlich auf zwei Wochenstunden einigen.
In den bunten Reigen von Forderungen an die schulische Stundentafel gehört sogar die folgende: Die Organisation „Verkehrswende Berlin" hat schon 2020 für „Fahrradfahren" als Schulfach plädiert, um die Verkehrsgefährdung junger Menschen zu reduzieren. Gut, schütteln wir uns hierfür zwei Wochenstunden aus den Beinen.
Wenn wir richtig addieren, können mit den oben genannten Fächern 27 Wochenstunden sinnvoll gefüllt werden. Sollten wir die tapferen Ukrainer aber weiter mit allerlei Waffen unterstützen, könnte bald auch noch die Forderung nach einem einstündigen Fach „Wehrtechnik" an die schulische Front geschickt werden.
Da mehr als 30 Wochenstunden zu einer Überforderung der Schüler führen würden, bleiben im wöchentlichen Plan günstigenfalls noch drei Unterrichtsstunden für die Fächer Lesen, Schreiben und Rechnen. Und das sollte auch genügen: Denn ein kerngesunder, sozial- und medienkompetenter, fahrradartistischer Finanzakrobat kann diese Unterrichtsinhalte vernachlässigen. Zur Not greift er eben auf Hörbuch und Schreib-Computer zurück und überlässt die Addition seiner Honorare einem Steuerberater.