Fredi Bobic will die Neustrukturierung von Hertha BSC auf sportlicher Ebene weiter vorantreiben. Doch viele Umbesetzungen in der Führungsetage wecken Zweifel an einem reibungslosen Start in die neue Saison.
Fredi Bobic ist bekanntlich keiner, der auf dem Spielermarkt Geld „verschenkt": Profis mit laufendem Vertrag etwa, die die Vorstellungen des Sportvorstands von Hertha BSC nicht erfüllen, werden meist verliehen und bringen auf diese Weise zumindest noch eine Gebühr sowie die Einsparung des Gehalts mit sich. So zuletzt wieder einmal geschehen im Fall von Torwart Alexander Schwolow, der die kommende Spielzeit für den FC Schalke 04 absolvieren wird. Die ersten Neuverpflichtungen von Hertha BSC für die Saison 2022/23 dagegen, der kroatische Nationalspieler Filip Uremović (25, Rubin Kasan) und der Ex-Schalker Jonjoe Kenny (25, FC Everton), passen aufgrund ihrer Ablösefreiheit ebenso ins Beuteschema wie in die allgemeine Strategie des obersten Verantwortlichen für den sportlichen Bereich. Kostspielige Auflösungsverträge gibt es bei Bobic zumindest auf dem Transfermarkt eigentlich nicht – umso deutlicher wurde an der Personalie von Ex-Trainer Pál Dárdai, wie sehr es Bobic ein Anliegen war, eine Trennung von Herthas Vereinsikone zu vollziehen.
Neue Verpflichtungen passen ins Beuteschema
Schon im Mai hatte der Berliner Bundesligist verkündet, dass der (immer) noch laufende Vertrag mit dem ehemaligen Geschäftsführer Sport, Michael Preetz, aufgelöst wurde. Der Vorgänger von Fredi Bobic in diesem Amt war im Januar 2021 entlassen worden, sein Arbeitspapier hatte allerdings noch bis Sommer 2023 Gültigkeit – mit Preetz, der weiterhin noch 1,2 Millionen Euro Salär per annum bezogen haben soll, sei eine Abfindung (in nicht bekannter Höhe) vereinbart worden. Damit endete eine über 25 Jahre währende Zeit des früheren Mittelstürmers, Managers und Sportvorstands in Diensten der „Alten Dame".
Keine drei Wochen später traf es dann auch Pál Dárdai – der dafür dem Vernehmen nach eine siebenstellige Summe einstrich. Der Ungar genießt als Herthas Rekordspieler, Übungsleiter im Nachwuchsbereich der Blau-Weißen sowie als langjähriger Trainer des Bundesligateams mit erfolgreichen Europacup-Qualifikationen ebenso wie zweimaliger Rettungsmission bei vielen Fans absoluten Legendenstatus. Auch Dárdai prägte über ein Vierteljahrhundert den Verein, den er zu seiner „Liebe" erklärte – und gerade deshalb von vielen im Umfeld geschätzt wurde. Fredi Bobic aber wollte einen Schlussstrich unter dieses Kapitel – und das aus verschiedenen Gründen.
Dass der 46-Jährige, bei Hertha BSC mit einem unbefristeten Vertrag ausgestattet, dabei nicht in das neue Konzept im Nachwuchsbereich passe, mag einer davon sein. Der gewichtigste Grund aber ist, dass Bobic den Verein weiter umkrempeln und dabei möglichst wenig „Altlasten" mit in die Zukunft nehmen will. Gerade ein Pál Dárdai, der wie kein Zweiter für ein Hertha BSC der letzten Jahrzehnte steht, musste da aus Sicht des Sportvorstands weichen. Allein die Aussicht, dass dessen Name sicher bei der nächsten sportlichen Krise als Feuerwehrmann aus den eigenen Reihen ins Spiel gebracht würde, dürfte da ausschlaggebend für den klaren Schnitt gewesen sein.
Die Personalie ist auch eine klare Botschaft an alle, die es mit Hertha BSC halten, dass der Verein weiter nach den Vorstellungen des Geschäftsführers Sport umgebaut wird. Auch wenn der, wie er auf der Mitgliederversammlung Ende Mai bekannte, seinen Anteil an einer (erneut) chaotischen Saison hatte, die um ein Haar im sportlichen Abgrund endete. Doch der „Alleingang" des früheren Nationalspielers sowie dessen Art und Weise auf der Kommando- wie auf der Kaderebene finden längst nicht mehr ungebrochene Zustimmung an der Basis.
Aufsichtsrat wurde personell umstrukturiert
Vom „FC Bobic" sei intern bereits die Rede, hieß es unlängst im „Kicker" – die Gräben im Club, die der Sportvorstand als eines der Hauptprobleme für die kritisch verlaufene Spielzeit ausmachte, seien mittlerweile sogar noch tiefer als vor dessen Amtsantritt vergangenen Sommer. Zu hohes Tempo, fehlende Kommunikation und mangelnde Wertschätzung lauteten nach Aussage des Fachmagazins die Kritikpunkte am Tun des 50-Jährigen. Dass obendrein dazu auch der sportliche Erfolg ausblieb oder zumindest erste Anzeichen der Besserung zu erkennen waren, macht die Akzeptanz im Verein nicht einfacher. Dennoch scheint der „Radikalreformer" Bobic sein Projekt weiter auf seine Art durchziehen zu wollen: Das bedeutet letztlich nicht weniger, als dem Club quasi dessen Identität – und sei diese auch noch so einer kontinuierlichen Modernisierung im Weg – auszutreiben. Dabei droht er im fortgesetzten Fall des Abwärtstrends 2021/22 oder nicht baldig erkennbarer Besserung, weiter an Rückhalt zu verlieren. Schwierig dazu, dass der Verein sich ausgerechnet in dieser Phase auch in der Führungsebene wieder neu aufstellen muss und so auf Anhieb eine reibungslose, vielleicht sogar gute Zusammenarbeit dadurch nicht garantiert ist. Gleich fünf Kandidaten haben sich etwa für die Präsidentenwahl am 26. Juni als Nachfolger des zurückgetretenen Werner Gegenbauer aufstellen lassen – ein weiterer Fakt, der die Lagerbildung bei Hertha BSC noch forcieren könnte. Völlig unklar, ob die Kooperation zwischen neuem Vereinspräsident und sportlicher Leitung in dieser Konstellation so zügig wie möglich funktioniert, geschweige denn schnell auf Verlässlichkeit und Vertrauen beruhen kann. Dazu werden nach den Rücktritten auf der Mitgliederversammlung insgesamt gleich fünf neue Kandidaten ins Präsidium gewählt – aus 20 Bewerbungen (Stand: 17. Juni).
Auch der Aufsichtsrat wurde personell umstrukturiert, Klaus Brüggemann zum neuen Chef des Gremiums bestimmt – und, last but not least, bekommt Fredi Bobic in der Geschäftsführung noch (mindestens) einen neuen Mann an die Seite. Thomas E. Herrich wurde vom Aufsichtsrat dorthin bestimmt, womit die Leitung bis zum Ausscheiden von Finanzvorstand Ingo Schiller Ende Oktober wieder dreiköpfig ist. Wie es danach weitergeht, geschweige denn, ob Herrich wie der zuletzt nach nur einem Jahr ausgeschiedene Carsten Schmidt gar als CEO der Chef auf Führungsebene wird, scheint dagegen noch nicht festzustehen. Klar ist nur: Der 58-Jährige ist seit fast zwei Dekaden in verschiedenen Funktionen für Hertha BSC tätig – und dürfte als „Alteingesessener" so nicht unbedingt das Wunschprofil von Bobic erfüllen.