Ukrainische Geflüchtete sind auch im Saarland untergekommen. Stefan Spaniol, Geschäftsführer des saarländischen Städte- und Gemeindetages, warnt jedoch, dass die Betreuung von pflegebedürftigen und kriegstraumatisierten Menschen zunehmend schwieriger wird.
Herr Spaniol, nach nun fast vier Monaten Krieg, wie sind die Erfahrungen der saarländischen Städte und Gemeinden mit den ukrainischen Geflüchteten? Wie viele sind mittlerweile zurückgekehrt?
Seit Beginn des Krieges in der Ukraine haben die saarländischen Kommunen mehr als 8.000 aus der Ukraine geflüchtete Menschen aufgenommen, versorgt und betreut. Verlässliche Zahlen darüber, wie viele dieser Personen mittlerweile in ihr Heimatland zurückgekehrt sind, liegen nicht vor. Zwar sind die anfänglichen Befürchtungen über die Höhe der zu erwartenden Flüchtlingszahlen bisher (noch) nicht eingetreten, doch wird die Unterbringung für die Städte und Gemeinden zunehmend eine große Herausforderung, der sie sich trotz begrenzter Ressourcen mit großen Engagement stellen.
Nachdem die schrecklichen Neuigkeiten über den Kriegsausbruch bekannt wurden, haben sich die saarländischen Städte und Gemeinden für die Menschen in der Ukraine eingesetzt: So haben viele Kommunen Sammlungen für Hilfstransporte und Spendenaktionen tatkräftig unterstützt. Zur Vorbereitung auf die zu erwartende Flüchtlingswelle wurden unmittelbar in den ersten Tagen nach Kriegsausbruch die Bestandslisten von verfügbaren Unterbringungsmöglichkeiten aktualisiert. In der Bevölkerung wurde mit Erfolg für die Bereitstellung von privatem Wohnraum geworben. Hier waren eine große Hilfsbereitschaft und Solidarität im Saarland zu beobachten. Gerade in den städtischen Ballungsräumen wurden Notunterkünfte eingerichtet, die die vorrübergehende Unterbringung gewährleisten sollten. Dabei ist anzumerken, dass Prognosen zur Anzahl der Flüchtlinge, zu deren Bleibedauer und zur weiteren Lageentwicklung in der Ukraine von Anfang an schwierig waren und bis heute sind.
In mittlerweile rund 50 Sonderrundschreiben hat im Übrigen der Saarländische Städte und Gemeindetag (SSGT) seit Ende Februar seine Mitglieder über neue rechtliche Rahmenbedingungen und aktuelle Entwicklungen im Zusammenhang mit den Folgen des Ukraine-Krieges informiert. Auch dies zeigt, wie dynamisch und vielfältig die Aufgaben für die Kommunen sind, die sie bei diesem Thema zu bewältigen haben.
Wo liegen derzeit schwierige Herausforderungen bei der Unterbringung und Versorgung?
Besondere Herausforderungen liegen im Bereich der Bildung und Betreuung. So haben die Kommunen im Saarland als Schulträger bereits über 1.300 Schülerinnen und Schüler in ihren Schulen aufnehmen können. Manche Kommunen schildern derzeit, dass es für sie zunehmend herausfordernd wird, sich angemessen um „schwierige Fälle" zu kümmern, also zum Beispiel um behinderte oder pflegebedürftige Flüchtlinge oder um solche mit psychischen Auffälligkeiten oder Traumata. Auch um diese Themen zu besprechen und bestimmte Fallgestaltungen zielgenau zu lösen, ist eine bessere und transparentere Abstimmung mit dem Land in Fragen der Zuteilung notwendig. Zudem werden die Unterbringungsmöglichkeiten weniger. Und es gibt weitere Herausforderungen. So müssen die Flüchtlinge aus der Ukraine zum Teil mehrfach zur Landesaufnahmestelle; zunächst zur Erst-Registrierung und dann für einen Aufenthaltstitel beziehungsweise für die sogenannte Fiktionsbescheinigung, die grundsätzlich Voraussetzung ist für einen Sozialleistungsanspruch und die Arbeitserlaubnis. Dies ist für die Ämter vor Ort und die Betroffenen zeitaufwendig. Zum Glück werden sie hierbei vielerorts – wie in vielen anderen Bereichen auch – tatkräftig von Wohlfahrtsverbänden unterstützt.
Wie gelingt die Integration derzeit, wenn Geflüchtete länger bleiben?
Für die Integration spielt es eine wichtige Rolle, dass sich die Flüchtlinge auch als Teil der Gesellschaft fühlen, sich mit ihrer Arbeitskraft langfristig einbringen können und sich ihren Lebensunterhalt verdienen können. Derzeit können die Flüchtlinge zwar grundsätzlich schon eine Beschäftigung aufnehmen; die Rechtsgrundlagen hierfür sind zwischenzeitlich gegeben. Entscheidend ist aber auch, dass die im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen zügig in Deutschland anerkannt werden und Möglichkeiten der Nachqualifizierung angeboten werden. All dies kann in vielen Berufen aber nur gelingen, wenn die erforderlichen Sprachkenntnisse vorliegen, die in den Integrationskursen gezielt gefördert werden. Der deutschen Sprache kommt eine Schlüsselrolle bei der Integration von ausländischen Personen in die Gesellschaft zu. Auch wenn es verständlich ist, dass die ukrainischen Flüchtlinge die Hoffnung haben, möglichst bald in ihre Heimat zurückkehren zu können, sollten Sprachkompetenzen möglichst schnell gefördert werden.
Welche Leistungen erhalten sie?
Der von den Kommunen geforderte und nun umgesetzte sogenannte Rechtskreiswechsel in das SGB II ermöglicht es den geflüchteten Menschen aus der Ukraine, Hilfen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts, zur Gesundheitsversorgung und zur Integration aus einer Hand bei den Jobcentern zu erhalten. Sie werden damit den im Asylverfahren anerkannten Schutzberechtigten leistungsrechtlich gleichgestellt. Der bisherige „Umweg" zu vielen notwendigen Leistungen über Ansprüche nach dem Asylbewerberleistungsgesetz fällt dadurch weg.
Der Bund hatte versprochen, bei der Finanzierung der Unterbringung und Integration zu helfen. Ist bereits Geld dafür ins Saarland geflossen?
Der Bundeskanzler sowie die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Bundesländer hatten in einem Beschluss Anfang April zu den Auswirkungen des Ukraine-Krieges ausdrücklich den Dank an die Kommunen für die große Aufnahmebereitschaft und Hilfsbereitschaft vor Ort festgehalten. Der Bund hatte sich dabei zu seiner Mitverantwortung bei der Finanzierung der Unterbringung, Verpflegung und Betreuung der Flüchtlinge aus der Ukraine bekannt. Konkret wurde auch ein Hilfspaket des Bundes zur Unterstützung der Länder und vor allem auch der Kommunen bei ihren Mehraufwendungen für die Flüchtlinge aus der Ukraine in Höhe von zwei Milliarden Euro vereinbart.
Die Umsetzung im Saarland steht leider noch aus. Von diesem Geld ist bisher noch nichts bei den saarländischen Kommunen gelandet. Wir erwarten hier vom Land in den nächsten Tagen ein klares Signal, dass das Geld weitergeleitet wird. Eine umfassende und rasche Erstattung der jetzt und in Folge anfallenden Kosten für die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine ist dringend nötig. In anderen Bundesländern wurde eine solche Lösung schon erarbeitet. Bei uns leider noch nicht.