Die Kammeroper Schloss Rheinsberg startet in die neue Saison. Vier Premieren stehen auf dem Programm des Festivals, das am 20. August seinen Ausklang findet.
Bisher hat das Wetter mitgespielt. Alle Beteiligten sind gesund. Die Proben laufen wie vorgesehen. Georg Quander, der Künstlerische Direktor der Kammeroper Schloss Rheinsberg, spricht von einem „guten Start". Zum Saison-Auftakt Ende Juni wurde der gesamte Rheinsberger Schlosspark bespielt. Die Gäste erwartete jene „heitere Stimmung bei der Ankunft auf dem Lande", wie sie Beethoven in seiner sechsten Sinfonie ausmalte – das Stück erklang dann auch im Innenhof des Schlosses, mit Blick auf den abendlichen, waldumsäumten Grienericksee.
Ursprungsidee eines DDR-Komponisten
Gründer und „Erfinder" der Kammeroper Schloss Rheinsberg war der bekannte DDR-Opernkomponist Siegfried Matthus. Er entwickelte in der Nachwendezeit ein Erfolgsrezept: Gesangswettbewerb plus Opernfestival. Bald nahmen alljährlich Hunderte von Sopranistinnen oder Tenören aus aller Welt am Wettbewerb teil. Als Preise winken Opernrollen, die dann vor Ort in Rheinsberg unter der Anleitung von professionellen Dirigenten und Regisseuren einstudiert werden. Die Aufführungen laufen im Schlosstheater oder aber unter freiem Himmel im Heckentheater des Schlossparks und im Innenhof der klassizistischen Schlossanlage.
Im Herbst 2018 übernahm der Kulturmanager Georg Quander den Chefposten. Zwei Jahre lang ließ die Pandemie nur eine Schrumpf-Version des Festivals zu. Nun aber geht man mit vier Operninszenierungen in die Vollen. Den Auftakt macht am 9. Juli „Die Entführung aus dem Serail" von Wolfgang Amadeus Mozart. Georg Quander, der in den Neunzigern Intendant der Berliner Staatsoper war, führt hier selbst Regie. „Mozarts Oper ist wie gemacht für die jungen Sänger, die etwa im selben Alter wie die Figuren sind", begründet der Kammeroper-Leiter seine Wahl. Die Gesangspartien sind doppelt besetzt. Quander freut sich, dass er für die Rolle des Sklavenwächter-Bösewichts Osmin die erforderlichen extrem tiefen Bässe gefunden hat – eine seltene Stimmlage.
Die Aufführungen finden im Schlosshof statt, wo der Besucher neben dem Seeblick einen puren Klang ohne elektronische Verstärkung genießt. „Wir beschränken uns auf ein sparsames Bühnenbild. Es gibt drei Inseln, um die herum das Publikum sitzt", erzählt Quander. An der Seite nimmt die Kammerakademie Potsdam Platz; geleitet von Werner Ehrhardt, einem Pionier der historischen Aufführungspraxis. Quander bindet zudem einen in der Partitur nicht vorgesehenen Erzähler in die Inszenierung ein. „Heute herrscht ein spannungsreiches Verhältnis zwischen der westlichen Welt und der Region des Vorderen Orients", erklärt der Regisseur. „Mozarts Stück mit seinen Muselmann-Klischees ist für viele Hörer nicht mehr unbefangen erlebbar und bedarf einer historischen Einordnung."
Am 30. Juli hat Bedřich Smetanas „Die verkaufte Braut" Premiere. Kaum zu glauben, dass die tschechische Nationaloper zum ersten Mal in Rheinsberg läuft. Dabei kann man sich für das lauschige Heckentheater im Park kaum einen schöneren Stoff denken als diese ländliche Liebesgeschichte zwischen der Bauerntochter Marie und dem Knecht Hans. Doch Maries Vater will, dass sie den wohlhabenden, aber stotternden Wenzel heiratet. Die Turbulenzen der Handlung werden von mitreißenden Volksmelodien untermalt; am Ende löst sich alles in Wohlgefallen auf.
Für die Regie hat Quander seinen Vorgänger Frank Matthus eingeladen. Der Schauspieler und Theaterregisseur hatte 2014 von seinem Vater Siegfried Matthus die Leitung in Rheinsberg übernommen. Dafür gab es viel Kritik –
wegen der Form einer „dynastischen" Übergabe. Von Frank Matthus künstlerischen Fähigkeiten ist Quander jedoch überzeugt. „Das komödiantische Fach liegt ihm besonders", lobt er. „Und Frank Matthus kennt bereits das Heckentheater, das besondere Herausforderungen an den Regisseur stellt."
Für dieses Projekt hat die Kammeroper eine neue Zusammenarbeit mit den Berliner Symphonikern in die Wege geleitet, die mit ihrem Chefdirigenten Hansjörg Schellenberger anreisen. Schellenberger ist zugleich langjähriger Solo-Oboist der Berliner Philharmoniker. Am 11. August besucht ihn seine Frau in Rheinsberg, die Harfenistin Margit-Anna Süß. Als Duo gastieren die beiden im prachtvollen, mit üppig vergoldetem Stuckdekor ausgestatteten Rokoko-Spiegelsaal des Schlosses. Sollte es im Heckentheater regnen, müssen Sänger und Publikum das aushalten – wie eben anderswo bei Freiluftkonzerten auch. Die Musiker mit ihren empfindlichen Instrumenten könnten ins Schloss umziehen und ihren Part per Lautsprecher beisteuern.
Puristische Oper überdacht
Zumindest bei der zeitgenössischen Opernproduktion muss man sich nicht ums Wetter sorgen, geht doch Eckehard Mayers puristischer Oper „P." am 23. und 24. Juli im Saal des Schlosstheaters über die Bühne. Mayer formte ein konzentriertes Kammerspiel aus Briefen, die der portugiesische Nationaldichter Fernando Pessoa an seine Angebetete Ophélia Queiroz schrieb. Eine rührende platonische Liebesgeschichte spielte sich zwischen den beiden ab. Im Büro, wo er seinen Lebensunterhalt als Übersetzer von Geschäftsbriefen verdiente und sie als Fremdsprachensekretärin arbeitete. Die Hoffnung auf eine Heirat musste der Dichter wegen seiner unseligen finanziellen Lage begraben. Der Komponist Eckehard Mayer war viele Jahre musikalischer Leiter am Staatsschauspiel Dresden. Georg Quander lobt seine „pointierte, klare Klangsprache". Für die jungen Sänger sei es eine „besondere Herausforderung und Gelegenheit, direkt mit dem Komponisten zu arbeiten", so Quander. Regie führt André Bücker, der mit seinem Wagner-„Ring" in Dessau Furore machte und nun als Intendant das Staatstheater Augsburg leitet.
Zu guter Letzt läuft Ende August in Rheinsberg die Opernproduktion der Bundesakademie für junges Musiktheater. Das Festival hat drei Aufträge für Kurzopern vergeben: „Musiktheater-Profis helfen den Jugendlichen, die Stücke auf die Bühne zu bringen und einen geschlossenen Gesamtabend zu gestalten", erklärt Georg Quander. Nach zwei eingeschränkten Corona-Spielzeiten kommt Quander nun seinem Ziel näher, den Rheinsberger Opernsommer wie ein richtiges Festival zu gestalten, mit einer Serie ganz unterschiedlicher Veranstaltungsformate.
Seit jeher laufen hier neben den Opernvorstellungen auch Liederabende, Opern-Galas und eine Meisterklasse samt öffentlichem Abschlusskonzert, die diesmal von dem großen Wagner-Tenor Siegfried Jerusalem geleitet wird. Doch Quander ergänzt das Bewährte um einen Reigen neuer Formate: vom jazzigen Crossover-Abend am 3. Juli über ein Serenadenkonzert mit der Akademie für Alte Musik Berlin am 4. August bis zum sinfonischen Ausklang mit Beethoven-Tänzen der Jungen Kammerphilharmonie Berlin am 20. August. Dem Rheinsberg-Urlauber wird also viel Abwechslung geboten. Aber auch ein Tagesausflug aus der Hauptstadt lässt sich einfacher denn je auf die Beine stellen: Nach den abendlichen Veranstaltungen fährt ein Sonderzug zurück nach Berlin.