Überflutungen, Dürren und Brände rücken immer näher. Institute, Verbände und Technologie-Entwickler wollen deshalb dazu beitragen, mithilfe von smarter Stadtplanung und Gebäudesanierung das Klima zu schützen.
Valide Projektionen, robuste Modellberechnungen und Beobachtungen aus verlässlichen Quellen wie dem Hyras-Datensatz des Deutschen Wetterdienstes sind wichtig, um sich zu orientieren. Die Ausgangsfrage lautet: „Was passiert, wenn …?" Starkregentage, Hitzetage, Windgeschwindigkeiten und Temperatur gehören zu den 17 Kenngrößen, an denen sich die Forschenden des Climate Service Center Germany (Gerics), einer Einrichtung des Helmholtz-Zentrums Hereon, orientieren. Sie haben nach einjähriger Datenauslese hierzu „Klima-Ausblicke" für 401 Regionen und Landkreise entwickelt. Politiker, Verwaltungen und Privatleute sollen so mit klareren Aussichten über Veränderungen in der Energieversorgung oder in der Infrastruktur entscheiden. Denn die Klima-Ausblicke stellen verschiedene Welten vor, die Menschen in ihrem aktuellen Handeln beeinflussen sollten: fast ortsgenau jeweils ein Szenario mit viel Klimaschutz, ein Szenario mit mäßigem Klimaschutz und ein Szenario ohne wirksamen Klimaschutz.
Smarte Technologie hilft dabei, relativ verlässliche Prognosen zu erstellen. Für die Datenanalyseverfahren der aktuellen Berichte wurde im Gerics eine Auswerte-Software namens Climdex neu entwickelt. Die Ergebnisse sind fein akzentuiert und deutlich: Wenn weiter so viele Emissionen ausgestoßen werden, wäre beispielsweise in den Gebirgsregionen der Alpen oder des Schwarzwalds besonders starke Erwärmung zu erwarten. „Es gibt nach unseren Untersuchungen nicht einen einzigen Landkreis, bei dem alles beim Alten bliebe, falls sich die Emissionen weiterhin auf gleichem Level bewegen oder sogar noch steigen würden. Die Frage ist: Was können wir durch wirksamen Klimaschutz vermeiden, und auf welche Veränderungen müssen wir uns auf alle Fälle vorbereiten?", sagt Autorin Diana Rechid.
„Schwammstädte" saugen Regen auf
Verwaltungen, Politik, Unternehmen oder Eigenheimplaner finden auf einer Landkarte die sie betreffende Region und können mit einem Klick einen individuellen Klima-Ausblick herunterladen.
All der Niederschlag muss auch irgendwie aufgefangen werden. Sogenannte „Sponge Cities", die Versiegelungen der Böden und somit Niederschlagsstauungen entgegenwirken, gehören zu den Maßnahmen, die Stadtplaner und Bewohner beeinflussen können. Ebenso vertikale Gärten an den Häuserfassaden, die CO2 aufnehmen und kühlen, Recycling- und Biobaumaterialien, die möglichst klimaneutral zu verwenden sind, oder intelligente Gebäudetechnik.
Hamburg und Berlin orientieren sich schon länger an wassersensibler Gestaltung der Kommunen. In Mexiko ist eine Stadt geplant, die große Wassermengen wie ein Schwamm aufsaugen soll. In Bayern ist beispielsweise die Stadt Pfaffenhofen an der Ilm besonders engagiert darin, städtische Grün- und Erholungsflächen so anzulegen, dass sie Hochwasser abmildern können.
Bau- und Planungsverbände in Bayern hatten bereits 2019 eine Kooperation vereinbart, aus der ein Leitfaden für Kommunen zur wassersensiblen Siedlungsentwicklung entstand, der im Januar 2021 vorgestellt wurde. Die Beteiligten sprachen bei dessen Präsentation von Städten, die im Sommer kühl bleiben und im Winter Wärme speichern können, von grüner und blauer Infrastruktur mit Gewässern und Grünstreifen. Professor Dr. Wolfgang Günthert, Vorsitzender des DWA-Landesverbandes Bayern in der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall, äußerte: „Alle wasserwirtschaftlichen Maßnahmen zur Anpassung an die Klimafolgen müssen zielführend und rechtssicher sein. Ich empfehle daher die Anwendung der technischen Regeln der DWA für Planung, Bau und Betrieb der wasserwirtschaftlichen Infrastruktur, um Schäden so weit wie möglich zu vermeiden."
Zum internationalen Tag des Ingenieurwesens für nachhaltige Entwicklung, dem World Engineering Day der Unesco, zeigte die Bayerische Ingenieurekammer-Bau zwei Monate später technische Möglichkeiten auf. „17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung der Welt hat die UN in ihrer ‚Globalen Agenda 2030‘ definiert. Mindestens acht davon betreffen unmittelbar die Aufgaben der am Bau tätigen Ingenieure", betonte Professor Dr. Norbert Gebbeken, Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau. Deshalb forderte er unter anderem, Städte nach dem Prinzip der „Schwammstadt" zu errichten. Der Klimawandel führe verstärkt zu Starkregen und Hochwasser. „Städte, die so gebaut sind, dass sie Wasser aufnehmen und speichern können, sind deutlich besser gegen Schäden durch Wetterkapriolen geschützt. In Trockenperioden steht das gespeicherte Wasser den Pflanzen und Tieren zur Verfügung", sagt Gebbeken.
Doch auch Hitze kann, vor allem in Städten, zum Problem werden. Daher sollten Dächer und Fassaden nicht ungenutzt bleiben. Durch die Begrünung von Dächern oder die Installation von Photovoltaikanlagen entstehe ein wertvoller Beitrag zum Klimaschutz. Begrünte Fassaden trügen ebenfalls zu einem gesünderen Stadtklima bei und verhinderten das Aufheizen der Städte in den heißen Sommermonaten.
Dekarbonisierung im Gebäudebestand
Zudem plädiert Gebbeken dafür, Flächen zu entsiegeln und in (als Überflutungsflächen nutzbare) Retentions- und Grünflächen umzuwandeln: „Wer Büsche und Bäume pflanzt, sollte finanziell besser gestellt werden als diejenigen, die ihr Grundstück großflächig versiegeln und Steingärten anlegen." Die Sanierung von Bestandsgebäuden sei in sehr vielen Fällen möglich und deutlich ressourcenschonender als Abriss und Neubau. Auch fordert der Kammer-Präsident, beim Abriss von Gebäuden die Baustoffe konsequent zu recyceln und wiederzuverwenden. Der Einsatz von nachwachsenden Naturbaustoffen wie Holz, Lehm oder Stroh müsse verstärkt geprüft werden.
Die Deutsche Energie-Agentur (Dena), ein bundeseigenes Unternehmen, das Dienstleistungen erbringen soll, um die energie- und klimapolitischen Ziele der Bundesregierung zu Energiewende und Klimaschutz auszugestalten und umzusetzen, veröffentlichte im Oktober 2021 den Abschlussbericht der Leitstudie „Aufbruch Klimaneutralität". Beteiligt seien mindestens zehn wissenschaftliche Institute mit ihrer Expertise sowie mehr als 70 Unternehmen mit ihren Branchenerfahrungen und Markteinschätzungen. Ebenso ein 45-köpfiger Beirat „mit hochrangigen Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft", verlautbarte die Dena zur Veröffentlichung.
Die Beteiligten hätten gemeinsam untersucht, welche Technologiepfade aus heutiger Perspektive realistisch seien und welche Rahmenbedingungen es brauche, um diese bis 2045 in einem integrierten, klimaneutralen Energiesystem in Deutschland zu realisieren. Dabei seien konkrete Lösungssätze und CO2-Reduktionspfade für einzelne Sektoren (Bau, Verkehr, Industrie, Energie-Erzeugung sowie zu „Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft"), analysiert und identifiziert worden.
„Um Klimaneutralität im Gebäudebestand zu erreichen, braucht es tiefgreifende Veränderungen mit hoher Geschwindigkeit. Gebäude mit dem schlechtesten Standard müssen zuerst angepackt, Sanierungsverfahren standardisiert, massiv intensiviert und die Wärmeversorgung schnell dekarbonisiert werden", so Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Dena.
Um dem Klimawandel etwas Wirksames entgegenzusetzen, muss an allen Ecken und Enden gleichzeitig angepackt werden. Stadtplanung ist einer der Bereiche, die viel Potenzial bieten. Zumal die Weichen bereits gestellt sind und Vorhandenes oft bloß modifiziert oder mittels klimafreundlicher Technologie modernisiert werden muss. Auch hier gilt es, einen Weg zu finden, im Einklang mit der Natur zu leben. Denn eines ist bereits klar: Langfristig lohnen sich Investitionen in Städte nur noch, wenn sie auch Rücksicht auf die Entwicklung unseres Klimas nehmen.